Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Störche nehmen neue Plattform nicht an
Großvögel bevorzugen Standort zwischen Stromleitungen in der Zollenreuter Straße
AULENDORF - Aulendorfs Storchenpaar hatte in den vergangenen Wochen die Qual der Wahl: Für den Nestbau standen mehrere Möglichkeiten in unterschiedlichen Standards zur Verfügung. Ausgesucht hat sich das Storchenpaar aus Menschensicht nun die denkbar ungünstigste Variante. Die extra erneuerte Nistmöglichkeit in der Hauptstraße verschmähte Familie Adebar indes.
An dem Standort des letztjährigen Nests, gegenüber dem Hotel Engel, wo sich auch die Web-Kamera zur Storchenbeobachtung befindet, ist eine neue Luxus-Plattform in Metallausführung entstanden. Diese Plattform war Ende Januar im Auftrag der BUND Ortsgruppe Aulendorf durch Mitarbeiter der Netze BW umgestaltet worden. Die Stromleitungen wurden so geändert, dass der Strom bei der Pflege des Nestes künftig nicht mehr extra abgeschaltet werden muss, um Gefahr für Mensch und Tier auszuschließen.
Dann gibt es in Aulendorf noch das längst zurückgebaute Altertumsnest auf dem Schlossgiebel. Dort machen die Störche nur Stippvisiten – arbeiten aber nicht am Nest.
Und zu guter Letzt gibt es die “Billigvariante“, ein ganz banaler Strommast
in der Zollenreuter Straße. Der darauf befindliche Storchenhorst war im letzten Jahr total abgebaut worden. Aber ausgerechnet dort, inmitten von vier Stromleitungen, haben die Störche nun wieder ein Nest gebaut, und wie beobachtende Passanten mutmaßen, sind sie bereits am Brüten.
Ob es sich dabei um Gertrud und Fridolin, das Storchenpärchen vom Vorjahr handelt, konnte noch nicht zweifelsfrei festgestellt werden. Für Storchenfreunde bedeutet dieser Nistplatz indes auf jeden Fall, dass sie das Nistgeschehen nicht mehr vom heimischen PC aus verfolgen können.
„Störche lassen sich nicht beeinflussen, die haben ihren eigenen Willen“, erklärt Bruno Sing, Vorsitzender der BUND-Ortsgruppe Aulendorf. Auf die Frage, ob die Störche die neue Plattform bei der Kamera nicht annehmen, weil dort eine weitere Nisthilfe in Form einer Außenbegrenzung fehlt, antwortete Sing, dass die Netze BW mit dieser Art Plattform ohne Außenring anderweitig mehrfach positive Erfahrungen gemacht habe. Die Anbringung von Außenringen sei umstritten, hätten Gespräche mit Ute Reinhard, der Storchenbeauftragten des Regierungspräsidiums Tübingen, im Vorfeld ergeben.
Menschen, erklärt Sing, könnten den Tieren in Sachen Nisthilfe nur ein Angebot machen. „Wir vom BUND bieten Grundlagen an, greifen aber nicht direkt in die Natur ein, denn die Natur regelt sich selbst“, so der überzeugte Naturschützer. Wenn ein Vogel aus dem Nest falle und verletzt sei, würde man natürlich eingreifen, ansonsten aber finde keine Zufütterung oder Ähnliches statt.
Zur weiteren Vorgehensweise des BUND in Sachen Storchennest erklärte Sing: „Wir warten dieses Jahr ab, ob es in der Zollenreuter Straße einen Bruterfolg gibt und wie es den Jungtieren geht.“Das sei in Anbetracht des Wetters ein kompliziertes Terrain, denn wenn die Jungtiere zu groß seien, könnten sie bei einer kommenden extremen Schlechtwetterlage keinen Schutz mehr unter dem Federkleid der Eltern finden und würden verenden, so wie es im Vorjahr der Fall war. Es sei zu hoffen, dass die Jungstörche durchkommen, aber ob sie in Zeiten von Corona dann auch wieder beringt werden könnten, bleibe dahingestellt.