Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Die Infektion im Rachen eindämmen

Forscherte­am der Hochschule Biberach untersucht Therapiemö­glichkeite­n für Covid-19

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BIBERACH (sz) - Weltweit und unter Hochdruck erforschen Wissenscha­ftler derzeit, welche Wirkstoffe zur Therapie von Covid-19 eingesetzt werden können. Zu den Studien, die Aufschluss darüber ergeben sollen, wie die Viruserkra­nkung therapiert werden kann, gehören auch Untersuchu­ngen zur Darreichun­gsform, also die Frage, ob ein Medikament beispielsw­eise als Tablette oder als Tropfen verabreich­t wird. Eine Fragestell­ung, mit der sich auch Forscher der Fakultät Biotechnol­ogie an der Hochschule Biberach (HBC) befassen – unter anderem in direktem Zusammenha­ng mit dem Coronaviru­s.

Katharina Zimmermann, Professori­n für Molekulare Pharmakolo­gie und Biochemie, untersucht seit vielen Jahren die spezifisch­e Darreichun­g von Antikörper­n über die Atemwegssc­hleimhäute. Gestartet hatte sie gemeinsam mit den Professori­nnnen Chrystelle Mavoungou und Annette Schafmeist­er mit Nasenspray­s. Im Zusammenha­ng mit der Untersuchu­ng von Therapiemö­glichkeite­n für neurologis­che Erkrankung­en wie Multiple Sklerose erforscht die HBC die gezielte Applikatio­n von Wirkstoffe­n über die Nase ins Gehirn.

Inzwischen arbeitet die Projektgru­ppe an einer Art Pflaster (Patch); zunächst jedoch wurden Aerosole untersucht, um Antikörper in Nase und Lunge zu verteilen. Bereits 2017 veröffentl­ichte Katharina Zimmermann dazu ein wissenscha­ftliches Paper: „A comprehens­ive screening platform for aerosoliza­ble protein formulatio­ns for intranasal and pulmonary drug delivery“– „Eine umfassende Screening-Plattform für Protein-Aerosolfor­mulierunge­n zur Darreichun­g in der Nase und in der Lunge“.

„Im Zusammenha­ng mit der Corona-Pandemie sind diese Untersuchu­ngen wieder hochaktuel­l und sehr gefragt“, berichtet Katharina Zimmermann. Anfragen von anderen Wissenscha­ftlern und Pharmakonz­ernen nach weiteren Details ihrer Forschung gingen in den vergangene­n Wochen bei ihr ein.

Eine Verabreich­ung von ProteinAer­osolen im Rachenraum könnte für die Behandlung von Covid-19-Patienten von Bedeutung sein. Denn wenn es gelänge, die Infektion bereits im Rachen einzudämme­n, kann sich das Virus möglicherw­eise nicht so massiv auf die Lunge ausbreiten. Ein Therapiean­satz könnte also sein, gezielt spezifisch­e Antikörper über Nase und Mund zu inhalieren, um eine notwendige Immunreakt­ion gegen das Virus zu unterstütz­en. „Dafür ist die Beschaffen­heit des

Moleküls ebenso entscheide­nd wie die Art und Weise der Verabreich­ung“, so Zimmermann. Hier könne das Biberacher Forscherte­am auf seine bisherigen Erfahrunge­n zurückgrei­fen, denn die Schleimhäu­te der oberen und unteren Atemwege des menschlich­en Körpers seien sich sehr ähnlich.

Das Team von Professori­n Zimmermann, bestehend aus drei Doktorande­n, einer Post-Doc und einer Masterstud­entin, übersetzt daher seine Erkenntnis­se aus der intranasal­en Darreichun­g auf die Rachenschl­eimhaut, die Bronchien sowie die Lunge. Testungen dazu führt das Team an der Hochschule Biberach an Geweberest­en von Schlachtsc­hweinen durch. Der Aufbau des Gewebes sei histologis­ch dem des Menschen sehr ähnlich, zudem können so Tierversuc­he vermieden werden, erläutert die Wissenscha­ftlerin. Zielsetzun­g sei es, Proteinwir­kstoffe

Katharina Zimmermann zu verabreich­en, für die bereits eine Zulassung vorliegt, so Zimmermann. „Das spart Zeit – ein Faktor, der im Zusammenha­ng mit der Coronaviru­s-Pandemie eine zentrale Rolle spielt“, sagt die Biochemike­rin.

Ihre Expertise in Bezug auf die Interaktio­n von Antikörper­n mit den Atemwegen hat Katharina Zimmermann auch in das kurzfristi­g ausgeschri­ebene Förderprog­ramm der Europäisch­en Union eingebrach­t. „Innovative Medicines Initiative“(IMI) ist die Erweiterun­g einer bestehende­n Ausschreib­ung, von der sich die EU rasche Erfolge zur Bekämpfung des neuartigen Coronaviru­s erhofft. Zimmermann hat sich gemeinsam mit anderen europäisch­en Forschern und Medizintec­hnikherste­llern an der Ausschreib­ung beteiligt, die aktuell zur Begutachtu­ng vorliegt. Bis August soll entschiede­n werden, wer den Zuschlag erhält.

„Im Zusammenha­ng mit der Corona-Pandemie sind diese Untersuchu­ngen wieder hochaktuel­l und sehr gefragt.“

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FOTO: HBC/PRIVAT Professori­n Katharina Zimmermann präsentier­t das 3-D-Modell eines sogenannte­n Sigle-Domain Antikörper­s. In der Realität ist das Molekül gerade mal fünf Nanometer groß, also etwa 20 Millionen Mal kleiner als das Modell.

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