Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Bayreuther Festspiele werden abgesagt
BAYREUTH (dpa/sz) - Die Bayreuther Festspiele werden in diesem Jahr wegen der Corona-Krise nicht stattfinden. Die Festspielleitung unter Vorsitz von Katharina Wagner hat „angesichts der bereits jetzt eingetretenen Auswirkungen der CoronaKrise auf den Betrieb“beschlossen, die Festspiele 2020 abzusagen, heißt es auf der Homepage. Die nachfolgenden Festspieljahrgänge müssten dadurch umdisponiert werden, teilten die Festspiele am Dienstagabend mit. Die für diese Saison geplante Neuproduktion „Der Ring des Nibelungen“, die am 27. Juli mit der Premiere von „Das Rheingold“hätte beginnen sollen, könne voraussichtlich erst im Jahr 2022 Premiere feiern. Der Grund: Opernproduktionen benötigen stets einen langen Vorlauf. Nicht nur was die Proben angeht, sondern vor allem die Besetzung. Sängerinnen und Sänger planen ihre Auftritte mehrere Jahre im Voraus.
Nächstes Jahr wird es also keinen „Ring“geben, aber dafür die vorgesehene Neuproduktion „Der fliegende Holländer“. Wieder aufgenommen werden „Tannhäuser und der Sängerkrieg auf der Wartburg“, „Die Meistersinger von Nürnberg“und „Lohengrin“. Außerdem stünden dann drei Konzerte auf dem Spielplan. Die bereits für 2020 gekauften Karten blieben für die Festspiele 2021 gültig, heißt es von Seiten der Festspiele.
„Als begeisterter Anhänger der Bayreuther Festspiele und der ausdrucksstarken Musik Richard Wagners bedauere ich es sehr, dass wir dieses Jahr nicht in den Genuss der Aufführungen auf dem Grünen Hügel kommen“, sagte Bayerns Kunstminister Bernd Sibler (CSU). „Für das kulturelle Leben ist der Ausfall ein herber Verlust.“
Um die geplante Neu-Inszenierung des „Ring des Nibelungen“hat es schon einigen Wirbel gegeben. Die Bekanntgabe der Namen des Regisseurs hatte in der Szene durchaus für Aufsehen gesorgt. Der junge Österreicher Valentin Schwarz hat zwar schon Erfahrungen im Musiktheater gesammelt – aber bislang nur an Opernhäusern wie dem Staatstheater Darmstadt oder der Oper Köln. International war er bis dato nicht tätig. Allerdings hatte er 2017 den renommierten Regiewettbewerb „Ring Award Graz“gewonnen, was als Eintrittskarte ins internationale Geschäft gilt. Am Pult der Neuproduktion sollte der Finne Pietari Inkinen stehen. Er ist Chefdirigent der Deutschen Radiophilharmonie Saarbrücken Kaiserslautern, des Japan Philharmonic Orchestra und der Prager Symphoniker.
ULM - Vom Braun-Rasierer bis zum Kodak-Carousel – Hans Gugelot, der wesentlich zum Ruhm der Ulmer Hochschule für Gestaltung beigetragen hat, hat die Produktwelt der jungen Bundesrepublik entscheidend geprägt. Höchste Zeit, sich am 100. Geburtstag an den Designer zu erinnern.
Acht Mann auf einem Bett – diesen Materialtest übersteht so schnell kein Lattenrost. Die Herren hatten sich zwar gleichmäßig auf der Liegefläche verteilt, und das Gestell war immerhin aus Stahl, doch der Federboden bestand lediglich aus einer Sperrholzplatte. Und um es gleich vorweg zu nehmen: Das „GB 1085“von 1954 wird heute noch verkauft, wenngleich es im Preis deutlich gestiegen ist, wie so vieles, das sich ein kluger Kopf irgendwann ausgedacht hat, um Gutes mit wenig Geld herzustellen. Und Hans Gugelot war ein fabelhafter Gestalter. Das Kodak-Carousel für Dias und eine Pfaff-Nähmaschine gehen auf sein Konto, stapelbare Bierkästen, Braun-Rasierer und der berühmte „Schneewittchensarg“.
Dass Hans Gugelot, der am heutigen 1. April 100 Jahre alt geworden wäre, nicht mehr ganz so präsent ist, wie es dieser Designer, Architekt, Lehrer, Jazzgitarist und überhaupt vielseitig Talentierte verdient hätte, hängt auch mit seinem frühen Tod zusammen. 1965 starb der ruhelose Niederländer aus der Schweiz im Alter von nur 45 Jahren an den Folgen eines Herzinfarkts. Er stand damals ganz oben auf der Erfolgsleiter, hatte auf der documenta ausgestellt und war mit seinen Produkten in unzähligen Haushalten der jungen Republik präsent. Die Hamburger fuhren in seinen U-BahnWaggons, und für BMW hatte Gugelot einen flammensicheren Sportwagen aus Kunststoff entworfen.
