Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Familienbetrieb stellt sich gegen die Corona-Krise
Das Bergatreuter Unternehmen Knecht berichtet von Rückschlägen und Chancen
BERGATREUTE - Als Rückgrat der Wirtschaft wird der Mittelstand in der Region bezeichnet. Darunter sind viele hoch spezialisierte Familienbetriebe wie die Firma Knecht in Bergatreute mit 80 Mitarbeitern. Wie geht ein Betrieb dieser Größe mit der aktuellen Situation um? Ein Gespräch mit Geschäftsführer Manfred Knecht, der die Firma zusammen mit Markus Knecht leitet.
In Bergatreute werden Schleifmaschinen und Cuttermesser für Lebensmittel verarbeitende Betriebe produziert. Russland und USA sind neben Deutschland mit 40 Prozent Umsatzanteil die wichtigsten nationalen Märkte. Tochterfirmen wurden in den letzten 15 Jahren in Österreich, Frankreich, USA und Russland gegründet. Insgesamt sind bei der Firma Knecht 80 Personen beschäftigt, 60 davon in Deutschland.
Diese Tochterfirmen im Ausland sind laut Geschäftsführer Manfred Knecht in der Corona-Krise ein wichtiger Anker. Denn nur so kann der Service an den Kuttermessersystemen und Schleifmaschinen trotz nicht mehr passierbarer Grenzen weiterhin gewährleistet werden. „Ohne die Niederlassung wäre der Umsatz in Russland vollständig eingebrochen“, sagt er.
Auch im Einkauf ist der mittelständische Betrieb vernetzt. „Wir kaufen in Deutschland oder in der Region ein sowie im europäischen Ausland“, erklärt Manfred Knecht. „Für spezielle Teile, die eine hohe Qualifikation verlangen, geht man enge Partnerschaften ein. Es ist kurzund mittelfristig nicht möglich, den Lieferanten zu wechseln. Da bedeutet ein Shutdown in Frankreich ganz einfach, dass wir einen Großauftrag nur mit Verzögerungen produzieren können, weil wir die nötigen Teile nicht herbekommen.“
Wie ist die Situation aktuell bei der Firma Knecht? „Seit April haben wir Kurzarbeit angemeldet. Wir arbeiten 80 Prozent. Inzwischen stockt die Lieferkette in beide Richtungen. Auslandsprojekte werden verschoben. Service und Außendienst haben stark reduziert“, erläutert Knecht. „Unsere Kunden, die Lebensmittelbetriebe, arbeiten voll, aber Service wird nur noch im absoluten Notfall angefragt.“Die Geschäftsleitung erwartet Umsatzeinbrüche.
„Ich denke wir stehen am Anfang einer gewaltigen weltweiten Rezession“, sagt Manfred Knecht. „Unser Ziel? Überleben. Momentan ist die Kurzarbeit präventiv, die Zuliefernetzwerke funktionieren noch weitgehend. Aber auch die werden zunehmend Kurzarbeit machen müssen.“Umsatzzuwächse verzeichnet die Firma bei Verschleiß- und Ersatzteilen. „Verständlich“, so Knecht,
„der Kunde möchte da kein Risiko eingehen aufgrund möglicher Lieferengpässe und sichert den Nachschub.“
Zum Vergleich: In Deutschland erwarten laut IHK über 80 Prozent der Betriebe Umsatzeinbrüche, jedes vierte Unternehmen befürchtet sogar Rückgänge von mehr als 50 Prozent im Gesamtjahr 2020. Die Liquidität zu erhalten sei jetzt oberstes Ziel, Entlassungen jedoch kein Thema, bestätigt Knecht. „Unsere Leute sind hochqualifiziert. Es wäre ein großer Fehler und menschlich nicht zumutbar, jetzt jemanden zu entlassen“, versichert Manfred Knecht. Laut einer Pressemitteilung der Bundesagentur für Arbeit vom 31. März lag die Zahl der Kurzarbeitsanträge im Februar 2020 noch bei 1900. Im März seien bundesweit 470 000 Anzeigen auf Kurzarbeit eingegangen – aus nahezu allen Branchen.
Wie geht es nun weiter? Die Unsicherheit sei das größte Problem, so Manfred Knecht. „Wir wissen nicht, was kommt. Das erste Quartal war umsatzmäßig gut. Ab sofort werden wir jede Woche bewerten und unsere Maßnahmen wenn möglich und nötig korrigieren.“Seit der Weltwirtschaftskrise im Jahr 2008 habe das Unternehmen Umsatzzunahmen verbucht, erst im vergangenen Jahr sei der Betrieb vergrößert worden. „Natürlich hat niemand mit so was gerechnet: geschlossene Grenzen, zum Teil ein kompletter Stillstand in Industrie, Handel und Gastronomie“, meint Knecht, und ergänzt: „Wir werden das schaffen, aber diese Corona-Krise wird die Welt verändern.“