Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
„Viren vermehren sich nicht auf Lebensmitteln“
RAVENSBURG - Können Viren auf Lebensmitteln übertragen werden, etwa bei einem Einkauf im Supermarkt? Diese Frage eines Lesers haben wir an den Virologen Professor Thomas Mertens weitergereicht – der dies als konstruierten Fall zwar nicht für wissenschaftlich ausgeschlossen hält, in der Praxis aber für extrem unwahrscheinlich, auch im Vergleich zu anderen Infektionsrisiken. Ulrich Mendelin hat ihn befragt.
Kann das Coronavirus durch Lebensmittel übertragen werden, zum Beispiel beim Einkauf im Supermarkt?
Über ähnliches haben wir bereits am 26. März „Virus auf Türklinken“und am 16. April „Jogger und Radfahrer“gesprochen. Es ist eigentlich immer die Frage nach möglichen, seltenen Infektionswegen. Es gibt keine epidemiologischen Hinweise oder gar Beweise dafür, dass eine Infektion über Lebensmittel (verpackt oder unverpackt) stattfindet. Die Vermutungen hierzu werden gespeist aus experimentellen Daten über SarsCoV-2 auf kontaminierten Gegenständen. Noch einmal: Viren vermehren sich nicht auf Lebensmitteln oder anderen Gegenständen. Sobald virushaltiges Material aufgebracht wurde, beginnt die Abnahme der Infektiosität. Die Zeit arbeitet hier immer für uns. Wichtig für Infektiosität ist, wie früher gesagt, die ursprünglich aufgebrachte Virusmenge, die Zeit, die Temperatur und die Feuchtigkeit. Man müsste also für die Annahme einer Infektion auf diesem Wege ein letztlich sehr unwahrscheinliches Szenario konstruieren: es wird relativ viel Virus auf ein Lebensmittel aufgebracht, nicht über die Hände, sondern zum Beispiel durch massive Tröpfcheninfektion und kurz danach überträgt ein anderer Mensch das Virus mit seinen Händen bei sich auf Mund, Nase oder Augen. Man kann dies „wissenschaftlich“nicht ganz ausschließen, aber ich halte es für ein sehr wenig wahrscheinliches Infektionsrisiko.
Sind verpackte Lebensmittel, etwa bei Obst und Gemüse, grundsätzlich sicherer als unverpackte? Oder ist bereits die Verpackung an sich ein möglicher Überträger von Viren?
Da würde ich angesichts des oben Gesagten keinen Unterschied konstruieren wollen.
Haben Sie einen Rat für unsichere Verbraucher, die beim Einkauf auf Nummer sicher gehen wollen?
Das wichtigste für einen sinnvollen Umgang mit Risiken scheint mir immer zu sein, dass wir unsere Risiken in eine vernünftige Reihenfolge ordnen. Wir müssen häufige Risiken, also hier direkte Übertragung von Mensch zu Mensch über Tröpfchen oder auch seltener Aerosole unbedingt vermeiden. Dies gilt auch und gerade beim Einkaufen. Hinsichtlich des vermuteten Risikos einer Infektion über Lebensmittel und andere „Gegenstände“ist das generelle Tragen von Masken in Geschäften sinnvoll (Tröpfcheninfektion, siehe oben). Man sollte sich vor dem Händewaschen nicht ins Gesicht fassen, woran man übrigens durch eine Maske erinnert wird. Zu Hause sollte man Verpackungen in den entsprechenden normalen Müll entsorgen. Händewaschen ist immer gut.