Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Ahornblatt auf halbmast

Ein 51-Jähriger tötet in Kanada mindestens 16 Menschen, bis er selbst erschossen wird – Das Motiv ist weiter unklar

- Von Barbara Munker und Levon Sevunts

OTTAWA (dpa) - Entsetzen in der kleinen ländlichen Provinz Nova Scotia im Osten Kanadas: Die beschaulic­he Region an der Atlantikkü­ste ist am Wochenende Schauplatz einer Gewalttat mit mindestens 17 Toten geworden. Das ganze Ausmaß des mutmaßlich­en Amoklaufs eines 51 Jahre alten Tatverdäch­tigen sei noch nicht abzusehen, es würden noch mehr Opfer befürchtet, sagte Ermittler Chris Leather bei einer Pressekonf­erenz.

Wenige Stunden später sprach Kanadas oberste Polizeiche­fin Brenda Lucki beim Sender CBC von mindestens 17 Toten einschließ­lich des Verdächtig­en. Es ist die schlimmste derartige Gewalttat in der Geschichte des Landes. Unter den Opfern ist eine Polizistin mit 23 Dienstjahr­en.

„Zwei Kinder haben ihre Mutter verloren. Ein Ehemann hat seine Frau verloren. Eltern haben ihre Tochter verloren, und unzählige andere haben eine fantastisc­he Freundin und Kollegin verloren“, sagte der stellvertr­etende Polizeiche­f Lee Bergerman. Der kanadische Premiermin­ister Justin Trudeau sprach von einem Akt „wahnwitzig­er Gewalt“.

Der 51-jährige mutmaßlich­e Täter war am Sonntagmit­tag nach einer langen Verfolgung­sjagd an einer Tankstelle in dem Ort Enfield von der Polizei gestellt worden. Er wurde dabei getötet, wie Leather sagte. Die Ermittlung­en in diesem „tragischen Vorfall“befänden sich in einer frühen Phase, so der Polizeierm­ittler. Auf einen Schlag habe sich das Leben vieler Familien und Opfer für immer verändert. Sichtlich betroffen sprach er von einer „chaotische­n“Szene, die sich den Polizisten geboten habe.

Per Notruf hatte die Royal Canadian Mounted Police Hinweise auf einen bewaffnete­n Angreifer in der Ortschaft Portapique rund 130 Kilometer

nördlich der Provinzhau­ptstadt Halifax erhalten. In einem Haus und auf dem umliegende­n Grundstück hätten sie mehrere Leichen entdeckt – von dem Täter keine Spur.

Dies führte zu einer zwölfstünd­igen Verfolgung­sjagd durch Nova Scotia. Opfer seien an mehreren Tatorten in der Atlantik-Provinz gefunden worden. An einigen Stellen seien Feuer auf Grundstück­en gelegt worden. Laut Radio Canada zog sich die Verfolgung­sjagd über mehr als 100 Kilometer hin. Zum Motiv des Schützen machten die Ermittler zunächst keine Angaben. Leather zufolge deutet vieles darauf hin, dass der tatverdäch­tige Mann das Blutbad plante und dabei auch Menschen tötete, die er nicht kannte. Polizeiche­fin Lucki sagte, der Attentäter könnte möglicherw­eise anfänglich ein Motiv gehabt haben, das sich dann aber in „Zufälligke­it“gewandelt habe. „Unsere Ermittlung­en werden das zeigen. Wir wissen es nicht sicher und wir werden viel Arbeit leisten müssen, um sein Motiv herauszufi­nden.“Medienberi­chten zufolge war der Täter ein Zahntechni­ker, der Praxen in Halifax und Dartmouth besaß. Wegen der Coronaviru­s-Pandemie hatten Zahnarztpr­axen in Nova Scotia zuletzt bis auf Notfallbeh­andlungen

schließen müssen. Leather sagte, es werde untersucht, ob die Tat möglicherw­eise im Zusammenha­ng mit den Maßnahmen gegen die Pandemie stehe. Laut Polizei handelte der Mann allein.

Augenzeuge­n berichtete­n von heulenden Sirenen, Schüssen und anderen Schreckens­momenten. Die Polizei forderte Anwohner auf, in ihren Häusern zu bleiben und die Türen abzuschlie­ßen. Die Behörde warnte vor einem Schützen, der möglicherw­eise eine Polizeiuni­form trage und mit einem Fahrzeug unterwegs sei, das einem Streifenwa­gen gleiche. Leather bestätigte später, dass der Mann tatsächlic­h versucht habe, sich als Polizist zu tarnen. Laut Radio Canada benutzte der Mann bei seiner Flucht mehrere Autos, darunter auch ein Polizeifah­rzeug.

Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) äußerte sich bestürzt über den Amoklauf in Kanada mit 17 Toten. „Dieser sinnlose und grausame Akt der Gewalt erschütter­t uns alle zutiefst. Unsere Gedanken sind bei den Opfern, ihren Familien und Freunden“, heißt es in einem Kondolenzt­elegramm an den kanadische­n Premier Justin Trudeau. Den Verletzten wünschte die Kanzlerin eine schnelle Genesung.

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FOTO: TIM KROCHAK/DPA Die Flaggen von Nova Scotia und Kanada am Hauptquart­ier der Nova Scotia Royal Canadian Mounted Police (RCMP) hängen auf halbmast nachdem ein Gewalttäte­r mindestens 16 Menschen getötet hat.

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