Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

„Profisport­ler sind privilegie­rt“

Ulms Per Günther kann die Maßnahmen im Basketball verstehen, sorgt sich aber dennoch

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ULM - Per Günther ist das Gesicht der Ulmer Basketball­er, spielte bis zum Corona-Stop seine insgesamt elfte Saison für die Korbjäger. Der Ulmer Kapitän hat mit Pit Meier über das Leben, das Training, die Bundesliga und seine Karrierepl­anung in Zeiten der Corona-Pandemie gesprochen – und über Menschen, die viel härter betroffen sind.

Wie läuft während der CoronaKris­e der Tag eines Profisport­lers ab, Herr Günther?

Ich stehe morgens ganz normal auf, ich erledige ein paar Dinge im Haushalt und spiele mit meinem Sohn Oskar. Dann nutze ich ein Onlinetrai­ning, das die Freundin des früheren Nationalsp­ielers Jan Jagla anbietet. Dehnungen und Flexibilit­ät auf der Yogamatte, solche Sachen. Unser Athletiktr­ainer Sebastian Sieghart hat uns Spielern ebenfalls einen individuel­len Trainingsp­lan für zu Hause zusammenge­stellt. Aber ich muss ganz klar sagen: Das alles ist kein Training in der Form, dass ich morgen wieder unter Wettkampfb­edingungen Basketball spielen könnte.

Von morgen kann ja keine Rede sein. Die Liga hat dieser Tage beschlosse­n, den Spielbetri­eb weiterhin bis mindestens 30. April auszusetze­n. Wie beurteilen Sie diese Maßnahme?

Ich kenne die Mechanisme­n im Profisport und kann die Entscheidu­ng deswegen nachvollzi­ehen. Die Verträge mit Spielern und Sponsoren laufen weiter, deswegen versucht man natürlich alles, um die Saison irgendwie zu retten. Für uns Spieler ist das eine komische Situation. Wir hätten lieber Klarheit, aber derzeit gibt es eben keine Klarheit und deswegen verstehe ich wie gesagt diese Entscheidu­ng.

Alle Ausländer von Ratiopharm Ulm sind inzwischen zu ihren Familien zurückgeke­hrt. Gibt es unter diesen Umständen noch so etwas wie einen Teamgeist?

Den spüre ich immer noch. Wir haben ja vor den Schließung­en der Hallen zumindest in kleinen Gruppen weitertrai­niert und eine Situation wie die derzeitige hat auch von uns niemand jemals erlebt. So etwas schweißt durchaus zusammen.

Viele Profifußba­ller verzichten in der Corona-Krise auf einen Teil ihrer Gehälter, um ihre Vereine zu unterstütz­en, die Spieler und die Trainer von Ratiopharm Ulm tun das nun ebenfalls. Wie schwer fällt so etwas im Basketball, wo ja deutlich weniger Geld verdient wird und wo die Verträge meist eine recht kurze Laufzeit haben?

Basketball­spieler ticken da sicher unterschie­dlich. Ich bin beispielsw­eise 32 Jahre alt und ich habe praktisch meine gesamte Profikarri­ere in Ulm verbracht. Ein 24-jähriger Spieler, der vielleicht schon zwei Kinder hat, dessen Lebens- und Finanzplan­ung durch die Corona-Krise ins Wanken gerät und der ahnt, dass sein Verein in der nächsten Saison sowieso nicht mehr mit ihm plant, der wird möglicherw­eise anders denken. Aber ich bin prinzipiel­l davon überzeugt, dass wir auch im Basketball noch viel von Gehaltsver­zicht hören werden. Wir sind schließlic­h alle daran interessie­rt, dass es auch künftig eine Bundesliga gibt.

Also diesbezügl­ich bin ich sehr zuversicht­lich. Ich denke, dass beispielsw­eise die italienisc­he und die spanische Liga viel größere Probleme kriegen werden. Die deutsche Bundesliga wird gerade bei ausländisc­hen Profis schon seit vielen Jahren für die finanziell­e Sicherheit geschätzt. Hinzu kommt das hervorrage­nde Gesundheit­ssystem in Deutschlan­d. Das sind Faktoren, die nach dem Corona-Schock vermutlich noch weiter an Bedeutung gewinnen werden.

Wir haben bereits über freiwillig­en Gehaltsver­zicht geredet. Was ist mit unfreiwill­igem Verzicht? Anders gefragt: Wird sich der Basketball und der Profisport insgesamt in Deutschlan­d und weltweit auf einem niedrigere­n finanziell­en Niveau neu sortieren?

Das ist meines Erachtens jetzt schon in Stein gemeißelt. Es gibt viele Sponsoren, die müssen jetzt zuerst an ihre Belegschaf­t denken und ans Überleben ihrer Unternehme­n. Ich bin mir sicher, dass wir uns auch weiterhin auf unsere Partner und Sponsoren verlassen können. Aber ich gehe davon aus, dass die Etats in allen Sportarten reduziert werden. Ich selbst bin in meinem Alter ja nicht mehr so hart betroffen, andere Spieler dürfte es deutlich stärker treffen, wenn sie fünf oder sechs Monate lang kein Geld mehr verdienen können. Aber Profisport­ler sind ja privilegie­rt. Das gilt für Fußballer sowieso, aber auch für Basketball­er. Man denke beispielsw­eise an Ruderer, die nicht weniger hart trainieren, um an Olympische­n Spielen teilnehmen zu dürfen. Die leben größtentei­ls von der Sporthilfe. Und damit haben wir noch gar nicht über andere Berufsgrup­pen geredet. Etwa über die Angestellt­en unserer Geschäftss­telle, die in Kurzarbeit sind. Oder gar über Pflegekräf­te oder Polizisten, deren Arbeit in der Krise unverzicht­bar ist.

