Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Reiterhöfe müssen improvisieren
Pferde müssen weiter bewegt werden – So gehen Häfler Betriebe mit der Corona-Krise um
FRIEDRICHSHAFEN - Die verordneten Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus treffen auch Reiter und Pferdehalter. Vorerst tabu sind derzeit beispielsweise Ponyreiten, Spring- und Dressurturniere, Ausritte in Gruppen, Reiterferien und Reitunterricht in Gruppen.
Für die Familie Isenburg aus Ittenhausen bedeutet das ein Kraftakt: 21 Islandpferde, die normalerweise großteils im Reitunterricht laufen, müssen sie familienintern selbst bewegen. „Es war ein Schock, als vor wenigen Wochen der Reitbetrieb eingestellt wurde“, sagt Ute Isenburg, deren Familie seit 1972 den Islandponyhof in Ittenhausen betreibt. „Allerdings ist es die einzig sinnvolle Maßnahme, um dieses Virus einzudämmen“, sagt sie verständnisvoll. „Im Normalfall drehen unsere Pferde regelmäßig auf dem Reitplatz ihre Runden. Das fällt jetzt weg.“
Die Reitschulbetreiberin ist froh, dass ihre robusten Kleinpferde im Offenstall zu Hause sind: „Damit bekommen sie ausreichend Bewegung und müssen nicht zwingend alle jeden Tag geritten werden.“Während die Isländer zur Zeit also eher eine ruhige Kugel schieben, spielen sie allerdings auch kein Geld ein. Dabei fallen die Kosten für Tierarzt, Versicherung, Hufschmied und Futter weiterhin an. „Glücklicherweise machen wir unser Heu selbst und der Vorrat reicht noch bis in den Sommer“, versucht Isenburg der Situation weiterhin positiv zu begegnen.
Auf dem gut drei Kilometer entfernten Reiterhof Weilermühle genießen die zehn Reitschulpferde ebenfalls die üppige Weidenfläche, gemeinsam mit etwa 75 weiteren Pferden. „Die Besitzer unserer Pensionspferde kommen zu unterschiedlichen Zeiten“, berichtet Inhaber Stefan Wintermantel und ist in diesen Zeiten froh, dass der Hof weitläufig ist: „Die Leute können sich so aus dem Weg gehen.“
Wintermantel kann mit seinem digitalen Stallmanagement-System, das er bereits seit Februar 2018 nutzt, sogar Einfluss darauf nehmen, wie viele Pferdebesitzer oder Reiter gleichzeitig auf der Anlage sind. „Bislang haben wir damit die Belegung der Reithalle gesteuert. Doch das Programm lässt sich auch für Absprachen nutzen, wer wann zu seinem Pferd kommt.“Denn laut Tierschutzgesetz dürfen Pferdehalter weiterhin zu ihren Tieren, wenn auch unter strengen Auflagen. Dies dient dazu, dass die Tiere entsprechend versorgt und gesund erhalten werden. Dazu gehören nicht nur Futter, eine saubere Box und tägliche
Kontrolle, sondern auch die notwendige Bewegung.
Auch die Versorgung durch Tierarzt und Schmied zählen hinzu. Das verursacht laufende Kosten – auch bei den zehn Schulpferden der Familie Wintermantel: „Das summiert sich. Deshalb hoffe ich darauf, dass einige Reitschüler trotz ausgefallenem Reitunterricht ihre Pauschale weiterbezahlen.“Seit Februar hat Wintermantel auf ein sogenanntes Abo-System im Reitunterricht umgestellt. „Damit bezahlen die Reitschüler dafür, dass sie zu einer festen Zeit in der Woche eine Stunde reiten dürfen“, erklärt der Pferdewirt.
Ohne feste Reitbeteiligungen, die eines der rund 30 Schulpferde bewegen, wäre der Reitstall Brugger aufgeschmissen. „Alleine würden wir das gar nicht schaffen“, sagt Eva-Marie Brugger. „Die Pferde müssen ja auch im Training gehalten werden“, blickt die Juniorchefin bereits auf die Zeit nach der Coronakrise. Zudem wirtschaftet der Reitstall in Ailingen nach einem anderen Konzept: „Wir haben gar nicht so viel Weidenfläche, auf denen die Pferde in Herden herum toben.“
Deshalb ist Brugger froh, Unterstützung von ihren Kunden zu erhalten. Damit die Reiter untereinander genügend Abstand halten, orientiert sich der Reitstall Brugger an den Empfehlungen der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN). „In der kleinen Reithalle dürfen sich maximal gleichzeitig vier Reiter aufhalten – in der großen sechs. Das klappt recht gut.“
Die fehlenden Einnahmen seien durchaus spürbar, gibt Brugger unumwunden zu: „Die Tiere fressen ja auch, wenn sie nichts verdienen.“Sie hofft, dass die Krise den Betrieb nicht zu lange lahmlegt, allenfalls müsste man darüber nachdenken, die Anzahl der Pferde zu reduzieren. Aus diesem Grund hofft sie darauf, vielleicht bald wenigstens in einem kleinen Rahmen wieder Unterricht anbieten zu dürfen.