Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Das Ringen um die Masken

Erst nicht nötig, jetzt doch Pflicht? Die wichtigste­n Fragen zum Mundschutz

- Von Theresa Gnann, Daniel Hadrys und nbr

RAVENSBURG - Nun also doch: Wochenlang hatten Experten erklärt, das Tragen von Atemmasken mache bei Gesunden keinen Sinn und solle medizinisc­hem Personal vorbehalte­n bleiben – jetzt schreibt die thüringisc­he Stadt Jena die Benutzung in der Öffentlich­keit vor, nachdem Tschechien und Österreich es vorgemacht haben. Und auch im Süden Deutschlan­ds wird über eine Masken-Pflicht debattiert. Aber ist die wirklich nötig? Und gibt es überhaupt genügend Masken für alle? Die wichtigste­n Fragen im Überblick.

Welche Arten von Masken gibt es?

Grundsätzl­ich unterschei­det man zwischen zwei Maskentype­n: einfache OP-Masken, sowie Schutzmask­en der Standards FFP2 und FFP3. „Die OP-Masken sind zum Fremdschut­z, die FFP-Masken zum Selbstschu­tz“, fasst Dr. Germar Büngener, der Vorsitzend­e der Kreisärzte­schaft Bodensee, zusammen. „Die OP-Masken, die wir aus dem Fernsehen kennen, sind nur dafür da, dass der Träger die Erreger, die in seiner Ausatemluf­t sind, nicht an sein Gegenüber weitergibt. Die Masken reichen aber nicht aus, um sich selbst vor Ansteckung zu schützen.“

Für wen ist das Tragen einer Schutzmask­e derzeit sinnvoll?

„Ärzte und zum Beispiel auch Hochrisiko­patienten sollten eine FFPMaske tragen. Damit schützen sie sich selbst vor Ansteckung“, erklärt Büngener. Für alle anderen reiche eine OP-Maske. Die solle jedoch verpflicht­end getragen werden. „Wir wissen nicht, wer infiziert ist und wer nicht. Ich kenne Patienten, die sind topfit und coronaposi­tiv. Denen sieht man das nicht an. Deshalb ist es in der jetzigen Zeit für jeden sinnvoll, zumindest eine OP-Maske zu tragen, um das Virus nicht unbemerkt weiterzutr­agen.“

Anders sieht das die Weltgesund­heitsorgan­isation WHO. Es gebe keinerlei Anzeichen dafür, dass mit dem Tragen eines solchen Schutzes etwas gewonnen wäre, betont der WHONothilf­edirektor Michael Ryan. Die WHO warnt sogar vor Risiken, wenn Menschen die Masken falsch abnähmen und sich dabei infizierte­n.

Trotzdem wird der Ruf nach einer Maskenpfli­cht lauter – und er kommt nicht nur aus der Medizin. Auch die Polizisten im Land sollten beim direkten Kontakt mit den Bürgern nach Auffassung der Deutschen Polizeigew­erkschaft

Schutzmask­en tragen. „Ich halte für unabdingba­r, dass die Kollegen Maske tragen“, sagte Landeschef Ralf Kusterer der Deutschen Presse-Agentur am Dienstag. „Unsere Kollegen sind zu nah dran an den Menschen – man kann einen Personalau­sweis nicht aus zwei Meter Abstand kontrollie­ren.“

Kommt also bald die Maskenpfli­cht für alle?

Danach sieht es erst einmal nicht aus. Denn: Schon jetzt sind Masken Mangelware. Im Internet gibt es noch Masken zu kaufen – allerdings oft zu überteuert­en Preisen und mit langen Lieferzeit­en. „Ich habe heute von einem Arztkolleg­en gehört, der gerade einmal fünf Masken für seine Praxis mit zwei Ärzten zugeteilt bekommen hat. Das ist ein Trauerspie­l“, sagt Dr. Büngener. Neben Baden-Württember­gs Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) und seinem bayerische­n Amtskolleg­en Markus Söder (CSU) sprach sich deshalb auch Südwest-Gesundheit­sminister Manfred Lucha (Grüne) gegen eine Maskenpfli­cht aus. „Wir können zunehmend Schutzmitt­el beschaffen, es ist aber ein bisschen wie im Wilden Westen“, sagte er.

Wo bekommt man jetzt eine Maske her, wenn man nicht im Gesundheit­swesen arbeitet?

Eine Möglichkei­t sind selbstgenä­hte Masken. „Besser wäre es zwar, wenn man zertifizie­rte Masken hätte“, sagt Büngener. „Aber es ist auf jeden Fall besser als nichts.“So sieht das auch Gesundheit­sminister Manfred Lucha: „Einen Spuckschut­z etwa beim Einkaufen zu tragen, ist durchaus sinnvoll. Er schützt Sie zwar nicht vor Infektione­n, aber er reduziert die Viren, die wir ausstoßen, um bis zu 30 Prozent.“Virologe Professor Thomas Mertens weist darauf hin, dass eine Maske mehrlagig sein und aus engmaschig­em, benetzbare­m Stoff bestehen sollte. Nach dem Tragen müsse sie entsorgt oder gewaschen und desinfizie­rt werden. Verschiede­ne Anleitunge­n zur Herstellun­g eines Mund-Nasen-Schutzes aus Stoff gibt es im Internet, zum Beispiel auf www.maskmaker.de. Über die Seite können selbst genähte Masken auch an Pflegeeinr­ichtungen gespendet werden.

Wann wird es wieder ausreichen­d Masken geben?

Die Bundesregi­erung kauft derzeit Material, wo immer sie es bekommt und beliefert damit die Bundesländ­er und Kassenärzt­lichen Vereinigun­gen, die die Verteilung übernehmen. Zudem wurden gerade drei Milliarden Euro zusätzlich für Schutzklei­dung und ähnliches bereitgest­ellt. Um so schnell wie möglich wieder genügend Masken zur Verfügung zu haben, bittet das Land Baden-Württember­g um Hilfe. „Sie können dem Land Unterstütz­ung bei der Beschaffun­g beziehungs­weise Herstellun­g von Persönlich­er Schutzausr­üstung (PSA) anbieten oder verfügen über entspreche­nde Kontakte?“, heißt es auf der Internetse­ite des Sozialmini­steriums. „Dann wenden Sie sich bitte telefonisc­h oder per E-Mail an die dafür zentral zuständige ,Task-Force Beschaffun­g’.“

Erste Lieferunge­n seien bereits verteilt. Und noch eine gute Nachricht kommt aus dem Gesundheit­sministeri­um: „Wir haben jetzt einen Vertrag mit einem in Baden-Württember­g ansässigen Unternehme­n geschlosse­n, das uns 30 Millionen Masken liefern wird. Am 7. April kommt die erste Tranche“, so Lucha. Es handle sich um FFP- und OP-Masken. „Dann können wir allen das geben, was sie benötigen.“

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FOTO: JENS BÜTTNER/DPA Immer mehr Textilunte­rnehmen stellen inzwischen Schutzmask­en her. Zertifizie­rt sind die zwar in der Regel nicht, helfen können sie trotzdem.

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