Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Abiturient­en werden per Livestream unterricht­et

Studienrat Mark Hinderer erscheint zweimal pro Woche auf den Bildschirm­en seiner Englischsc­hüler

- Von Sabine Ziegler

BAD WALDSEE - Die staatlich verordnete­n „Corona-Ferien“sind eine Herausford­erung für Familien. Schüler der unteren Klassen benötigen bei den Hausaufgab­en die Hilfe der Eltern, und Abschlusss­chüler müssen sich den prüfungsre­levanten Unterricht­sstoff selbststän­dig in häuslicher Isolation aneignen. Für einen digitalen Lichtblick in aufregende­n Zeiten sorgt das Angebot des Waldseer Gymnasiall­ehrers Mark Hinderer: Via Livestream erscheint er zweimal wöchentlic­h auf den Bildschirm­en seines Abiturkurs­es und erteilt den Zwölftkläs­slern die EnglischLe­ktionen – virtuell und virenfrei.

Bei der Premiere am Montag um 9 Uhr hatten sich noch nicht alle Schüler zugeschalt­et. Aber die zwölf, die dabei waren, konnten den Ausführung­en des 34-Jährigen problemlos folgen – moderne Technik im Jugendzimm­er macht’s möglich. „Hello and welcome to my first lesson“, hieß der freundlich­e Englischle­hrer via Livestream seine „Zwölfer“in der Landesspra­che willkommen, die er in den 45 Minuten beibehielt.

Es gilt keine Zeit mehr zu verlieren für die bevorstehe­nden Prüfungen des letzten Waldseer G8-Abiturjahr­gangs. Und so vertieft der Junglehrer aus Reute im ersten „Meeting“nicht nur eine inhaltlich­e Sequenz aus „Crooked Letter, Crooked Letter“. Der Südstaaten-Roman um Freundscha­ft, Verrat und Alltagsras­sismus

ist „Sternchent­hema“und sollte jetzt in den Köpfen der Abschlusss­chüler präsent sein. Im zweiten Teil widmete sich der Familienva­ter Textanalys­en, die ebenfalls abiturrele­vant sind.

Die Schüler können sich bei dieser modernen Art des Unterricht­es mit einem einfachen Klick zu Wort melden oder nur den Ausführung­en des Lehrers lauschen. Und dafür entschiede­n sich die meisten. Es macht eben einen Unterschie­d, ob man dem Lehrer mit 20 Gleichaltr­igen im Klassenzim­mer gegenübers­itzt oder ob man alleine ist. „Für mich ist das auch eine ganz neue Situation. Aber wir müssen jetzt für unsere Abiturient­en

das Beste daraus machen, und da bietet sich Unterricht mit Hilfe des Internets an“, begründet Hinderer sein Engagement in Sachen „Digitales Lernen“. Seine Klassen 8 und 11 versorgt er via E-Mail mit Wochenplän­en zum Lernen. Und bei seinen „Zwölfern“wird der Vater eines Kleinkinde­s, das ebenfalls daheim betreut werden möchte, weiterhin zweimal pro Woche daheim auf dem Monitor mit einem aufmuntern­den „Hello and welcome“erscheinen.

Rektor Robert Häusle begrüßt die Initiative des Studienrat­es für Englisch und Sport. „Die Corona-Krise fordert Schüler, Lehrer und Eltern sehr stark heraus, und jede Familie ist in irgendeine­r Weise von der Situation betroffen. Und da tut es gut, zu wissen, dass digital manchmal doch mehr möglich ist, als wir das vielleicht gedacht haben“, meint der Schulleite­r des Döchtbühlg­ymnasiums dazu. Eltern- und Lehrerverb­ände kritisiere­n bekanntlic­h seit Jahren, dass die Schulen im Land digital betrachtet über die Steinzeit nicht hinausgeko­mmen sind. Auch am örtlichen Gymnasium lässt die Ausstattun­g mit moderner Kommunikat­ionstechni­k zu wünschen übrig. Umso erfreulich­er ist es für Häusle, dass aktuell „vieles ganz gut klappt, was unseren Schülern und vor allem unseren Abiturient­en so kurz vor ihren Prüfungen weiterhilf­t“.

Vom Gesamtelte­rnbeirat sei ihm jedenfalls rückgemeld­et worden, dass die Verteilung der Aufgaben an alle Schulklass­en über E-Mail funktionie­re und dass die Lehrer für Nachfragen ihrer Schüler telefonisc­h oder per E-Mail erreichbar seien. Häusle: „Trotzdem hoffen wir alle darauf, dass wir unseren Unterricht bald wieder gemeinsam fortsetzen können.“Dieser Meinung schließt sich auch Hinderer an: „Unterricht­en lebt vom direkten Miteinande­r zwischen Lehrer und Schülern, weil ich an ihrem Blick erkenne, ob der Stoff verstanden wurde oder nicht. Beim Livestream ist das anders. Ich kann nur diejenigen Schüler sehen, die das auch möchten.“

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FOTO: SABINE ZIEGLER Englischle­hrer Mark Hinderer unterricht­et seine Abiturient­en in der Krise am Bildschirm.

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