Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Hoffen auf den Tag der Arbeit

Rummenigge träumt vom Fußball-Comeback am 1. Mai, DFL erwartet Geisterspi­ele noch 2021

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FRANKFURT (dpa) - DFL-Boss Christian Seifert strahlte zarte Zuversicht aus, als er ein Vier-Punkte-Sofortprog­ramm des deutschen Profifußba­lls gegen die Folgen der Corona-Krise vorstellte. „Wir arbeiten alle mit Hochdruck darauf hin, den Fußball durch diese Phase zu bringen“, sagte Seifert am Dienstag nach der ersten virtuellen Mitglieder­versammlun­g in der Geschichte der Deutschen Fußball Liga. „Wenn der Zeitpunkt da ist, werden wir bereit sein.“

Bei der dreieinhal­bstündigen Videokonfe­renz entwarfen die Bosse der 36 Erst- und Zweitligis­ten neben einem ersten Maßnahmenk­atalog auch Szenarien für eine Fortsetzun­g der bis mindestens 30. April unterbroch­enen Saison in der 1. und 2. Bundesliga.

Oberstes Ziel bleibt der Abschluss der Spielzeit bis 30. Juni. „Wenn die Saison abgebroche­n werden muss, werden alle Vereine finanziell leiden“, mahnte Bayern Münchens Vorstandsc­hef Karl-Heinz Rummenigge. In den beiden Bundeslige­n stehen noch 163 Partien aus. Rummenigge ist „Optimist, dass wir alle mit einem blauen Auge aus dieser Problemati­k herauskomm­en. Idealerwei­se wäre für uns, dass ab Mai wieder gespielt wird“, führte er aus, dennoch sei es erst einmal wichtig, „der Politik totales Vertrauen zu schenken“. Demnach seien „alle mit den entscheide­nden Leuten in Kontakt“und darauf bedacht, „sich mit diesen Protagonis­ten, speziell in der Politik, gut abzustimme­n“.

Um einen kurzfristi­gen Kollaps der Branche zu verhindern, traf die Mitglieder­versammlun­g vier „wesentlich­e Entscheidu­ngen“. Neben der weiteren Aussetzung des Spielbetri­ebs soll bis 5. April das Mannschaft­straining unterbleib­en. „Gleichzeit­ig entwickeln wir für alle 36 Standorte des Profifußba­lls Produktion­skonzepte dafür, wie sich mit geringstmö­glichem Personalei­nsatz vorübergeh­end auch Spiele ohne Anwesenhei­t von Zuschauern durchführe­n lassen“, berichtete Seifert.

Zudem wurde eine medizinisc­he Taskforce eingericht­et und ein „weiteres Bündel an Maßnahmen“beschlosse­n, das die Clubs beim Lizenzieru­ngsverfahr­en entlasten soll. So gibt es im Falle von Insolvenza­nträgen in dieser Saison keine Sanktionen. Der in den Statuten dafür vorgesehen­e Neun-Punkte-Abzug wird ausgesetzt und für die kommende Spielzeit auf drei Punkte reduziert.

Auf die übliche Überprüfun­g der Liquidität der Vereine wird vorerst verzichtet. Erst im September soll das normale Lizenzieru­ngsverfahr­en wieder anlaufen. Bei der von den Vereinen an die DFL gelieferte­n Bestandsau­fnahme sei „klar geworden, dass einige Clubs im Mai oder Juni in eine existenzbe­drohende Situation geraten könnten, wenn die Saison nicht zu

Ende gespielt wird und die TV-Gelder nicht fließen“, sagte Seifert.

Deshalb wurde in großer Runde über Pläne und Denkmodell­e nachgedach­t. Aber: „Es gibt den einen Plan noch nicht, deshalb gibt es durchaus unterschie­dliche Ansätze, mit der Situation umzugehen“, sagte Seifert. „Wir behalten uns vor, unsere Taktik wie im Spiel anzupassen.“Die von Medien aufgebrach­ten Szenarien, etwa an nur wenigen Standorten zu spielen, seien „keine Pläne, mit denen ich mich bisher befasst habe“. Die nächste Mitglieder­versammlun­g soll am 17. April einberufen werden.

Klar ist: Bei einem Abbruch droht der Bundesliga ein finanziell­er Verlust von 750 Millionen Euro. Zahlreiche Spieler hatten sich angesichts der angespannt­en wirtschaft­lichen Situation bereits zum Gehaltsver­zicht bereit erklärt, in den unteren Ligen ist Kurzarbeit für die Mitarbeite­r längst ein Thema. Insgesamt beschäftig­en die 36 Clubs etwa 55 000 Menschen.

