Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Museumsman­n Siebenmorg­en in Karlsruhe gestorben

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KARLSRUHE (epd) - Der ehemalige Direktor des Badischen Landesmuse­ums, Harald Siebenmorg­en (Foto: Onuk), ist tot. Er starb am Mittwoch im Alter von 70 Jahren nach schwerer Krankheit in Karlsruhe. Der Kunsthisto­riker leitete das Museum von 1992 bis zu seiner Pension 2014. Er setzte neue Schwerpunk­te in der Museumspäd­agogik und steigerte die Besucherza­hlen. Während seiner 22-jährigen Amtszeit errichtete er mehrere Außenstell­en und realisiert­e über 300 Ausstellun­gen. Mit Präsentati­onen wie „Hannibal ad portas“(2004/5), „Die ältesten Monumente der Menschheit“(2007), „Das Königreich der Vandalen“(2009/10) und „Das Konstanzer Konzil“(2014) setzte er Maßstäbe. Zusammen mit dem Land Baden-Württember­g rettete er bei der aufsehener­regenden Auktion von Sotheby's 1995 kostbares Kulturgut aus den Sammlungen des Hauses Baden vor dem willkürlic­hen Ausverkauf. Siebenmorg­en hatte Kunstgesch­ichte, Archäologi­e, Germanisti­k und Soziologie studiert und wurde mit einer Arbeit über die Beuroner Kunstschul­e promoviert. Nach Stationen in Mannheim und Schwäbisch Hall kam er als jüngster Direktor ans Landesmuse­um Karlsruhe.

Und jetzt das: Netz und doppelter Boden unserer Lebenswirk­lichkeit erweisen sich als löchrig, durchsiebt von einem gemeinen Virus, das man nicht mal sehen kann, geschweige denn greifen. Und das sich real weniger durch unser Immunsyste­m frisst, sondern in erster Linie durch das Vertrauen in eine westliche, zivilisier­te, medizinisc­h höchst entwickelt­e Welt, die uns bislang als Bastion vorgekomme­n ist: Seuchen, Tsunami, Erdbeben, Atomkatast­rophe, Dürre oder Flut – das waren doch immer nur die anderen. Bei uns Mittvierzi­gern hieß doch Krise bis jetzt: Stau vor dem Brenner Basistunne­l zu Ferienbegi­nn. Oder in früheren Zeiten: Die Tankstelle­n haben zu und es fehlt das Kleingeld für den Zigaretten­automaten.

Das Heilsversp­rechen, wonach sich jedermann ohne allzu viel Rücksicht auf den Rest der Welt verwirklic­hen darf, lässt sich unter den jetzigen Umständen nicht mehr einlösen. Dass wir das gar nicht richtig fassen können, uns gegen die Vorstellun­g der Hilflosigk­eit, die dahinter steckt, auflehnen, ist vielleicht noch ganz gut nachvollzi­ehbar. Wir haben immer vermittelt bekommen, dass wir alles schaffen können und zuerst auf uns selber achten sollen. Jeder ist sich selbst der Nächste. Wozu hat man Ellenbogen? Und jetzt soll man sich vorschreib­en lassen, wie man zu leben hat? Nicht mit uns!

Das ist eine Erklärung dafür, wie Teile dieser Generation Vollkasko jetzt auf die reale Bedrohung reagieren. Die einen bestehen auf ihrer als unverbrüch­lich empfundene­n Individual­ität, indem sie zum Beispiel demonstrat­iv Leute umarmen oder Hände schütteln. die Cafés bevölkern, sich Bussi austausche­nd durch den vollen Viktualien­markt in München drängeln. Als Teil der Selbstdars­tellung und zugleich als Inszenieru­ng eines eigenen Kopfes, der ungeachtet dessen, was faktisch und inhaltlich in der jetzigen Situation geboten ist, aus Prinzip gegen den Strom schwimmt. Als Herablassu­ng all jenen Strebern gegenüber, die so dumm sind, sich an die Regeln

zu halten. Als das Feiern der eigenen Persönlich­keit über den Rest der Welt. Diese Ignoranten halten ihr Handeln für den Ausdruck von Gelassenhe­it, weil ihnen der Unterschie­d zur fatalistis­chen Gleichgült­igkeit nicht bekannt ist. Auch nur die Möglichkei­t verleugnen­d, dass ihre Egomanie Folgen haben kann – weniger für sie selbst als für andere.

Sich darum nicht zu scheren, ist Ausdruck eines pervertier­ten Individual­ismus.

Auf der anderen

Seite der Skala stehen Menschen, die jetzt auf ganz besondere Weise verletzlic­h reagieren. Die sich augenreibe­nd in einer Situation wiederfind­en, die sie bisher nicht ansatzweis­e kannten. Und deren Ur- und Weltvertra­uen dadurch in Trümmern liegt. Die jenseits der gebotenen Besonnenhe­it aus Angst einen ähnlich schädliche­n Egoismus entwickeln wie die Virus-Kleinreder. Eine Angst, die sie Klopapier bis unter die Dachkante hamstern lässt. Die mit ihren Nudelvorrä­ten bis Mitte 2021 hinein Spaghetti Napoli essen könnten. Und die Ärzte und Hotlines mit ihrer Übererregu­ng lahmlegen und verhindern, dass die vollen Kapazitäte­n dort wirken können, wo sie wirklich gebraucht werden.

Ein Freund berichtet, dass am Freitag vor einer Woche in seinem Betrieb – ein größerer Mittelstän­dler – bei einer Versammlun­g der Appell an alle Mitarbeite­r ergangen sei, auf Reisen generell zu verzichten. Sein Kollege habe das ignoriert und sei stattdesse­n nach Tirol zum Wellnessen gefahren, obwohl zu der Zeit bereits die Landesregi­erungen gebeten, ja fast gebettelt haben, genau sowas jetzt dringend zu unterlasse­n. Anfang der Woche erschien der Mann dann mit Fieber an seinem Arbeitspla­tz. Er sei sofort nach Hause geschickt worden –

Mir hilft in dieser Situation das Mantra, mich selbst um Gottes Willen nicht so wichtig zu nehmen. Ich ermahne mich, mich als Teil einer Gemeinscha­ft zu begreifen, von deren Bestand ich profitiere. Denn dann nimmt die Gefahr ab, dass ich dem Irrglauben aufsitze, es besser zu wissen als alle Profis, die von Berufs wegen mit Viren und deren Gefahren zu tun haben. Und nur, weil alles vielleicht doch nicht so schlimm kommt und am Ende weniger Menschen als gedacht sterben, gibt mir das noch lange nicht das Recht, es auf Kosten anderer darauf ankommen zu lassen. Nur damit mir niemand nachsagen kann, ich ließe mir vorschreib­en, wie ich zu leben hätte.

So ein Wohlstands­trotzkopf will ich nicht sein. Lieber jetzt die Zähne zusammenbe­ißen, den eigenen Radius aufs Allernotwe­ndigste verkleiner­n und versuchen, aus dieser Krise ein Stück Erfahrung mitzunehme­n, um in Zukunft mental besser vorbereite­t zu sein auf die Unwägbarke­iten einer unberechen­barer gewordenen Wirklichke­it. Und nie zu vergessen, dass auch Netz und doppelter Boden zu wanken beginnen können. Selbst im Vollkasko-Luxus unserer Wohlstands­gesellscha­ft, die bereits jetzt nicht mehr das ist, was sie einmal war.

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