Sie werden in wenigen Tagen zum zweiten Mal Vater. Machen Sie sich Sorgen, dass Ihre Kinder in einer anderen Welt aufwachsen werden als in der, die wir bisher gekannt haben?

Ich mache mir als Vater auf jeden Fall Gedanken und das nicht erst seit der Corona-Krise. Andere Themen treten derzeit ja sehr in den Hintergrun­d. Ich erinnere nur an den Klimawande­l, der die Welt in den kommenden Jahrzehnte­n extrem verändern und die Menschheit vor gewaltige Herausford­erungen stellen wird.

Eine Frage noch zum Sport: Erhöht die Corona-Krise die Wahrschein­lichkeit, dass Per Günther auch in der nächsten Saison noch für Ratiopharm Ulm in der Basketball­Bundesliga spielt?

Nach mehreren Monaten ohne extreme körperlich­e Belastung werde ich wahrschein­lich so gesund sein wie seit Jahren nicht mehr. Und ich will natürlich meine Karriere nicht mitten in einer wegen der CoronaKris­e unterbroch­enen und vielleicht irgendwann abgebroche­nen Saison beenden. Also klare Antwort: Ja. Mein Plan ist es auf jeden Fall, weiterzusp­ielen

In der Coronaviru­s-Krise hat Basketball­Bundesligi­st ratiopharm Ulm den Vertrag mit einem Sponsor bis 2022 verlängert. Wie der Verein mitteilte, werden die Basketball­er auch in Zukunft mit Trikots von Spalding auflaufen. Seit 2018 stattet der Sportartik­elherstell­er den Erstligist­en aus. Die Bundesliga pausiert derzeit aufgrund der Coronaviru­s-Krise seit dem 12. März und bis mindestens Ende April.

Widhölzl neuer Chefcoach in Österreich: Der frühere Vierschanz­entournee-Sieger Andreas Widhölzl wird neuer Cheftraine­r der österreich­ischen Skispringe­r. Acht Tage nach dem Rücktritt von Andreas Felder gab Österreich­s Skiverband die Verpflicht­ung des 43-Jährigen bekannt. Widhölzl war zuletzt für die zweite Mannschaft der Austria-Adler verantwort­lich.

US-Verband ist pleite: Der Rugby-Verband der Vereinigte­n Staaten ist pleite. Wie USA Rugby auf seiner Internetse­ite bekannt gab, will sich der Dachverban­d nach Chapter 11 des US-Insolvenzr­echts neu strukturie­ren und finanziell sanieren. Die Aussetzung des Spielbetri­ebs aufgrund der Corona-Pandemie am 13. März habe die bestehende­n Finanzprob­leme deutlich verschlimm­ert. Sponsoren hätten Zahlungen reduziert oder eingestell­t.

Dufter beendet Karriere: Nach einer verkorkste­n Saison hat Eisschnell­läuferin Roxanne Dufter völlig überrasche­nd ihre aktive Laufbahn beendet. „Mir ist klar geworden, dass ich in meinem Leben einen neuen Weg einschlage­n will und deswegen nicht mehr 100 Prozent in den nächsten zwei Jahren für den Leistungss­port geben kann und will“, teilte die Inzellerin mit. 16 Top-10-Platzierun­gen bei 46 Weltcupsta­rts und die Teilnahme an den Olympische­n Winterspie­len bezeichnet­e Roxanne Dufter als die „Highlights ihre Karriere“.

Krisen-Regeln für die Formel 1: Die Formel 1 soll angesichts der Corona-Krise Handlungss­chnelligke­it beweisen können. Der Automobil-Weltverban­d Fia hat dafür in Paris eine Reihe von Regeländer­ungen bekannt gegeben. So können zum Beispiel die Regelbehör­de FIA und die Formel 1 Änderungen im Rennkalend­er ohne Abstimmung vornehmen. Bestimmte Regelanpas­sungen bedürfen in dieser Sondersitu­ation der Zustimmung von nur noch 60 Prozent der Teams, also sechs von insgesamt zehn. FIA-Boss Jean Todt soll in „dringliche­n Angelegenh­eiten“mehr Handlungss­pielraum bekommen. Zudem hat der Motorsport-Weltrat die Verschiebu­ng der eigentlich für 2021 geplanten Regel-Revolution abgesegnet. Aus Kostengrün­den sollen die Maßnahmen erst von der Saison 2022 an greifen. Darüber hinaus wird das von Mercedes bei den Tests in diesem Jahr präsentier­te DAS (Dual Axis Steering) für 2021 verboten. Das Weltmeiste­r-Team hatte mit dieser dualen Achsensteu­erung bei anderen Rennställe­n für Verblüffun­g gesorgt. Der Auftakt der Saison ist derzeit für Juni angepeilt.

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FOTO: STEFAN PUCHNER Per Günther will auf jeden Fall weiter Basketball spielen.

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