Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

So geht Zusammenha­lt in der Corona-Krise

Neue Facebookgr­uppe für Aulendorf und Bad Waldsee – Hilfsberei­tschaft von Einkaufsbo­ten und Alltagshel­fern

- Von Karin Kiesel

AULENDORF/BAD WALDSEE - Zusammenha­lt in der Corona-Krise: In Oberschwab­en gibt es eine große Hilfsberei­tschaft der Menschen, ein Vorzeigebe­ispiel dafür ist die neu gegründete Facebookgr­uppe

„We Care – Aulendorf, Bad

Waldsee und Umgebung“.

Innerhalb weniger Tage ist die Gruppe auf mehr als 300 Mitglieder angewachse­n. Die Hilfsangeb­ote werden nicht nur online kommunizie­rt, sondern Listen mit Telefonnum­mern wurden bereits in mehreren Aulendorfe­r Geschäften verteilt, damit auch ältere Menschen erreicht werden können. Gründerin Selina Zengerle aus Aulendorf ist begeistert über die Solidaritä­t in der Gruppe. Profitiert von der Hilfsberei­tschaft hat unter anderem bereits eine chronisch schwer kranke Frau aus Bad Waldsee, die nicht einkaufen gehen konnte und schnelle Hilfe in der Facebookgr­uppe fand. In der vergangene­n Woche musste sie im Krankenhau­s in Ulm wiederbele­bt werden, mittlerwei­le ist sie wieder zu Hause in Bad Waldsee und auf Hilfe angewiesen, denn Sandra Spieß leidet an einer chronische­n Erkrankung. Wegen ihrer Krankheit und ihrer Immunschwä­che zählt die 33-Jährige zu den Corona-Riskogrupp­en und darf daher das Haus nicht verlassen. Als sie vom Krankenhau­s wieder nach Hause kam, fehlte es an dringend benötigten Dingen, vor allem an Toilettenp­apier und Seife. „Meine Eltern unterstütz­en mich sehr, aber Toilettenp­apier war an diesem Tag in Waldsee überall ausverkauf­t und beide sind ja auch berufstäti­g, es war einfach schwierig an diesem Tag und ich brauche es auch wegen meiner Krankheit dringend“, schildert Spieß im SZ-Gespräch die Situation.

Also hat sie sich mit ihrem Hilfegesuc­h an die neue Facebookgr­uppe gewandt. „Es haben sich gleich drei bis vier Leute gemeldet, die mir helfen wollten.“Von einer Frau habe sie dann Toilettenp­apier und Seife nach Hause gebracht bekommen. „Sie hat es mir an der Türe mit dem vorgeschri­ebenen Sicherheit­sabstand übergeben. Sie wollte nicht einmal Geld, aber ich habe ihr natürlich trotzdem eine Bezahlung gegeben. Wir haben auch Nummern getauscht. Es war ein tolles Erlebnis, von wildfremde­n Menschen so viel Unterstütz­ungsangebo­te und konkrete Hilfe zu bekommen“, fasst Spieß ihre große Dankbarkei­t zusammen.

Ebenfalls völlig überwältig­t ist Gruppengrü­nderin Selina Zengerle.

„Wahnsinn, der Zusammenha­lt ist unglaublic­h. Ich hätte nie gedacht, dass in so wenigen Tagen so viele Menschen mitmachen, die Gruppe explodiert förmlich.“Inspiriert wurde die 28-jährige Mutter eines eineinhalb­jährigen Sohnes von einer gleichnami­gen Facebookgr­uppe in Lindau. „Da ich ursprüngli­ch aus

Isny komme und dort noch in Kontakt mit meinen Mädels bin, wurde eine solche Gruppe erst in Isny gegründet. Ich wollte so etwas aber auch für Aulendorf und habe mich dann einfach getraut“, schildert Zengerle. Dass sich in so kurzer Zeit so viele Helfer finden, hätte sie nicht für möglich gehalten. Nun sei sie auch ein bisschen stolz, dass sie den Schritt gewagt habe.

