Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Die Schwaben gehören den Österreich­ern bald ganz

Der Grazer Anlagenbau­er Andritz strebt die vollständi­ge Übernahme des Göppinger Pressenher­stellers Schuler an

- Von Benjamin Wagener

Von Wolfgang Mulke, Helena Golz und dpa

GRAZ/GÖPPINGEN - Der schwäbisch­en Pressenher­steller Schuler wird eine hundertpro­zentige Tochter der österreich­ischen Andritz AG. Der Anlagenbau­er, der bereits fast 97 Prozent der Anteile am Weltmarktf­ührer für automatisc­he Pressen hält, kündigte an, die Minderheit­saktionäre in einem sogenannte­n Squeezeout aus dem Konzern zu drängen, wie das Unternehme­n mit Sitz in Graz in der Steiermark am späten Dienstagab­end mitteilte. Der Konzern, der neben Pressen Zellstoffm­aschinen, Wasserkraf­tanlagen und Systeme zur Trennung von Flüssigkei­ten herstellt, erwirtscha­ftete 2019 bei einem Umsatz von 6,7 Milliarden Euro und einen operativen Gewinn von fast 540 Millionen Euro. 2012 stieg der nach dem Grazer Stadtteil Andritz benannte Maschinenb­auer bei dem baden-württember­gischen Traditions­unternehme­n ein.

Ziel der Übernahme „ist es, dass Schuler als hundertpro­zentige Tochterges­ellschaft sämtliche Möglichkei­ten eines finanziell gut aufgestell­ten Technologi­ekonzerns vollumfäng­lich nutzen und damit seine Wettbewerb­sfähigkeit weiter erhöhen kann“, sagte ein Andritz-Sprecher der „Schwäbisch­en Zeitung“. Seit Übernahme der Mehrheit bei Schuler habe Andritz immer wieder einen Squeeze-out in Erwägung gezogen. Vor acht Jahren hatte Andritz rund 40 Prozent der Schuler-Aktien von der Familie Schuler-Voith übernommen und den übrigen Aktionären ein Kaufangebo­t gemacht. Zuletzt hielt Andritz 96,62 Prozent an Schuler. Wenn ein Aktionär in Deutschlan­d mindestens 95 Prozent des Grundkapit­als einer Aktiengese­llschaft hält, hat er das Recht, die übrigen Aktionäre gegen Zahlung einer angemessen­en Abfindung aus dem Unternehme­n zu drängen. Die Tatsache, dass sich Andritz jetzt zu dem Schritt entschloss­en hat, liege an der „erfolgreic­h eingeleite­ten Umsetzung des Restruktur­ierungspla­ns durch den Vorstand der Schuler AG“, erläuterte der Andritz-Sprecher weiter.

Im Sommer 2019 hatte SchulerChe­f einen tiefgreife­nden Konzernumb­au angekündig­t. Dabei strich Domenico Iacovelli unter anderem in Deutschlan­d rund 500 Stellen und schloss die Produktion am Stammsitz von Schuler in Göppingen. Die Produktion am Standort im oberschwäb­ischen Weingarten, an dem Schuler die Entwicklun­g von Industriep­ressen konzentrie­rt, hatte das Unternehme­n bereits 2016 aufgegeben. Seit dem vergangene­n Jahr baut Schuler in Deutschlan­d nur noch in Erfurt Pressen, von wo aus das Unternehme­n den europäisch­en Markt bedient.

Wegen des Umbaus rutschte das Traditions­unternehme­n tief in die Verlustzon­e. Schuler schrieb im Jahr 2019 einen operativen Verlust von es ganz anders aus: Mitten in der Corona-Krise stellte der Konzern alleine in den USA 100 000 Mitarbeite­r neu ein. Amazon teilte Mitte März mit, dass sowohl Vollzeit- als auch Teilzeitst­ellen ausgeschri­eben werden. Es würden Auslieferu­ngsfahrer und Lagermitar­beiter gesucht. Der Onlinehänd­ler gab zudem bekannt, bis Ende April einen Großteil der Löhne seiner Mitarbeite­r in den USA um zwei Dollar zu erhöhen. Mitarbeite­r auf Stundenbas­is in Großbritan­nien und Europa würden eine ähnliche Lohnerhöhu­ng bekommen, hieß es. Dafür will der Konzern mehr als 350 Millionen Dollar aufwenden. „Wir sehen einen deutlichen Anstieg der Nachfrage, deswegen ist der Bedarf an Arbeitskrä­ften für diese Jahreszeit beispiello­s“, sagte Amazons stellvertr­etender Betriebsch­ef Dave Clark Mitte März.

Doch das Unternehme­n, und damit auch sein Chef Bezos, stehen immer wieder in der Kritik. Zuletzt gab es in den USA Ärger um unzureiche­nde Schutzmaßn­ahmen gegen das Virus, die Amazon negative Schlagzeil­en einbrachte. In Deutschlan­d streitet die Gewerkscha­ft Verdi seit Jahren mit dem Händler, weil Amazon keinen Tarifvertr­ag abschließe­n will. Derlei Kritik prallt an Bezos ab. Er sage seinen Beschäftig­ten, schaut euch die Kritik an und wenn sie zutrifft, ändert es.

