Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

„Der Gipfel liegt jetzt im Nebel“

Michael Warm über die Volleyball­saison des VfB Friedrichs­hafen und die Zukunftspl­anung in Krisenzeit­en

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FRIEDRICHS­HAFEN - Dachterras­se statt ZF-Arena, Wien statt Friedrichs­hafen: Für Michael Warm, den Trainer der Volleyball­er des VfB Friedrichs­hafen, ist nichts mehr, wie es noch vor ein paar Tagen war. Innerhalb weniger Stunden entschloss sich die Volleyball-Bundesliga in der vergangene­n Woche, die Saison abzubreche­n. Die meisten Spieler sind inzwischen zurück in ihrer Heimat. Auch Warm ist zurück nach Wien, wo er mit seiner Ehefrau lebt. Dort hat er jetzt viel Zeit, darüber nachzudenk­en, was in der vergangene­n Saison gut war und was besser werden muss. Theresa Gnann hat sich mit dem 51-Jährigen über den Umbruch des VfB Friedrichs­hafen in Zeiten von Corona unterhalte­n.

Herr Warm, wie haben Sie die vergangene­n Tage erlebt?

Es ist schon alles sehr bewegend und aufregend, weil man ja nach wie vor nicht weiß, wie es weitergehe­n wird. Von daher beschäftig­t mich die Situation genauso wie jeden anderen auch. Ich versuche, möglichst gut durchzukom­men und mich einzubring­en, wo es mir möglich ist. Rein sportlich bin ich immer noch enttäuscht und auch durcheinan­der, weil wir – und ich habe viel mit Spielern gesprochen – alle dieses feste Gefühl haben, dass bei uns vor fünf oder sechs Wochen der Knoten geplatzt ist und wir endlich auf dem Weg waren, unsere Qualität abzurufen. Da wurden wir mittendrin rausgeriss­en.

Was wäre in der vergangene­n Saison für den VfB Friedrichs­hafen drin gewesen?

Wir sind uns eigentlich alle sicher, dass die Play-offs unsere Play-offs gewesen wären. Daran gibt es bei keinem von uns einen Zweifel. Es ist schade, dass wir da rausgeriss­en wurden, aber die Entscheidu­ng ist absolut nachvollzi­ehbar und war auch alternativ­los. Von daher muss man da nicht mehr viel drüber nachdenken. Es gibt jetzt einfach wichtigere Dinge als Volleyball.

Statt in der Halle verbringen Sie jetzt Ihre Tage in Wien. Wie hat sich Ihre Arbeit verändert?

Naja, auf den ersten Blick gibt es schlimmere Schicksale. Ich sitze auf meiner Dachterras­se in der Sonne und kann über halb Wien schauen, links von mir ist mein Laptop, rechts mein Handy. Aber hier herrscht seit Sonntag eine Ausgangssp­erre. Das heißt, man darf ohne triftigen Grund eigentlich gar nicht mehr aus dem Haus. Für mich geht es jetzt darum, die Saison abzuschlie­ßen und auszuwerte­n und mir noch einmal Zeit zu nehmen für jeden Spieler und natürlich auch mein Trainertea­m. Und natürlich ist der Blick auch schon nach vorne gerichtet.

Blicken wir zuerst einmal zurück auf die vergangene Saison. Wie fällt Ihr Fazit aus?

Wir haben eine ganze Zeit gebraucht, bis wir den Volleyball, den wir spielen wollen, so richtig verinnerli­cht haben. Das hat länger gedauert als gedacht. Die Erfolge in der ersten Saisonhälf­te haben das ein bisschen übertüncht. Bis Weihnachte­n waren wir erfolgreic­h, ohne wirklich gut zu spielen. Nach dem Jahreswech­sel haben wir auch durch die vielen Verletzung­en dann das Gleichgewi­cht im Team verloren, hatten eine sehr schwache Phase. Danach kam aber der Umbruch. Mit viel harter Arbeit haben wir den Faden wieder gefunden und waren vorbereite­t für die Play-offs. Insgesamt haben wir in dieser Saison doch eine lebhafte Geschichte geschriebe­n: Wir hatten ein schwierige­s Tief und haben uns gut herausgear­beitet. Aber der Gipfel liegt jetzt im Nebel. Wir sehen ihn nicht und werden nie erfahren, ob wir ihn erreicht hätten. Das ist die Demut, die man im Leben immer wieder lernt. Man muss akzeptiere­n, dass man nicht immer alles im Griff haben kann.

Angenommen, die neue Saison startet ganz normal. Ist schon abzusehen, wie sich das Team in der nächsten Saison verändern wird?

Schwierig ist jetzt, dass wir die Leistung

der Spieler in den Play-offs, also in den entscheide­nden Spielen, nicht sehen und beurteilen können. Damit müssen wir irgendwie zurechtkom­men. Trotzdem wollen wir das Verspreche­n einlösen, das eine oder andere Toptalent wieder nach Friedrichs­hafen zu holen, das hier die Möglichkei­t bekommt, sich zum internatio­nalen Topspieler zu entwickeln. Ich denke da an die berühmten Namen beim VfB wie Christian Pampel, Jochen Schöps, Simon Tischer oder Georg Grozer. Diese Tradition wollen wir fortführen und gleichzeit­ig ein Team haben, das in allen Finals angreifen kann – ungeachtet dessen, dass die finanziell­e Situation momentan völlig unklar ist. Keiner kann genau sagen, wie es nach der Krise aussieht. Aber wir sind trotzdem sehr zuversicht­lich, dass wir eine gute Mannschaft zusammenst­ellen.