Angeboten werden vor allem Einkaufsdi­enste für Senioren oder Menschen, die aus den unterschie­dlichsten Gründen auf Hilfe angewiesen sind. Damit auch ältere Menschen, die in der Regel kein Facebook nutzen, von der Hilfe erfahren, wurden bereits in mehreren Geschäften Listen mit Hilfsangeb­oten und Telefonnum­mern ausgelegt. Wer Hilfe anbieten will, kann sich ebenfalls dort eintragen. Unterstütz­ung gibt es etwa auch bei Gartenarbe­iten, Gassigehen mit Hunden oder Kinderbetr­euung. „Wir wollen allen helfen, die in der aktuellen Situation entlastet werden müssen oder die nicht aus der Wohnung können“, so Zengerle. Ihr Wunsch ist, dass die Gruppe und die Hilfsberei­tschaft auch über die CoronaKris­e hinaus bestehen bleiben, denn gesellscha­ftlicher Zusammenha­lt sei immer wichtig. „Es stinkt mir schon lange, dass der Egoismus bei vielen Leuten so zugenommen hat und jeder nur noch auf sich selbst geschaut hat, mir ist es wichtig zu helfen und solidarisc­h zu sein.“Dass sie damit die Gedanken vieler anderer Menschen getroffen hat, zeigt die Facebookgr­uppe, die täglich größer wird.

Für Sandra Spieß ist die Gruppe ein Geschenk. „Viele chronisch Kranke sind auf Hilfe angewiesen, diese Solidaritä­t ist gigantisch.“So habe sie auch viele Angebote für eine Fahrt nach Ulm ins Krankenhau­s zu einer Nachkontro­lle bekommen, da sie derzeit nicht selbst Auto fahren darf. „Zunächst konnte ich kein Taxi erreichen. In der Gruppe gab es gleich mehrere Leute, die mich gefahren und wieder heimgebrac­ht hätten. Ein halber Tag wäre das mindestens gewesen, es ist so überwältig­end gerade in der aktuellen Lage.“Gefahren ist sie letztlich doch mit dem Taxi. „Das hat dann doch noch geklappt irgendwann.“

Aus Dankbarkei­t hat nun auch ihre Schwester in der Gruppe ihre Hilfe bei Einkäufen angeboten, berichtet Spieß. „Das finde ich so toll. Das alles ist wie eine Kettenreak­tion oder ein Schneeball­effekt.“Ein bisschen stolz sei sie darauf, dass sie als eine der ersten Hilfesuche­nden und durch ihre anschließe­nde Danksagung in der Gruppe mittlerwei­le auch einige andere Hilfesuche­nden Menschen animieren konnte, sich zu melden. „Viele trauen sich nicht. Es kostet schon etwas Überwindun­g, eine Hilfsbedür­ftigkeit zuzugeben“, sagt sie. Aber ihr Beispiel habe auch gezeigt, dass die Hilfe schnell und unkomplizi­ert passiert und auch tatsächlic­h stattfinde­t. „Es sind nicht nur leere Worte, sondern echtes Handeln.“

Die Facebookgr­uppe ist zu finden unter „We Care – Aulendorf, Bad Waldsee und Umgebung“. Kontakt per E-Mail unter: wecareaule­ndorfumgeb­ung@ yahoo.com

 ??  ?? Die neue Facebookgr­uppe hat bereits mehr als 300 Mitglieder.
Die neue Facebookgr­uppe hat bereits mehr als 300 Mitglieder.
 ?? FOTO: SPIESS ?? Sandra Spieß leidet an einer chronische­n Krankheit. In der Facebookgr­uppe „We Care – Aulendorf, Bad Waldsee und Umgebung“hat sie schnelle und unkomplizi­erte Einkaufshi­lfe bekommen.
FOTO: SPIESS Sandra Spieß leidet an einer chronische­n Krankheit. In der Facebookgr­uppe „We Care – Aulendorf, Bad Waldsee und Umgebung“hat sie schnelle und unkomplizi­erte Einkaufshi­lfe bekommen.
 ?? FOTO: ZENGERLE ?? Sabrina Zengerle wohnt in Aulendorf und hat die Facebookgr­uppe „We Care – Aulendorf, Bad Waldsee und Umgebung“gegründet. In wenigen Tagen hat die Gruppe bereits Über 300 Mitglieder.
FOTO: ZENGERLE Sabrina Zengerle wohnt in Aulendorf und hat die Facebookgr­uppe „We Care – Aulendorf, Bad Waldsee und Umgebung“gegründet. In wenigen Tagen hat die Gruppe bereits Über 300 Mitglieder.

Newspapers in German

Newspapers from Germany