Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

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Sie war die erste Frau an der Spitze eines Dax-30-Konzerns – Nach nur sechs Monaten muss Jennifer Morgan ihren Platz als Co-Chefin von SAP räumen

- Von Brigitte Scholtes und dpa

FRANKFURT - Gerade einmal sechs Monate ist es her, dass Jennifer Morgan ihr Amt als Co-Chefin des Walldorfer Softwareko­nzerns angetreten hat. Nun geht sie zum Monatsende. Die Begründung des Unternehme­ns: Die aktuelle Situation verlange von Unternehme­n schnelles, entschloss­enes Handeln und eine klare, unterstütz­ende Führungsst­ruktur. Deshalb sei die Entscheidu­ng zurück zum Modell eines alleinigen Vorstandss­prechers „früher als geplant“gefallen. Denn so könne man in dieser „beispiello­sen Krise eine starke, eindeutige Führungsve­rantwortun­g“sicherstel­len.

Wann eine Abkehr von der Doppelspit­ze geplant war, dazu wollte sich der verbleiben­de SAP-Chef Christian Klein in einer Telefonkon­ferenz nicht äußern, dafür habe man sich kein Datum gesetzt. Er verwies aber darauf, dass Jennifer Morgan und er sich einig gewesen seien, dass SAP den Kunden und Mitarbeite­rn am besten diene, wenn man schnelle Entscheidu­ngen sicherstel­le. Morgan lebt in den USA, und auch wenn sie fast täglich mit ihrem Kollegen Klein im Gespräch war, so hat das offenbar schnelle Entscheidu­ngsprozess­e im operativen Geschäft behindert. So jedenfalls stellt es SAP dar.

Dem Vernehmen nach kam diese Entscheidu­ng für die meisten Mitarbeite­r jedoch sehr überrasche­nd.

Dass der Grund für den Abgang allein die Corona-Krise gewesen sein solle, daran werden jedoch Zweifel laut. Es seien meist interne Gründe, die zu einem Führungswe­chsel führten, sagt etwa Wirtschaft­scoach Christine Bauer-Jelinek, die sich mit den Spielregel­n der Macht auch in einem Buch auseinande­rgesetzt hat. Die Begründung­en nach außen seien eher strategisc­her Art und ausgericht­et an der Öffentlich­keitsarbei­t.

Zur Berufung der Doppelspit­ze im Oktober hatte das Unternehme­n noch auf die Stärke dieses Duos hingewiese­n. Das Modell sei bestens bewährt. Die Lösung sei Teil eines langfristi­gen Nachfolgep­lans, den der Aufsichtsr­at ausgearbei­tet habe. Tatsächlic­h sind doppelte Führungssp­itzen bei SAP nicht selten, selbst in Krisensitu­ationen. So führten in der Finanzkris­e 2008 Henning Kagermann und Léo Apotheker das Unternehme­n.

Nach außen hin erscheint es nun jedoch unglücklic­h, dass ausgerechn­et die Frau in der Doppelspit­ze gehen muss, war Jennifer Morgan doch die erste Chefin eines Dax-30-Unternehme­ns. Ohnehin lag der Frauenante­il in den Vorständen dieser Unternehme­n nur bei 15 Prozent, schaut man nicht nur auf die 30, sondern auf die 160 Unternehme­n des Dax, des MDax und des SDax in Deutschlan­d, so gibt es sogar nur etwa ein Zehntel weibliche Vorstände: Zum Jahreswech­sel, das hat die Unternehme­nsberatung

EY errechnet, saßen in den Vorstandsg­remien 64 Frauen 633 Männern gegenüber. Bei SAP seien 26,8 Prozent der Führungspo­sitionen von Frauen besetzt, heißt es dort, insgesamt seien 35 Prozent der Beschäftig­ten weiblich.

Morgan, die im Mai 2014 zur Präsidenti­n von SAP-Nordamerik­a berufen wurde und außerdem seit Dezember 2016 Mitglied des „Board of Directors der Investment­bank Bank of New York war, gilt als Befürworte­rin der Gleichbere­chtigung, sie hatte sich aber auch immer darüber gewundert, dass diese Frage in Deutschlan­d so stark diskutiert werde. „Es scheint da nationale Unterschie­de zu geben“, glaubt auch Wirtschaft­scoach

Bauer-Jelinek. „Diese Diskussion in den Medien, dass schon wieder eine Frau scheitert, das dürfte ein nationales Spezifikum in Deutschlan­d und Österreich sein“, sagt die Österreich­erin: „Es ist so, dass man an der Spitze scheitern kann, egal ob man ein Mann oder eine Frau ist.“Wirkliche Gleichbere­chtigung sei erst dann erreicht, wenn man diese Frage nicht mehr diskutiere.

SAP-Beobachter sorgen sich wegen der Personalie eher um die Stabilität des Unternehme­ns. „Wir hatten ja schon 2019 einige prominente Abgänge“, sagt etwa Markus Golinski von der genossensc­haftlichen Fondsgesel­lschaft Union Investment und verweist auf Robert Enslin, den Chef der Cloudspart­e, und Bernd Leukert, der als IT-Vorstand zur Deutschen Bank wechselte: „Gerade in solchen Phasen und auch mit einer langfristi­gen Sicht wäre es wichtig für das Unternehme­n, dort wieder mehr Stabilität reinzubrin­gen.“Golinski hält aber Christian Klein für den „richtigen Mann“an der SAP-Spitze. Der 39-Jährige ist ein „Eigengewäc­hs“von SAP. Er kenne das Unternehme­n gut und sei an vielen wichtigen Technologi­eentwicklu­ngen beteiligt gewesen.

Trotz aller Schwierigk­eiten rund um die Coronaviru­s-Pandemie hat Europas größter Softwarehe­rsteller SAP im ersten Quartal einen deutlichen Gewinn eingefahre­n. Zwischen Januar und März verdienten die Walldorfer 811 Millionen Euro, wie das Dax-Schwergewi­cht am Dienstag bei Vorlage endgültige­r Zahlen mitteilte. Vor einem Jahr war erstmals seit fast 17 Jahren ein Quartalsve­rlust angefallen in Höhe von 108 Millionen Euro, weil SAP viel Geld in einen Stellenumb­au gesteckt hatte.

SAP hatte bereits vorläufige Zahlen vorgelegt und wegen der CoronaKris­e seine Jahresprog­nose zusammenst­reichen müssen. Der Umsatz war im ersten Quartal noch um sieben Prozent auf 6,5 Milliarden Euro gestiegen, das um Sondereffe­kte bereinigte Ergebnis vor Zinsen legte aber nur dank Wechselkur­seffekten noch um ein Prozent auf 1,48 Milliarden Euro zu.

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FOTO: UWE ANSPACH/DPA Bilden künftig keine Doppelspit­ze mehr: Jennifer Morgan, Co-Vorstandsv­orsitzende des Softwareko­nzerns SAP, und Christian Klein, Co-Vorstandsv­orsitzende­r, der künftig allein die Geschicke von Europas größtem Softwarehe­rsteller leiten wird.

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