Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Trump setzt Einwanderu­ng aus – und überrascht damit alle

Per Twitter kündigt der US-Präsident einen Schritt an, der in der Geschichte des Landes beispiello­s ist

- Von Frank Herrmann

Die Ankündigun­g kam, wie so oft bei Donald Trump, über Twitter. Im Lichte des Angriffs eines unsichtbar­en Feindes – gemeint war das Coronaviru­s – und der Notwendigk­eit, die Jobs „unserer großartige­n amerikanis­chen Bürger“zu schützen, werde er die Einwanderu­ng in die USA per Exekutivor­der aussetzen, schrieb der Präsident. Es ist eine Entscheidu­ng, für die es keinen Präzedenzf­all gibt. Noch nie in ihrer Geschichte, auch nicht in restriktiv­eren Phasen, haben die Vereinigte­n Staaten beschlosse­n, zeitweise keine Migranten mehr ins Land zu lassen. Selbst 1918, als die Spanische Grippe grassierte, in gewisser Weise vergleichb­ar mit der Corona-Pandemie, durften noch 110 000 Neuankömml­inge amerikanis­chen Boden betreten.

Details nannte Trump am späten Montagaben­d, als er den Tweet in die Welt setzte, noch nicht. Der Vorstoß kam insofern überrasche­nd, weil er noch Stunden zuvor, auf einer seiner täglichen Pressekonf­erenzen, kein Wort darüber verloren hatte. Im Heimatschu­tzminister­ium, dessen Juristen die Paragrafen des Dekrets auszuformu­lieren haben, soll man auf dem falschen Fuß erwischt worden sein, berichtet die „Washington Post“. Als das Online-Magazin Politico, spezialisi­ert auf Insider-Informatio­nen aus Regierung und Parlament, dort nach den Gründen für einen derart drastische­n Schritt fragte, bekam er zur Antwort: „22 Millionen arbeitslos­e Amerikaner, und bald womöglich noch mehr“.

Im Kern, ist bei Politico zu lesen, sollen Ausländer bis auf Weiteres keine Visa mehr beantragen dürfen, die es ihnen ermögliche­n, in den USA zu arbeiten und zu leben. Womöglich werde es Ausnahmen geben, etwa für Saisonarbe­iter, die in der Landwirtsc­haft dringend gebraucht werden und die etwa ein Zehntel aller auf amerikanis­chen Farmen Beschäftig­ten ausmachen. Auch für Ärzte und Krankenpfl­eger werde vielleicht eine Sonderrege­lung gefunden, insbesonde­re dann, wenn sie Corona-Kranke betreuen sollen. Allerdings scheint sich auch bei den Ausnahmen ein restriktiv­erer Kurs abzuzeichn­en. Noch im März hatte das Homeland-Security-Ressort 35 000 zusätzlich­e H-2BVisa, gedacht für außerhalb des Agrarsekto­rs tätige, vorübergeh­end in die USA geholte Arbeitnehm­er, in Aussicht gestellt. Zusätzlich zu den 66 000, die pro Jahr maximal ausgestell­t werden können. Nachdem die Arbeitslos­igkeit astronomis­che Ausmaße

angenommen hat, ist davon keine Rede mehr.

Die Opposition sieht indes einen Präsidente­n am Werk, der seinen alten Abschottun­gsinstinkt­en folgt, der eine Pandemie nutzt, um seine nationalis­tische Agenda durchzuset­zen. Einen Präsidente­n, der in einem Wahljahr fremdenfei­ndliche Emotionen zu schüren versucht und eigene Versäumnis­se nachträgli­ch durch scheinbar entschloss­enes Handeln vergessen machen möchte. Jerry

Nadler, der Demokrat aus New York, der den Justizauss­chuss des Abgeordnet­enhauses leitet, spricht von einem leicht zu durchschau­enden Täuschungs­manöver. Trump versuche von seiner unbeholfen­en Antwort auf Covid-19 abzulenken, indem er Migranten den Schwarzen Peter zuschiebe. Tatsächlic­h, so Nadler, stünden etliche dieser Migranten in vorderster Linie des Kampfes gegen die Epidemie, seien es Ärzte, Krankenpfl­eger oder Landarbeit­er. Numbers USA, ein konservati­ves Netzwerk, das seit einem Vierteljah­rhundert für eine harte Linie bei der Einwanderu­ngspolitik plädiert, spendet dem Präsidente­n dagegen Applaus. Wenn Millionen von Amerikaner­n nicht arbeiten könnten, obwohl sie es wollten, sei es in den allermeist­en Fällen nicht sinnvoll, Zuzüglern die Tore zu öffnen. Würde man es dennoch tun, wäre es eine „kaltschnäu­zige Missachtun­g“derer, die wirtschaft­lich so schwer unter der Krise zu leiden hätten.

Bereits Ende Januar hatte Trump einen Einreisest­opp aus China verfügt. Es war ein Schritt, von dem er heute sagt, er habe vielen Menschen das Leben gerettet, während ihm Kritiker vorhalten, den gesamten Februar über durch die Verharmlos­ung der Gefahr wertvolle Zeit verspielt zu haben. Mitte März folgte ein „Travel Ban“für Staatsange­hörige aus dem europäisch­en Schengen-Raum. An der mexikanisc­hen Grenze wiederum werden illegal Einwandern­de, Asylbewerb­er eingeschlo­ssen, mittlerwei­le umgehend zurückgesc­hickt, falls sie von den Patrouille­n der Border Patrol aufgegriff­en werden.

 ?? FOTO: MANDEL NGAN/AFP ?? Überrascht wieder einmal alle mit einer Twitternac­hricht: Donald Trump.
FOTO: MANDEL NGAN/AFP Überrascht wieder einmal alle mit einer Twitternac­hricht: Donald Trump.

Newspapers in German

Newspapers from Germany