Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Bedenkenswerter Vorschlag
Jetzt gilt Wolfgang Schäuble nicht unbedingt als der große Nestor der deutschen Bildungspolitik. Schulthemen waren für den früheren Kanzleramtschef und ehemaligen Innen- und Finanzminister nie wirklich eine Herzensangelegenheit. Aber der Bundestagspräsident mag es, mit pointierten Aussagen für Aufregung zu sorgen. Dass sich Entrüstung und Ablehnung jedoch so schnell Bahn brachen, dürfte selbst den erfahrenen Spitzenpolitiker Schäuble überrascht haben.
In einem Zeitungsinterview hatte der CDU-Politiker verkürzte Sommerferien im Zuge der Corona-Krise ins Spiel gebracht. Ein solcher Schritt böte Schülern die Gelegenheit, den durch die Pandemie versäumten Unterrichtsstoff nachzuholen. Zuvor hatten Bildungsexperten davor gewarnt, dass durch den Schulausfall die Leistungsfähigkeit der Schüler ganz unterschiedlich betroffen sei. Die einen kämen mit Digitalunterricht recht gut klar, die anderen eben nicht, weil sie Frontalunterricht zur Motivation bräuchten oder einfach zu Hause keine Ruhe für konzentriertes Lernen fänden. Von Chancengerechtigkeit könne deshalb keine Rede sein.
Wer dieser Argumentation folgt, der kann auch dem Vorschlag Schäubles einiges abgewinnen, stellt doch Corona alle Bereiche des Lebens auf den Kopf. Baden-Württembergs Kultusministerin Susanne Eisenmann will ihrem Parteifreund aber nicht folgen und hängt unfreiwillig mit ihrer Ablehnung die Latte hoch. Sie will Nachteile für Schüler verhindern und kündigte pädagogisch sinnvolle und faire Lösungen an.
Zweifel sind angebracht. Schon der Übergang vom G-9- auf das G-8Abitur benötigte Jahre, um nun halbwegs zu funktionieren. Und jetzt sollen binnen weniger Tage tragfähige Konzepte vorgestellt werden? Seltsam mutet die Position Eisenmanns auch in einer anderen Hinsicht an. Sie argumentiert mit den Interessen der Gastronomie und der Hotels, die dringend diese Ferien als Einnahmequelle bräuchten. Das mag stimmen, nur gehört eine solche Positionierung nicht ins Pflichtenheft einer Schulministerin. Offenbar probt die CDU-Spitzenkandidatin hier bereits etwas Wahlkampf.
h.groth@schwaebische.de