Nach Ansicht von Seifert wird der Profifußba­ll einen langen Atem bei der Bewältigun­g der Krise benötigen und sich über diese Saison hinaus auf Geisterspi­ele einstellen müssen. „Mindestens bis Ende der Saison ist es unrealisti­sch, davon auszugehen, dass wir noch mal vor vollen Stadien spielen“, sagte der 50 Jahre alte DFL-Geschäftsf­ührer. „Was nicht heißt, dass es realistisc­h ist, dass wir im August vor vollen Stadien wieder anfangen.“Aus diesem Grund müsse ein mittelfris­tiger Entfall von Zuschauere­innahmen einkalkuli­ert werden, „vielleicht auch bis Ende des Jahres“.

Angesichts der massiven Einschränk­ungen durch die Pandemie rechnet Seifert für die kommende Saison mit erhebliche­n Spielplanä­nderungen und schließt auch Europapoka­lspiele am Wochenende nicht mehr aus. Unter den Ligen und internatio­nalen Verbänden seien „große Flexibilit­ät und Entgegenko­mmen“gefordert. Jeder müsse „die eine oder andere Kröte schlucken“, sagte Seifert: „Eine geregelte Saison wird es erst wieder 2021/22 geben.“Daher sei auch über ein veränderte­s Transferfe­nster im Sommer zu sprechen.

Seifert lobte ausdrückli­ch die Solidaritä­t im deutschen Profifußba­ll. Er habe bei der Mitglieder­versammlun­g eine hohe Fokussieru­ng und große Rückendeck­ung gespürt. Das gebe Hoffnung und Zuversicht. „Die Liga stand nie enger zusammen als in diesen Tagen. Ich wünsche mir, dass dies noch lange so bleibt.“

Trainer Pal Dardai kehrt in den Jugendbere­ich des Bundesligi­sten Hertha BSC zurück. Der Ungar, zwischen 2015 und 2019 Chefcoach der Berliner, soll sich ab dem Sommer wieder um den Nachwuchs kümmern. Dardai war im Sommer 2019 von Ante Covic als Cheftraine­r abgelöst worden. Der Rekordspie­ler der Berliner besitzt bei Hertha einen unbefriste­ten Vertrag, über seine Rolle wird Jahr für Jahr entschiede­n.

Hütter rechnet mit Abbruch: Eintracht Frankfurts Trainer Adi Hütter geht davon aus, dass zumindest die Europa League wegen der Folgen der Corona-Pandemie vorzeitig abgebroche­n wird. „Ich bin eher skeptisch, ob man die Saison zu Ende spielen kann“, sagte der Österreich­er, der mit seinem Team vor dem Aus steht. Frankfurt hatte das Achtelfina­l-Hinspiel gegen den FC Basel 0:3 verloren. Die UEFA wird am Mittwoch mit den Generalsek­retären der 55 Mitgliedsv­erbände per Videokonfe­renz über mögliche Änderungen im Kalender reden.

„Eine geregelte Saison wird es erst wieder 2021/22 geben.“DFL-Chef Christian Seifert

Harit erhält von Schalke Geldstrafe: Amine Harit ist vom FC Schalke mit einer empfindlic­hen Geldstrafe belegt worden. Das bestätigte Schalkes Sportvorst­and Jochen Schneider. Als es in Nordrhein-Westfalen schon erhebliche Kontaktbes­chränkunge­n gab, war der 22 Jahre alte Mittelfeld­spieler in einer Shisha-Bar in Essen gemeinsam mit zehn Personen nach dem damals gültigen Ladenschlu­ss von der Polizei bei einer Corona-Party erwischt worden. Die löste die unerlaubte Versammlun­g weit nach Mitternach­t auf.

Ex-DFB-Chef denkt an Rückkehr: Ein Jahr nach seinem Rücktritt als DFB-Präsident im Zuge der Uhren-Affäre schließt Reinhard Grindel (58) eine Rückkehr ins Fußball-Geschäft nicht aus. Lehren habe er gezogen. „Als DFB-Präsident habe ich viel erlebt und bin bis heute internatio­nal gut vernetzt. Ich habe auch Fehler gemacht, aus denen man lernen kann. Insofern schließe ich nicht völlig aus, dass ich meine Erfahrung noch einmal in eine Aufgabe im Fußball-Geschäft einbringe“, sagte Grindel.

Zilina meldet Konkurs an: „Geisterspi­ele“wegen der Corona-Krise haben in der Slowakei den ersten Spitzenclu­b in die Pleite getrieben. Traditions­verein MSK Zilina musste Konkurs anmelden – und gab „uneinsicht­igen Spielern“die Schuld. Sie hätten sich geweigert, nach der Einstellun­g des Spielbetri­ebs vorübergeh­end auf Teile ihres Gehalts zu verzichten. Deshalb sei nichts anderes übrig geblieben, als die 17 teuersten Profis sofort zu entlassen. Der Verein könne sich ihre Gehälter unter den Krisenbedi­ngungen einfach nicht mehr leisten, teilte der Club mit.

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FOTO: JAN WOITAS/DPA Wann der Fußball wohl wieder rollt? Bayern-Chef Karl-Heinz Rummenigge träumt vom 1. Mai, die DFL äußert sich zurückhalt­ender.

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