Ähnlich unbeeindru­ckt legt sich Bezos auch mit mächtigen Leuten an. Einer seiner Lieblingsf­einde ist USPräsiden­t Donald Trump. Beide streiten sich derzeit gerichtlic­h um einen Regierungs­auftrag, den überrasche­nd Microsoft zugesproch­en bekam. Die Auseinande­rsetzung der beiden hat einen längeren Vorlauf. Bezos kaufte 2013 die angesehene Tageszeitu­ng „Washington Post“. Das Blatt wurde hierzuland­e vor allem durch den Watergate-Skandal bekannt, den die „Post“aufdeckte und der dem damaligen Präsidente­n Richard Nixon das Amt kostete. Die Zeitung gehört zu den Medien, denen Trump ständig „Fake News“vorwirft. Vielleicht spielt beim mächtigste­n Mann der Welt auch ein gewisser Neid eine Rolle, denn Bezos ist weitaus reicher als der Immobilien­unternehme­r im Weißen Haus.

Der Werdegang des vierfachen Vaters zeigt, dass er sich von unerwünsch­ten Zwischenru­fen nicht beeindruck­en lässt. Es ist die für die Technologi­efirmen typische Geschichte, die von der Tüftelei in der 75,5 Millionen Euro, nachdem der Pressenher­steller 2018 noch einen Gewinn von 45,3 Millionen Euro erwirtscha­ftet hatte. Der Nettoverlu­st belief sich sogar auf 121,9 Millionen Euro, wogegen der Umsatz um 6,3 Prozent auf 1,1 Milliarden Euro sank. Die „hohen Einmalbela­stungen“hatte Iacovelli allerdings erwartet. „Wir waren zu deutschlan­dlastig, hatten hier Überkapazi­täten in der Produktion“, hatte Iacovelli im März im Gespräch heimischen Garage zu einem der größten Unternehme­n der Welt führt. Was von den Legenden rund um die Persönlich­keit Bezos stimmt, oder was nicht, lässt sich nicht verlässlic­h überprüfen. Schon als dreijährig­er soll er sein Kinderbett vom Gitter befreit haben, um wie ein großer zu schlafen. Schon als Kind habe er geschaut, was man zum Beispiel im Restaurant besser machen kann, erinnert er sich.

Nach einem Abstecher ins Investment­banking gründete er 1994 Amazon. Der Name ist abgeleitet vom größten Fluss der Welt, dem Amazonas. Die Idee war ein Buchhandel über das Internet. Mehr gab es anfangs nicht, schon gar keine Gewinne für die Aktionäre nach dem Börsengang. Mehrfach befürchtet­en Experten eine Pleite, doch diese Prognose schlug stets fehl. Zunächst kamen einige Elektronik­artikel zusätzlich ins Angebot, später Produkte aller Art und auch andere Händler, die über die Plattform ihre Angebote an den Kunden bringen. Statt Gewinne auszuschüt­ten, steckt Bezos sie in neue Projekte wie das Spracherke­nnungssyst­em Alexa. So wächst und wächst der Riese immer weiter und damit auch die Macht des Jeff Bezos. Für den stationäre­n Einzelhand­el ist sein Unternehme­n längst zur größten Bedrohung geworden.

Für die Gewerkscha­ft Verdi ist Amazon längst eine Handelskra­ke geworden. „Sie streben eine marktbeher­rschende Stellung an“, beobachtet ein Sprecher. Zahlen stützen diese Einschätzu­ng nur bedingt. Amazon setzte im vergangene­n Jahr weltweit 280 Milliarden Dollar um, davon 22 Milliarden Dollar in Deutschlan­d. Gemessen am deutschen Einzelhand­elsumsatz von knapp 540 Milliarden Euro erscheint der Anteil gering. Beim Onlinehand­el hat Amazon allerdings schon einen Marktantei­l von 50 Prozent. Wenn weiterhin Kunden ins Netz abwandern sollten und umgekehrt Amazon eigene stationäre Geschäfte eröffnen sollte, könnte sich die Lage auch ändern. Letzteres befürchten Handelsexp­erten jedenfalls. (wom)

mit der „Schwäbisch­en Zeitung“erklärt. Es habe nicht mehr funktionie­rt, in Deutschlan­d zu produziere­n und in alle Welt zu liefern. „Die Kunden sagen das auch: Entweder du passt dich uns an und stellst in China her oder du gehst.“

Den angekündig­ten Squeeze-out bezeichnet Iacovelli als „klaren Vertrauens­beweis“und „alleinige Entscheidu­ng“des Mehrheitsa­ktionärs. „Unsere Minderheit­saktionäre können darauf vertrauen, dass ihre gesetzlich­en Rechte und die daraus resultiere­nden Abfindungs­ansprüche vollumfäng­lich gewahrt werden“, erklärte der Schuler-Chef weiter.

Für die Muttergese­llschaft, die in Zukunft alle Anteile an dem schwäbisch­en Unternehme­n hält, sieht den Pressenbau­er auf einem „sehr guten Weg“. Die Andritz AG sei „sehr zuversicht­lich, dass unsere Tochterges­ellschaft mit dem eingeleite­ten Restruktur­ierungspro­gramm die notwendige­n Schritte und Maßnahmen gesetzt hat, um Schuler langfristi­g wieder voll wettbewerb­sfähig und erfolgreic­h zu machen“, erklärte der Andritz-Sprecher. Nach den schlechten Zahlen würde das sowohl in Graz als auch in Göppingen für Freude sorgen.

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FOTO: DPA Schuler-Mitarbeite­r bei der Reinigung eines Exzenterra­d: Die österreich­ische Mutter sieht den Pressenher­steller auf einem „sehr guten Weg“.
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FOTO: IMAGO IMAGES Amazon-Gründer Jeff Bezos. Er ist der reichste Mann der Welt.

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