Was allerdings nach Designer-Jetset mit durchgestyltem Atelier riecht, hat mit dem bescheidenen „Güschelo“– so wird er ausgesprochen – rein gar nichts zu tun. Sicher, er ist international unterwegs und lehrt am National Institute of Design im indischen Ahmedabad, auch die Hochschulen in Stuttgart und Hamburg machen ihm Avancen. Doch der Familienvater will in Ulm bei seinen Studenten bleiben. Oft genug sind sie seinetwegen an die Hochschule für Gestaltung (HfG) gekommen, diese 1953 gegründete und bedeutendste Lehranstalt nach dem Bauhaus.
Hier kann er im Team arbeiten, so, wie er gemeinsam mit seinem Schweizer Landsmann Max Bill und Paul Hildinger 1954 den Ulmer Hocker aus drei Fichtenholzbrettern und einem Stück Besenstiel entwickelt hat. Ganz in der Bauhaus-Tradition geht es in Ulm um praktische, in großen Mengen herstellbare Möbel und Geräte, die flexibel, leicht und stabil zugleich sind. Und Gugelot ist der perfekte Vermittler, denn Baukastensysteme begeistern ihn seit seiner Zeit als Architekturstudent an der ETH Zürich. Der 1920 in Indonesien geborene Sohn eines Mediziners würde am liebsten mit Fertigteilen bauen, doch seine Ideen finden bei den Architekten keinen Anklang.
Das wird sich bei den Systemmöbeln dann bald ändern, und im 1950 eröffneten eigenen Büro kann ihn auch niemand mehr bremsen. „M 125“schlägt richtig ein: Mit dem Schrankwandprogramm aus vorgefertigten Seitenteilen, Böden, Rückwänden und Türen lassen sich viele Kombinationen bilden. Ikea wird mit diesem Prinzip Milliarden umsetzten. Über Jahre hinweg hat Gugelot Alltagsgegenstände wie Geschirr, Schuhe, Bücher, Schallplatten und Flaschen auf ihren Gebrauchsradius hin untersucht und dazu die Bedienungs- und Sichthöhe der Benutzer miteinbezogen. Auch das erwähnte Bettgestell bestand nicht nur den Belastungstest der HfG-Kollegen, sondern wurde mit einer simplen Schaumstoffmatratze zum bequemen, leicht rangierbaren Schlafmöbel.
Ein weiteres Feld tut sich schließlich im Bereich der Elektronik auf. Erwin und Artur Braun wollen nach dem Tod des Vaters das Unternehmen umkrempeln und mit ansprechenden, innovativen Produkten auf den Markt kommen. An der Ulmer HfG werden die beiden schnell fündig, und Hans Gugelot erweist sich als idealer Partner. Sein ganzheitlicher Ansatz wird das Erscheinungsbild der Firma prägen, und für die Studenten bietet sich die Gelegenheit, nicht ins Blaue hinein, sondern für den tatsächlichen Gebrauch zu entwerfen. Das Salär fließt übrigens in den Unterhalt der Hochschule.
Es entstehen Rundfunkgeräte, Fernseher – und 1956 schließlich in Zusammenarbeit mit dem späteren Braun-Chefdesigner Dieter Rams die Kombination „SK 4“aus Radio und Plattenspieler. Wegen seines eleganten Plexiglasdeckels wird das Erfolgsprodukt als „Schneewittchensarg“bezeichnet. Noch sehr viel häufiger ist dann ab 1961 der Braun-Sixtant in den Badezimmern der Republik anzutreffen, ein schlichter Rasierer, der gut in der Hand liegt und ohne Mucken seinen Dienst tut.
Wäre es nach Gugelot gegangen, dann hätte bald auch ein Haushaltswunder Karriere gemacht: Die Küchenmaschine „K 4“konnte Teige rühren, Kartoffeln schälen, bohren, schleifen und Schuhe putzen. Der Thermomix ist dagegen ein fader Kochtopf, doch es hat nicht sollen sein. Mit der Zeit gingen die Interessen der Beteiligten immer weiter auseinander. Der skrupulöse Entwerfer, der großen Wert auf freundschaftliche Beziehungen zu seinen Auftraggebern gelegt hatte, wollte gute Produkte für viele kreieren, aber keinen Firmenstil und schon gar keine persönliche Handschrift pflegen. „Im Stil sah Gugelot den Beginn der Korruption des Design“, erinnert sich sein HfG-Freund Otl Aicher später. Und weil dieser Hans Gugelot nie darauf aus war, Pirouetten der Eitelkeit zu drehen, überzeugt seine klare Arbeit bis heute.
Eine Ausstellung zum 100. Geburtstag Hans Gugelots im HfGArchiv Ulm konnte noch nicht eröffnen. Der Katalog „Hans Gugelot. Die Architektur des Design“bietet eine lesenswerte Alternative (avedition, 28 Euro, Bestellung: hfg-archiv@ulm.de)