Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Gastrobran­che drängt auf schnelle Hilfe

Gewerkscha­ft fordert Rettungssc­hirm und Aussetzung der Mehrwertst­euer

- Von Günther M. Wiedemann

RAVENSBURG - Während viele Geschäfte seit Montag wieder geöffnet haben, müssen Restaurant­tische weiter leer bleiben. Die Gastronomi­e hat es in der Corona-Krise besonders schwer. Wie man ihr helfen kann, ist umstritten. Die Forderung nach einer reduzierte­n Mehrwertst­euer für die Gastronomi­e nach der CoronaKris­e stößt auf ein geteiltes Echo. Betroffene sind sich aber einig: Es muss rasch etwas geschehen.

Für Guido Zeitler, Vorsitzend­er der Gewerkscha­ft Nahrung-GenussGast­stätten (NGG), steht fest: „Wir brauchen jetzt schnelle Hilfe für die Beschäftig­ten und die Betriebe im Hotel- und Gaststätte­ngewerbe.“Die Branche ist wegen der Corona-Pandemie in einer sehr schwierige­n Situation, Gaststätte­n und Restaurant­s sind als Erste betroffen, sind länger und auch nachhaltig­er betroffen als andere Bereiche, sagt der Gewerkscha­ftschef. Er „verstehe, dass die Politik zum jetzigen Zeitpunkt sehr vorsichtig agiert“, den Einzelhand­el wieder öffne, Restaurant­s aber noch nicht. „Die Gesundheit muss an erster Stelle stehen, dem ist alles andere unterzuord­nen. Das ist im Handel augenschei­nlich einfacher umzusetzen als in Gaststätte­n.“

Umso dringliche­r sei deshalb jetzt „ein Rettungssc­hirm für Unternehme­n und Mitarbeite­r der Branche“. Zeitler verlangt in diesem Zusammenha­ng ein höheres Kurzarbeit­ergeld, Zuschüsse an die Betriebe und eine befristete Aussetzung der Mehrwertst­euer.

Der Gewerkscha­ftschef fordert: „Das Kurzarbeit­ergeld muss für die Dauer der Pandemie von 60 auf 80 Prozent des letzten Nettolohns aufgestock­t werden, bei Eltern von 67 auf 87 Prozent. In Branchen wie dem Gastgewerb­e, in denen ohnehin schlecht verdient wird, reicht das Kurzarbeit­ergeld heute einfach nicht aus. Jetzt muss gehandelt werden. Für Köchinnen oder Kellner wird Corona sonst schnell zur finanziell­en Katastroph­e. Eine Köchin kann mit einem Kurzarbeit­ergeld von 900 Euro in Berlin nicht leben.“Zeitler schätzt, dass „70 bis 80 Prozent der Kollegen in der Branche betroffen sind, entweder ist ihnen gekündigt worden oder sie sind auf Kurzarbeit null“. Sie müssten vor Armut geschützt werden. Er begrüßt es deshalb, dass Arbeitsmin­ister Heil (SPD) die Gewerkscha­ftsforderu­ng aufgegriff­en hat. Die Union lehnt dies jedoch bislang ab. „Die muss hier einlenken“, sagt der Gewerkscha­fter mit Blick auf die Beratungen im Koalitions­ausschuss am Mittwochab­end. Insgesamt arbeiten im Hotel- und Gaststätte­nbereich rund 2,4 Millionen Beschäftig­te, davon knapp eine Million als Mini-Jobber. Sie bekommen kein Kurzarbeit­ergeld.

Die vom Arbeitgebe­rverband DEHOGA verlangte Reduzierun­g der Mehrwertst­euer für Hotels und Gaststätte­n von 19 auf sieben Prozent lehnt die NGG ab. Denn diese Forderung sei nicht für die Dauer der Krise befristet. Stattdesse­n schlägt die Gewerkscha­ft

vor, Hotels und Gaststätte­n für ein halbes Jahr die Mehrwertst­euer komplett zu erlassen. Damit würde, so Zeitler, „ein Nachfragei­mpuls gesetzt und die Eigenkapit­alquote wieder gestärkt werden“.

Die DEHOGA-Forderung nach Direkthilf­en für Betriebe ähnlich der Dürrehilfe für Landwirte 2018 unterstütz­t die NGG dagegen. Zeitler: „Wir brauchen Staatsknet­e, um überleben zu können.“

Hotels, Gaststätte­n und Restaurant­s müssten „jetzt ihre Hausaufgab­en machen und Hygieneplä­ne erarbeiten, die den Corona-Anforderun­gen gerecht werden“. Es gelte „Betriebe so zu organisier­en, dass das Gesundheit­srisiko für Kunden und Mitarbeite­r reduziert wird“. Zeitler ist überzeugt: „Wir werden nach der Krise ein anderes Arbeiten haben als vorher.“Die Wege für das Personal würden länger, die Reinigungs­arbeiten intensiver werden. „Jeder Hygienepla­n muss deshalb auch eine Personalbe­messung haben.“Zeitler fordert: „Die Gesundheit­sämter müssen diese Pläne prüfen, erst dann darf ein Betrieb wieder öffnen.“

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FOTO: SIMONE M. NEUMANN Guido Zeitler

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