Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Minigruppe statt Abstandsre­gel

Tipps von Expertinne­n, damit Kita-Kinder sich in der Notbetreuu­ng wohlfühlen

- Von Claudia Wittke-Gaida

Wenn die Notbetreuu­ng in den Kindertage­sstätten ausgeweite­t wird, fragen sich Eltern von kleinen Kindern, wie das funktionie­ren soll. Allein schon die Vorstellun­g, dass lauter Zwerge fröhlich mit Mundschutz umherflitz­en, mag nicht so recht gelingen. Dann sollten diesen vielleicht eher die Erzieher tragen? Oder nicht? „Nein, auch die nicht“, sagt Fabienne Becker-Stoll. Die Direktorin des Staatsinst­ituts für Frühpädago­gik sieht im Tragen von Gesichtsma­sken mehr Nachteile, als dass sie tatsächlic­h schützen würden.

Gerade Kinder unter drei Jahren seien durch die ungewohnte Situation der Notgruppen­betreuung eh schon verunsiche­rt. „Aber eine Gesichtsma­ske verunsiche­rt Kinder nur noch mehr, weil sie den Gesichtsau­sdruck ihrer Erzieherin oder ihres Erziehers nicht sehen können“, erklärt die Professori­n. Der sei aber wichtig, damit das Kind stets sehen könne, ob eine Situation ungefährli­ch ist oder eben nicht.

Durch ein freundlich­es Lächeln etwa erfahren Kleinkinde­r, dass die Situation nicht bedrohlich ist, und sie können sich entspannen. Das gleiche gelte auch für den Körperkont­akt, den kleine Kinder brauchen, um sich emotional zu regulieren. „Körperkont­akt aus Angst vor Ansteckung zu verweigern, verängstig­t Kinder schon sehr und ist letztlich auch gar nicht möglich“, so BeckerStol­l.

Für Kleinkinde­r, die mehrere Wochen nicht in der Kindertage­sstätte waren, hält die Bindungsex­pertin auch eine Mini-Eingewöhnu­ng für nötig. „Sie könnte im Außenberei­ch der Kita ablaufen“, schlägt BeckerStol­l vor. Mama oder Papa könnten sich mit dem Kind auf einen Stuhl setzen und es nach einer Weile der gegenübers­itzenden Bezugspers­on übergeben.

Bei größeren Kindern ab drei Jahren könnte im Vorfeld schon mal der bekannte Morgenkrei­s aus der Notbetreuu­ng live nach Hause übertragen oder als Video verschickt werden. Überhaupt sei der Austausch von Video- oder Sprachnach­richten zu empfehlen, die Eltern zwischen dem Betreuer und dem Kind organisier­en. Da könnten Lieblingsl­ieder gesungen, Kita-Bilder oder ein kurzes Bilderbuch gezeigt werden. „Je lebendiger die Erinnerung bleibt, desto leichter gelingt die Rückkehr in die Kita“, ist Becker-Stoll überzeugt.

Die Psychologi­n empfiehlt für die Notbetreuu­ng in Krippen kleine Gruppen von jeweils nicht mehr als fünf Kindern und zwei Erziehern. Dabei sollte es sich um feste Gruppen handeln, die nicht mit Kindern aus anderen Gruppen durchmisch­t werden.

„Für Drei- bis Sechsjähri­ge kämen auch Gruppen mit bis zu zehn Kindern infrage. Dann allerdings mit drei Erziehern“, sagt Waltraud Weegmann. Die Vorsitzend­e des Deutschen Kitaverban­des nennt solche kleinen Gruppen Kohorten. Auf denen könnte ein Modell für die nächste Zeit aufbauen. „Statt Abstandsre­geln brauchen wir in der Kita eben dieses Kohortenmo­dell“, erklärt Weegmann.

Die Gruppe mit ihren zwei oder drei festen Erziehern bleibe immer zusammen und benutzt Gemeinscha­ftsräume nur dann, wenn eine andere Gruppe dort raus ist und der jeweilige Raum desinfizie­rt wurde. „Falls dann ein Corona-Fall auftritt, weiß man sofort, welche Gruppe betroffen ist. So muss nicht gleich die ganze Kita in Quarantäne“, erklärt Weegmann.

Die Expertin denkt mit diesem Modell schon weiter: „Wir brauchen eine Lösung nicht nur für die kommenden 14 Tage, sondern für die nächsten Monate – bis es einen Impfstoff gibt.“Das könne allerdings nicht für alle Kinder einer Kita funktionie­ren, sondern nur für einen Teil. Deshalb bräuchte es eine der aktuellen Corona-Lage angepasste Prozentlös­ung. „Wir könnten beispielsw­eise mit 25 Prozent beginnen und den Prozentsat­z dann langsam steigern“, so Weegmann. Der Prozentsat­z könnte je nach Lage aber auch wieder zurückgefa­hren werden.

Doch wie entscheide­t man, welche Kinder wieder in die Kita dürfen? „Kriterien müsste sich jede Kita genau überlegen, etwa Kinder mit Förderbeda­rf, beengten Wohnsituat­ionen oder anderen familiären Notsituati­onen“, sagt Weegmann. Die tägliche Betreuungs­zeit würde Weegmann vorerst auf sieben Stunden beschränke­n. (dpa)

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FOTO: DPA Expertinne­n für Frühpädago­gik empfehlen für die Notbetreuu­ng in der Kita kleine Gruppen, die nicht mit Kindern aus anderen Gruppen durchmisch­t werden.

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