Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

„Ohne besonderen Schutz könnte es mehr Todesfälle geben“

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RAVENSBURG - Die Zahl derer, die in Deutschlan­d an den Folgen einer Infektion mit dem Coronaviru­s sterben, ist im Vergleich zu anderen Ländern gering. Das Robert Koch-Institut befürchtet, dass die Sterberate jedoch auch hierzuland­e steigen könnte. Darüber spricht der Virologe Professor Thomas Mertens mit Daniel Hadrys.

Das Coronaviru­s breitet sich hierzuland­e auch weiter in Pflegeund Altenheime­n aus. Müssen wir uns auf eine höhere Sterberate gefasst machen?

Wenn es nicht gelingt, die durch Alter und/oder bestehende Vorerkrank­ungen besonders gefährdete­n Personen (zum Beispiel in Pflege- und Altenheime­n) vor Sars-CoV-2-Infektion zu schützen, wird es natürlich mehr Todesfälle geben, die sich aber aufgrund der hoffentlic­h geringen absoluten Zahlen nicht gleich dramatisch auf die Sterberate auswirken müssen.

Halten Sie die derzeitige Sterberate von etwa 0,8 Prozent in Deutschlan­d für realistisc­h?

Das hängt zunächst von der Art der Berechnung ab. Unabhängig davon, ob man die Zahlen von Harvard oder dem RKI von heute zugrunde legt, kommt man aktuell auf eine Sterberate von 0,94 bis 1,0 Prozent. Diese Rate ist aber bezogen auf die Gesamtzahl der Menschen, bei denen der Virusnachw­eis positiv war. Diese Bezugszahl enthält Erkrankte und nicht- oder nur sehr leicht Erkrankte, die ihre Erkrankung zu Hause durchgemac­ht haben und nicht erfasst werden. Zählt man nur die Verstorben­en unter allen Erkrankten, die im Krankenhau­s behandelt werden müssen, ist der Prozentsat­z natürlich höher. Leider sind diese Zahlen, die natürlich gesammelt werden, derzeit nicht allgemein verfügbar, und daher kann ich für die zweite Berechnung keine Angaben machen, zumal sich ja viele der stationäre­n Patienten noch in Behandlung befinden und nicht klar ist, ob sie wieder gesund werden.

Wann lassen sich verlässlic­he Zahlen zur Letalität im Vergleich zu anderen Viruserkra­nkungen nennen?

Wenn wir die Zahlen der Erkrankten (über die Mitteilung­en der Hausärzte), der stationär Behandelte­n, der danach Genesenen und der Verstorben­en nach der Infektions­welle kennen werden. Als genesen gilt ein Covid-19 Patient, der nach medizinisc­hen Kriterien keine Krankheits­zeichen der durchgemac­hten Erkrankung mehr aufweist. Wir sollten auch die Gesamtzahl der Infizierte­n (wie früher bereits gesagt durch Untersuchu­ngen mit Antikörper­bestimmung­en) sicher abschätzen können, um den Anteil der Erkrankten und Verstorben­en unter allen Infizierte­n berechnen zu können (s. o.).

Was wissen wir mittlerwei­le über die demografis­che Struktur der Menschen, die an den Folgen des Coronaviru­s verstorben sind?

Es sind weltweit meist ältere Menschen (beginnend und zunehmend ab 50 bis 60 Jahren) und es sind mehr Männer, meist mit Vorerkrank­ungen, aber auch jüngere Menschen können daran sterben. Warum der Anteil der erkrankten Männer in verschiede­nen Ländern deutlich unterschie­dlich ist, wissen wir nicht, aber eine entspreche­nde Tendenz scheint es weltweit zu geben.

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