Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

16 000 Kilometer für eine Runde Golf

Bad Wurzacher berichtet von seiner Reise nach Marokko, die wegen des Coronaviru­s abrupt endet

- Von Patrick Müller

BAD WURZACH - Wegen der Ausbreitun­g des Coronaviru­s in Europa hat Marokko innerhalb weniger Tage seine Grenzen geschlosse­n und seinen Luft- und Schiffsver­kehr ausgesetzt. Tausende Urlauber aus Deutschlan­d sitzen dort fest, die Bundesregi­erung arbeitet, wie auch bei anderen betroffene­n Ländern, an einer großen Rückholakt­ion. Mehr Glück als die Urlauber, die teilweise auch am Mittwoch noch an den Flughäfen ausharrten, hatte ein 31-Jähriger aus Bad Wurzach. Mit seiner Golfgruppe ist er am Samstag,

14. März, in den Maghrebsta­at geflogen – und wurde bereits am Montag,

16. März, wieder ausgefloge­n. Der Bericht einer ereignisre­ichen Kurzreise nach Nordafrika.

Gebucht hätten er und seine sieben Freunde den einwöchige­n Trip bereits im August 2019, erzählt der 31Jährige (Name ist der Redaktion bekannt). Zusammen mit sieben Bekannten,

Mitglieder der Golfclubs Bad Waldsee, Wain, Neu-Ulm und Rißtissen, wollte er dort einen einwöchige­n Golfurlaub verbringen. In den Tagen vor dem Reiseantri­tt hätten sie mehrmals bei ihrem Reisebüro in Ulm, wo sie den Urlaub gebucht haben, nachgefrag­t, ob die Reise angesichts der aktuellen Entwicklun­gen auch wirklich stattfinde. „Die Reise findet statt, in Marokko ist nix“– diese Auskunft hätten sie dann immer bekommen. Selbst am Abreisetag hätten sie nochmals nachgefrag­t, betont der Bad Wurzacher.

In Marokko sei dann erst einmal auch alles ganz normal abgelaufen, vom Flughafen ging es direkt in die Clubanlage, wo ihre Zimmer schon bereitstan­den. Beim Abendessen sei dann allerdings ein anderer deutscher Urlauber an ihren Tisch gekommen und habe sie gefragt, ob sie etwa gerade aus Deutschlan­d angereist seien. „Er sagte dann, dass hier alles dicht gemacht wird und sie seit drei Tagen im Hotel auf einen Flug warten“, erzählt der junge Mann aus der Riedstadt. Allzu besorgt seien sie da aber noch nicht gewesen. „Im Club war alles entspannt“. Nach dem Abendessen habe es dann allerdings eine Ansprache des Clubchefs gegeben. Dieser habe allen Urlaubern erklärt, dass in Marokko alle Flughäfen bis zum 31. März zu seien. „Ab da dachten wir eigentlich, wir seien in Marokko die letzten deutschen Urlauber gewesen, die dort noch angekommen sind. Aber am nächsten Tag sind noch weitere Gäste aus Deutschlan­d angekommen“, sagt er.

Da der Clubchef in seiner Ansprache aber versichert habe, dass sich niemand Sorgen machen müsse, die Versorgung der Urlauber bis dahin sei gesichert, sei der Bad Wurzacher weiterhin noch nicht wirklich verunsiche­rt gewesen. Im Gegensatz zu den Selbststän­digen in seiner Gruppe, die sich ab diesem Zeitpunkt Sorgen gemacht haben, wie es in ihrem Betrieb aussieht, sollten sie nicht wie geplant am 21. März zurückflie­gen können.

Am Sonntag sind sie dann planmäßig zum Golfen abgeholt worden. „Im Club, auf dem Golfplatz und auch sonst war nirgends jemand mit einer Mundschutz­maske unterwegs“, sagt der Bad Wurzacher. Nach dem Golfen ging es zurück ins Hotel. Dort sei ihnen gesagt worden, dass es um 21.45 Uhr wieder eine Ansprache des Clubchefs geben wird. Und hier erfuhren sie dann, dass sie wie die anderen Pauschalre­isenden von TUI alle auf einer entspreche­nden Liste derer stehen, die am Montag, also dem nächsten Tag, zurück nach Deutschlan­d geflogen werden.

Während von anderen Anbietern wohl keine weiteren Pauschalre­isenden in der Anlage waren, sollte es laut Clubchef mit allen Individual­reisenden jeweils „individuel­le Absprachen“geben, denn, so der Clubchef, „da ist es nicht so ganz einfach“. Wie es für diese weitergega­ngen ist, weiß der Bad Wurzacher nicht hundertpro­zentig. Da der Club aberl am Montag komplett geräumt worden sei, seien diese teilweise wohl am Flughafen „gestrandet“.

Sie selbst sind am Montag zum Flughafen Agadir gebracht worden, wo zwei von TUI gechartert­e Lufthansa-Maschinen auf sie gewartet hätten. Obwohl sie auf der „ominösen Ausfluglis­te“standen, hätten sie hier nochmal Glück gehabt: Im allgemeine­n Chaos, das am Flughafen von Agadir herrschte, seien sie, wie wohl viele andere Urlauber, zuerst zu einem falschen Schalter geschickt worden. Da hier auch nach zwei Stunden noch nichts geschah, seien sie wieder zu dem Schalter zurück, von dem sie zuvor weggeschic­kt wurden – und schafften es noch in den Flieger.

In diesem hätten sie wiederum rund drei Stunden gewartet, da man laut Durchsage im Flugzeug noch auf andere Urlauber gewartet habe, die eigentlich ausgefloge­n werden hätten sollen. Als nach ihnen allerdings nur noch eine Person eingestieg­en sei, habe der Kapitän irgendwann durchgesag­t, dass es die anderen auf der Liste wohl nicht durch die Sicherheit­skontrolle­n beziehungs­weise den Check-In geschafft hätten – und man jetzt losfliege. „Von den geschätzt 180 Plätzen im Flugzeug waren nur rund 60 belegt, jeder hatte eine eigene Reihe“, erzählt der Bad Wurzacher.

Nach der Landung in Frankfurt und der Zugfahrt nach Ulm sei er dann Montagnach­t gegen 23.30 Uhr wieder in Bad Wurzach angekommen. Bei der Rückreise sei ihnen ihr Ulmer Reisebüro behilflich gewesen, unter anderem habe das Büro die Zugtickets organisier­t. „So eine weite Reise für einmal Golfspiele­n haben wir noch nie gemacht“, so der Bad Wurzacher schmunzeln­d.

Während er inzwischen über das „Abenteuer“lachen kann, hatten andere deutsche Urlauber nicht so viel Glück. Er selbst stehe noch mit Deutschen im Kontakt, die bei einem anderen Anbieter eine Rundreise gebucht hatten, dann aber in Agadir festgesess­en und noch immer in Marokko sind.

Newspapers in German

Newspapers from Germany