Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
16 000 Kilometer für eine Runde Golf
Bad Wurzacher berichtet von seiner Reise nach Marokko, die wegen des Coronavirus abrupt endet
BAD WURZACH - Wegen der Ausbreitung des Coronavirus in Europa hat Marokko innerhalb weniger Tage seine Grenzen geschlossen und seinen Luft- und Schiffsverkehr ausgesetzt. Tausende Urlauber aus Deutschland sitzen dort fest, die Bundesregierung arbeitet, wie auch bei anderen betroffenen Ländern, an einer großen Rückholaktion. Mehr Glück als die Urlauber, die teilweise auch am Mittwoch noch an den Flughäfen ausharrten, hatte ein 31-Jähriger aus Bad Wurzach. Mit seiner Golfgruppe ist er am Samstag,
14. März, in den Maghrebstaat geflogen – und wurde bereits am Montag,
16. März, wieder ausgeflogen. Der Bericht einer ereignisreichen Kurzreise nach Nordafrika.
Gebucht hätten er und seine sieben Freunde den einwöchigen Trip bereits im August 2019, erzählt der 31Jährige (Name ist der Redaktion bekannt). Zusammen mit sieben Bekannten,
Mitglieder der Golfclubs Bad Waldsee, Wain, Neu-Ulm und Rißtissen, wollte er dort einen einwöchigen Golfurlaub verbringen. In den Tagen vor dem Reiseantritt hätten sie mehrmals bei ihrem Reisebüro in Ulm, wo sie den Urlaub gebucht haben, nachgefragt, ob die Reise angesichts der aktuellen Entwicklungen auch wirklich stattfinde. „Die Reise findet statt, in Marokko ist nix“– diese Auskunft hätten sie dann immer bekommen. Selbst am Abreisetag hätten sie nochmals nachgefragt, betont der Bad Wurzacher.
In Marokko sei dann erst einmal auch alles ganz normal abgelaufen, vom Flughafen ging es direkt in die Clubanlage, wo ihre Zimmer schon bereitstanden. Beim Abendessen sei dann allerdings ein anderer deutscher Urlauber an ihren Tisch gekommen und habe sie gefragt, ob sie etwa gerade aus Deutschland angereist seien. „Er sagte dann, dass hier alles dicht gemacht wird und sie seit drei Tagen im Hotel auf einen Flug warten“, erzählt der junge Mann aus der Riedstadt. Allzu besorgt seien sie da aber noch nicht gewesen. „Im Club war alles entspannt“. Nach dem Abendessen habe es dann allerdings eine Ansprache des Clubchefs gegeben. Dieser habe allen Urlaubern erklärt, dass in Marokko alle Flughäfen bis zum 31. März zu seien. „Ab da dachten wir eigentlich, wir seien in Marokko die letzten deutschen Urlauber gewesen, die dort noch angekommen sind. Aber am nächsten Tag sind noch weitere Gäste aus Deutschland angekommen“, sagt er.
Da der Clubchef in seiner Ansprache aber versichert habe, dass sich niemand Sorgen machen müsse, die Versorgung der Urlauber bis dahin sei gesichert, sei der Bad Wurzacher weiterhin noch nicht wirklich verunsichert gewesen. Im Gegensatz zu den Selbstständigen in seiner Gruppe, die sich ab diesem Zeitpunkt Sorgen gemacht haben, wie es in ihrem Betrieb aussieht, sollten sie nicht wie geplant am 21. März zurückfliegen können.
Am Sonntag sind sie dann planmäßig zum Golfen abgeholt worden. „Im Club, auf dem Golfplatz und auch sonst war nirgends jemand mit einer Mundschutzmaske unterwegs“, sagt der Bad Wurzacher. Nach dem Golfen ging es zurück ins Hotel. Dort sei ihnen gesagt worden, dass es um 21.45 Uhr wieder eine Ansprache des Clubchefs geben wird. Und hier erfuhren sie dann, dass sie wie die anderen Pauschalreisenden von TUI alle auf einer entsprechenden Liste derer stehen, die am Montag, also dem nächsten Tag, zurück nach Deutschland geflogen werden.
Während von anderen Anbietern wohl keine weiteren Pauschalreisenden in der Anlage waren, sollte es laut Clubchef mit allen Individualreisenden jeweils „individuelle Absprachen“geben, denn, so der Clubchef, „da ist es nicht so ganz einfach“. Wie es für diese weitergegangen ist, weiß der Bad Wurzacher nicht hundertprozentig. Da der Club aberl am Montag komplett geräumt worden sei, seien diese teilweise wohl am Flughafen „gestrandet“.
Sie selbst sind am Montag zum Flughafen Agadir gebracht worden, wo zwei von TUI gecharterte Lufthansa-Maschinen auf sie gewartet hätten. Obwohl sie auf der „ominösen Ausflugliste“standen, hätten sie hier nochmal Glück gehabt: Im allgemeinen Chaos, das am Flughafen von Agadir herrschte, seien sie, wie wohl viele andere Urlauber, zuerst zu einem falschen Schalter geschickt worden. Da hier auch nach zwei Stunden noch nichts geschah, seien sie wieder zu dem Schalter zurück, von dem sie zuvor weggeschickt wurden – und schafften es noch in den Flieger.
In diesem hätten sie wiederum rund drei Stunden gewartet, da man laut Durchsage im Flugzeug noch auf andere Urlauber gewartet habe, die eigentlich ausgeflogen werden hätten sollen. Als nach ihnen allerdings nur noch eine Person eingestiegen sei, habe der Kapitän irgendwann durchgesagt, dass es die anderen auf der Liste wohl nicht durch die Sicherheitskontrollen beziehungsweise den Check-In geschafft hätten – und man jetzt losfliege. „Von den geschätzt 180 Plätzen im Flugzeug waren nur rund 60 belegt, jeder hatte eine eigene Reihe“, erzählt der Bad Wurzacher.
Nach der Landung in Frankfurt und der Zugfahrt nach Ulm sei er dann Montagnacht gegen 23.30 Uhr wieder in Bad Wurzach angekommen. Bei der Rückreise sei ihnen ihr Ulmer Reisebüro behilflich gewesen, unter anderem habe das Büro die Zugtickets organisiert. „So eine weite Reise für einmal Golfspielen haben wir noch nie gemacht“, so der Bad Wurzacher schmunzelnd.
Während er inzwischen über das „Abenteuer“lachen kann, hatten andere deutsche Urlauber nicht so viel Glück. Er selbst stehe noch mit Deutschen im Kontakt, die bei einem anderen Anbieter eine Rundreise gebucht hatten, dann aber in Agadir festgesessen und noch immer in Marokko sind.