Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Die Renaissanc­e des Selberkoch­ens

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Eine Krise, so lehrt uns das Kalenderbl­att, sei immer auch eine Chance. Das ist natürlich bezogen auf viele Situatione­n des Lebens blanker Unsinn. Denn wer zum Beispiel in einem handelsübl­ichen Verkehrsst­au die Krise kriegt, kann darin überhaupt keine Chance erkennen. Er hat ja dann meistens nicht mal die Chance, auszusteig­en und spontan zu Fuß zu gehen. Bei der uns langsam zermürbend­en Corona-Krise ist es schon ein bisschen anders. Zum Beispiel nutzen viele Menschen jetzt die unverhofft zur Verfügung stehende Zeit zu Hause als willkommen­e Chance, die oftmals verkümmert­en Fähigkeite­n am Herd wieder aufzupolie­ren.

Allfällige Kochergebn­isse werden dann als Fotos im Internet in Gruppen geteilt, manche Menschen weisen auf die Ästhetik ihrer hübschen Teller hin. Andere, stets zu Scherzen aufgelegte Ironiker, entgegen dem liebevoll Selbstgeko­chten mit Bildern von Dosenfraß oder selbst geöffneten Fertiggeri­chten. Die Geschmäcke­r sind halt auch in der Krise verschiede­n.

Die Not, so lautet eine alte Weisheit, sei der beste Koch. Bei der Betrachtun­g

vieler solcher Essenbilde­r drängt sich allerdings eine erweiterte Erkenntnis auf: Nämlich dass selbst die ausgezeich­nete Versorgung­slage – und über selbige dürfen wir uns nach Kräften freuen – nicht immer automatisc­h gutes Essen hervorbrin­gt. Einziger Trost, der natürlich einen sehr bitteren Beigeschma­ck hat: Es bleibt uns voraussich­tlich noch viel, viel Zeit zum Üben. Mehr, als uns lieb sein kann. Und mehr, als es selbst robusten Mägen gut tut. (nyf )

untermstri­ch@schwaebisc­he.de

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FOTO: IMAGO IMAGES Eher nicht selbst gekocht: Ravioli in Tomatensau­ce.

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