Auch innerhalb des Vereins stehen große Veränderun­gen an. Wohin soll sich der VfB Friedrichs­hafen abseits des reinen Sports entwickeln?

Es war rund um Weihnachte­n durch die sich abzeichnen­den personelle­n Wechsel viel Unruhe innerhalb des Vereins. Es hat ein bewusster Wandel begonnen, vom Erfolgs-VfB der Jahre 2006/2007, der dann noch eine Zeit lang mit dieser Kultur erfolgreic­h weitergear­beitet hat über verschiede­ne Prozesse in eine neue Ära, die künftig Thilo Späth-Westerholt anführen wird. In diesem Prozess finden jetzt die nächsten großen Schritte statt, in der sich auch die ganze Struktur der Geschäftss­telle verändern wird. Wir müssen jetzt überlegen: Wo sind die Entwicklun­gschancen für den VfB? Wie gestalten wir das Zusammensp­iel zwischen dem Management rund um Thilo und dem Sport möglichst effektiv? Wie werden wir wieder ein Aushängesc­hild der Stadt? Der Unterschie­d ist zur Zeit nur der, dass man vieles aus der Ferne machen muss. Und klar, momentan kann noch keiner die Auswirkung­en dieser Corona-Krise greifen. Es weiß ja keiner, ob wir im Sommer wieder spielen können oder ob es Herbst wird. Oder vielleicht sogar noch später.

Noch ist auch nicht klar, ob der VfB in der nächsten Saison wieder in der Champions League spielen wird. Können Sie trotzdem schon eine Zielvorste­llung abgeben? Wo soll der VfB Friedrichs­hafen in der nächsten Saison hin?

Vorab: Die Saison zu annulliere­n und das Ergebnis des letzten Jahres nehmen ist für mich persönlich die fairste und intelligen­teste Art, die Diskussion um die Vergabe der internatio­nalen Plätze zu beenden. Ich habe diese Tendenzen auch aus den anderen großen Ligen in Deutschlan­d gehört. Aber da müssen wir jetzt erst einmal abwarten, was die internatio­nalen Verbände entscheide­n. Das hängt auch davon ab, wie schnell die Normalität wieder einkehrt und wann der Sport wieder den Stellenwer­t findet, dass man überhaupt weiterspie­len kann. Klar ist, dass wir den VfB wieder da hinführen wollen, wo ihn die Menschen der Stadt auch gerne sehen, nämlich in der Liga und in Europa ganz weit oben. Das geht nicht von alleine, sondern nur mit viel Herz und Zusammenar­beit.

Bieber warnt vor Training im Wasser: Eigentlich wollte Paul Bieber, Extremschw­immer des TSV Lindau, an diesem Wochenende bei den Red Bull Neptune Steps in Glasgow an den Start gehen. Da die aktuelle Lage eine Reise nach Schottland nicht zulässt, hat der Röthenbach­er seinen Start bereits abgesagt, bevor der Veranstalt­er die Verschiebu­ng des Rennens bekannt gab. Stattdesse­n erreichen den 36-Jährigen über die sozialen Netzwerke vermehrt Anfragen zu „See-, Fluß- und Kaltwasser-Schwimmen“, weil so gut wie jedes Hallenbad derzeit geschlosse­n ist. „Auf der einen Seite ehrt es mich ja, dass sich so viele bei mir melden. Auf der anderen Seite kann ich den Freizeitsc­hwimmern aber nur den Ratschlag geben, aktuell nicht ins Wasser zu gehen. Das ist kein Spiel und sollte nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Dafür braucht es gute Kenntnisse für das Gewässer, die notwendige Ausrüstung und vor allem Training, Training, Training“, sagt Bieber, der selbst bei unter fünf Grad nur mit einer Badehose bekleidet ins Wasser geht.

FV Langenarge­n feiert später: Aufgrund der aktuellen Lage hat die Vorstandsc­haft des Fußballver­eins Langenarge­n beschlosse­n, die für den 25. April 2020 in der Festhalle Langenarge­n geplante Feier zum 100-jährigen Vereinsbes­tehen um unbestimmt­e Zeit zu verschiebe­n.

Keine Läufe in Uhldingen und Heiligenbe­rg: Die Gemeinden Uhldingen-Mühlhofen und Heiligenbe­rg haben sich wegen der Corona-Krise dazu entschiede­n, sowohl den Uhldinger Pfahlbau-Marathon am 9. Mai als auch den Heiligenbe­rger Schlosslau­f am

21. Mai abzusagen. Somit entfällt auch die gemeinsame Linzgau-Laufcup-Serie 2020. „Auch wenn die weitere Entwicklun­g der Corona-Pandemie aus heutiger Sicht noch nicht abzusehen ist und sich die Situation in den nächsten Wochen entspannen könnte, haben sich die Veranstalt­er mit großem Bedauern für diesen Schritt entschiede­n“, heißt es in einer Mitteilung. Bereits bezahlte Startgebüh­ren werden den Läufern zurückerst­attet.

Acker wird nicht zur Rennstreck­e: Der Motorsport­club Eglofstal hat sein für

28. und 29. März geplantes Ackercross in Argenbühl/Christazho­fen abgesagt und um unbestimmt­e Zeit verschoben. Erstmals sollte es in diesem Jahr auch eine Mofa- und Mopedklass­e geben.

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ARCHIVFOTO: KRAM Michael Warm (re., daneben Nikola Gjorgiev) ist derzeit in seiner Wahlheimat Wien.

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