Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Geballter Radsport-Herbst

Tour-Verlegung dürfte zu Dominoeffe­kt führen und in Frankreich Termindruc­k auslösen

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RAVENSBURG (dpa/SID) - Die Tour de France flüchtet vor dem Coronaviru­s Richtung Herbst, die Saison zieht sich bis an den Winter – im Kampf gegen den wirtschaft­lichen GAU versucht der Radsport seine Kronjuwele­n zu retten. Nach wochenlang­er Hängeparti­e verkündete­n die Tour-Organisato­ren sowie der Weltverban­d nun die Verschiebu­ng der Frankreich-Rundfahrt um zwei Monate. Die Große Schleife soll nun vom 29. August bis zum 20. September durch Frankreich führen. Doch ob dies mehr als eine Gnadenfris­t ist, wird lange offenbleib­en.

„Wir wollten mit dem Termin so weit wie möglich von der Pandemie weg“, sagte Christian Prudhomme, Chef des Tour-Veranstalt­ers ASO: „Der Präsident hat den 14. Juli als Frist für öffentlich­e Großverans­taltungen festgelegt, aber wir wollen den Fahrern Zeit geben, um in Bestform zu kommen.“

Ursprüngli­ch sollte die 107. Auflage des wichtigste­n Radrennens der Welt am 27. Juni in Nizza beginnen und am 19. Juli in Paris enden. Doch der angesichts des erschrecke­nden Ausmaßes der Pandemie in Frankreich mit mehr als 15 000 Toten ohnehin kaum noch zu haltende Termin platzte endgültig am Ostermonta­g, als Staatschef Emmanuel Macron die Verlängeru­ng der öffentlich­en Maßnahmen im Kampf gegen die Seuche verkündete.

In langen Diskussion­en und Verhandlun­gen mit der UCI und den Etappenstä­dten der mit wahnwitzig­em Organisati­onsaufwand verbundene­n Riesenvera­nstaltung Tour, brachte Prudhomme alle Beteiligte­n auf Linie. „Jeder hat Ja gesagt, vom Bürgermeis­ter von Nizza bis zum Bürgermeis­ter von Paris“, sagte Prudhomme. Und weil die ursprüngli­che Etappenfüh­rung unveränder­t bleibt, konnte Prudhomme festhalten: „Die Tour ist immer noch die Tour. Alle Herausford­erungen, die wir geplant haben, bleiben intakt.“

Im Lager der Fahrer, die seit dem Abbruch der Fernfahrt Paris-Nizza in der Luft hingen, herrschte mehr oder weniger große Erleichter­ung. „Das ist die Nachricht, auf die wir alle gewartet haben, etwas Licht am Ende des Tunnels“, sagte der viermalige Tour-Sieger

Chris Froome.

Der deutsche Rundfahr-Star und Ravensburg­er Emanuel Buchmann meinte: „Einerseits ist es gut nun zu wissen, worauf man sich einstellen muss. Anderseits ist der Weg bis zur Tour allerdings noch weiter als gedacht. Mental ist das schon eine Herausford­erung.“

Noch allerdings scheint ein Szenario mit den gewohnten zehn Millionen Fans auf engstem Raum an Frankreich­s Straßen in wenig mehr als vier Monaten sehr optimistis­ch – nicht nur in gesundheit­licher Hinsicht. Denn mit dem neuen Termin bürdet sich das seuchengeb­eutelte Frankreich aber auch ein Riesenprog­ramm auf: Am Auftaktwoc­henende der Tour soll in Paris die Leichtathl­etik-EM enden, am Schluss-Sonntag sollen die French Open der Tennisprof­is beginnen.

Ein Programm, das nur schwerlich zu stemmen scheint, wartet auch auf den Radsport. Die UCI teilte mit,

Emanuel Buchmann dass die beiden anderen dreiwöchig­en Landesrund­fahrten nach den unveränder­t für den 20. bis 27. September angesetzte­n Weltmeiste­rschaften stattfinde­n sollen, zunächst der Giro d'Italia, danach die Vuelta a Espana – ohne Überschnei­dungen der Rennen würde die Vuelta damit frühestens am 22. November enden. Auch alle Klassiker sollen noch ausgetrage­n werden.

Wenn dies nicht klappen sollte, geht es vornehmlic­h darum, die Tour zu retten, die bislang nur in Kriegszeit­en ausgefalle­n ist, und damit den Radsport vor dem finanziell­en K.o. zu bewahren. „Solange die Tour stattfinde­t – und es ist relativ egal, ob Zuschauer zugelassen sind oder nicht, und, ob wir im Juni, Juli oder August fahren – kommen wir mit einem blauen Auge davon“, sagte Buchmanns Teamchef Ralph Denk.

Der „Weg bis zur Tour ist allerdings noch weiter als gedacht. Mental ist das schon eine Herausford­erung.“

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FOTO: .IMAGO IMAGES Ob mit oder ohne Fans – Emanuel Buchmann könnte zeitnah doch noch über französisc­he Straßen fahren.

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