Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Bodenseefestival fällt aus
Verschiebung ist nicht möglich - Geschäftsführung sucht nach Nachholterminen für einige Konzerte
Es wird ein trauriger Sommer für alle, die klassische Musik und Kultur lieben und produzieren: Auch das Bodenseefestival findet 2020 nicht statt. Zwar ist bislang offiziell nur das Eröffnungskonzert am 3. Mai abgesagt. Aber eine Absage aller Veranstaltungen wird im Laufe der Woche folgen, sagt Katharina Galehr. Sie ist die Geschäftsführerin der Bodenseefestival GmbH und erklärt dies mit der komplexen Organisationsstruktur des Festivals.
Das Bodenseefestival wird von 15 Gesellschaftern und 30 Mitveranstaltern in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Liechtenstein getragen. Jede Stadt, jede Gemeinde, die sich daran beteiligt, von St. Gallen über Feldkirch, Friedrichshafen, Ravensburg bis Achberg und Tettnang tritt als Veranstalter auf. Die Bodenseefestival GmbH ist die Dachorganisation. In ihrer Hand allerdings liegt die Abstimmung des Programms.
Seit nunmehr 32 Jahren ist der Terminkalender von Kulturschaffenden und Kulturinteressierten in der
Bodenseeregion zwischen Anfang Mai und Pfingsten prall gefüllt. Große Musikerlebnisse bescherten stets die Auftritte des SWR-Sinfonieorchesters Baden-Baden und Freiburg. Künstlerinnen und Künstler von Weltrang machten im Frühsommer Station rund um den See. Seit 2005 gibt es die Einrichtung der „Artists in Residence“, die mit ihren Darbietungen das Programm gestalten. Der niederländische Originalklangspezialist Ton Koopman war der erste, es folgten unter anderen Heinrich Schiff und Rudolf Buchbinder, Sharon Kam und Tabea Zimmermann, Fazil Say und Cameron Carpenter.
Heuer wären der österreichische Perkussionist Martin Grubinger und das junge Vision String Quartet als Artists in Residence aufgetreten. Das Motto des diesjährigen Festivals war „Über Grenzen“. Einerseits inspiriert von dem Gedanken, dass es in der Vierländerregion lange keine starren Grenzen gab und andererseits von der Vielseitigkeit der Künstlerpersönlichkeiten, die die Grenzen zwischen E- und U-Musik überschreiten.
Doch daraus wird nun nichts. Die, die mit Kultur ihr Geld verdienen, haben keine Einnahmen. Und das betrifft nicht nur die Kreativen auf der Bühne, sondern alle Beteiligten – vom Beleuchter bis zum Kulturjournalisten. Deswegen arbeiten Katharina Galehr und ihr Team daran, möglichst viele Termine noch zu „retten“, in dem man die Veranstaltungen verschiebt. „Aber da wir im Konzert- und Theatergeschäft sehr langfristig planen, ist das sehr aufwendig und oftmals nicht möglich.“
Und wenn man das gesamte Festival einfach ein Jahr später stattfinden lässt? „Das geht auch nicht. Das Programm für 2021 steht schon. Wir arbeiten immer mit zwei Jahren Vorlauf“, sagt Galehr. Das Thema 2021 lautet „glauben und wissen“. Als Artists in residence sind der israelische Mandolinist Avi Avital und das britische Vokaloktett Voces8 engagiert worden.
Viele Künstlerinnen und Künstler hätten schon signalisiert, dass sie nach Ersatzterminen suchen würden. „Wir werden die Termine über mehrere Jahre hinweg nachholen“, erklärt die Geschäftsführerin.
Aus der Kulturszene kommen – anders als zu Beginn der Krise – doch immer öfter auch kritische Töne: Wie kann man Baumärkte öffnen, Museen aber geschlossen lassen? Gäbe es nicht Formate, die einen Ausstellungsbesuch, ein Konzert, eine Lesung, eine Performance möglich erscheinen lassen? Katharina Galehr sagt, dass Kultur für sie zur Grundversorgung gehöre. Die ganze Szene denke über neue Möglichkeiten nach, doch noch irgendwie die Kunst zum Publikum zu bringen. Aber Galehr sagt auch: „Zuerst muss unsere Angst verschwinden. Und Streaming ist für mich auch keine wirkliche Alternative.“Wenn, dann müsse das auch professionell gemacht sein. „Aber das wird nie das Live-Erlebnis ersetzen, mit anderen Menschen zusammen an einem Ort dasselbe zu erleben.“
Die Tickets werden zurückerstattet, heißt es auf der Homepage des Bodenseefestivals – und zwar dort, wo sie erworben wurden. Online bei reservix oder an den jeweiligen Vorverkaufsstellen. Die Kasse im Zeppelinhaus in Friedrichshafen ist momentan nicht besetzt, deswegen wird darum gebeten, die Tickets mit der Post zurückzuschicken. Informationen: www.bodenseefestival.de