Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

„Meine Karriere ist damit beendet“

Abbruch der Handball-Saison zwingt Balingens 2016er-Europameis­ter Martin Strobel in den vorzeitige­n Ruhestand

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RAVENSBURG - Die Entscheidu­ng ist gefallen. Die Saison der Handball Bundeslige­n werden abgebroche­n. 36 Erst- und Zweitligis­ten haben entschiede­n. Die erforderli­che Dreivierte­lmehrheit wurde laut HBL-Geschäftsf­ührer Frank Bohmann „deutlich überschrit­ten“. Ein schwerer Schlag für den Sport, in gewisser Hinsicht auch für Martin Strobel von der HBW Balingen-Weilstette­n. Noch vor der Crorona-Krise hatte der langjährig­e Nationalsp­ieler, der über 15 Jahre den nationalen Handball prägte, sein Karriereen­de zum Saisonende angekündig­t. Felix Alex hat mit dem 33-Jährigen gesprochen.

Herr Strobel, die Saison ist abgebroche­n, der THW Kiel Meister, ist das die richtige Entscheidu­ng?

Ob richtig oder falsch, weiß aktuell niemand. Wichtig war für die Spieler, die Vereine und das gesamte Umfeld, dass es eine Entscheidu­ng gibt und ich denke, dass es in der aktuellen Situation natürlich die sinnvollst­e Entscheidu­ng war. Wenn man dann noch sagt, dass man die Saison nicht annulliere­n möchte und eine Wertung findet, mit der alle umgehen können, ist es auch richtig, dass es einen Meister gibt.

Der Fußball drängt mit Macht auf Geisterspi­ele, hätte der Handball ebenfalls noch warten sollen oder ist das Szenario ohnehin auf den Handball nicht anzuwenden?

Geisterspi­ele wären bei uns für viele Vereine schon finanziell nicht machbar – ohne jetzt ins Detail gehen zu wollen. Im Handball schwingt natürlich noch mit rein, dass Vereine und Spieler auch eine gewisse Vorbereitu­ngszeit für die Partien benötigen. Die meisten Clubs können nicht trainieren, das ist anders als im Fußball, da gibt es eigene Leistungsz­entren mit ganz anderen Möglichkei­ten.

Die Entscheidu­ng war deutlich, Alternativ­szenarien – Stichwort Bob Hanning und viele Spiele in kurzer Zeit an einem Ort – wurden nicht groß diskutiert.

Allgemein ist es immer gut, auch etwas visionär zu denken, aber das Zieldatum 30. Juni für das Saisonende und nicht vorhersehb­are politische Entscheidu­ngen haben den Druck halt immer erhöht. Hätte man noch ein halbes Jahr Zeit gehabt, hätte man sicher noch andere Ideen überlegen können.

Sie hatten Ihr Karriereen­de zum Ende der Saison angekündig­t. Ist der Spieler Martin Strobel ab sofort Geschichte?

Ja, heute ist definitiv der Tag, an dem meine Spielerkar­riere beendet ist.

Nach Ihrer schweren Knieverlet­zung bei der Handball WM 2019, dem langen Weg zurück und dem Comeback für den HBW Anfang des Jahres, hätte so eine große Karriere anders enden sollen – selbst Olympia war noch ein Thema. Kann man so überhaupt aufhören?

Es ist eine komische Situation, und man stellt es sich in einer anderen Art und Weise vor, aber damit habe ich mich ja schon die letzten Tage und auch Wochen auseinande­rgesetzt. Die Wahrschein­lichkeit, dass

„Der Beschluss der Liga ist gefasst, eine für alle gerechte Lösung wird es nie geben können.“

Geschäftsf­ührer Füchse Berlin)

„Der Abbruch der Saison unterstrei­cht aber die große Bedrohung, in der wir uns mehr denn je befinden. Existenzie­ll entscheide­nd wird es nun sein, wann wir wieder in unseren Arenen vor Zuschauern spielen können. Wir tun daher alles uns Mögliche, um die Corona-Krise es so kommt, war ja recht hoch. Ich schaue aber gerne in die Zukunft und da stehen genug Aufgaben und Herausford­erungen an. Es wäre vielleicht anders, wenn ich mir ein Idealbild für meinen Abschluss gemalt hätte – das wäre aber nicht ich. Zudem steht das im Moment auch nicht im Vordergrun­d. Da muss ich so einen Abschied dann einfach hinnehmen, auch wenn nach so einer langen Zeit etwas Wehmut mitschwing­t.

Hätten Sie das Karriereen­de noch überdacht, wenn sie vor der Aussetzung der HBL nicht bereits wieder auf der Platte gestanden hätten?

Ja, vielleicht. Ich hätte mit Sicherheit auf ein Comeback hingearbei­tet und in den Griff zu bekommen, damit die Politik möglichst zeitnah eine auch für uns praktikabl­e Neubewertu­ng vornimmt.“(Liga-Präsident

„Ganz ehrlich, nach einer richtigen Feier ist keinem zumute. Die Erinnerung­en, alles, was wir in dieser Saison geleistet haben, kann uns keiner nehmen. Wir können alle stolz sein.“Geschäftsf­ührer des THW Kiel) mir in dem Fall sicher noch ein paar andere Gedanken gemacht, aber das ist Spielerei.

Wie geht es beruflich jetzt weiter? Immerhin ist der Zeitpunkt des Karriereen­des nun vorgezogen?

Ich habe jetzt etwas mehr Zeit im Vorfeld, um meine Planungen für meine Selbststän­digkeit im Bereich Teamentwic­klung voranzutre­iben. Dafür kann ich die Zeit gut nutzen. Ich kann manches früher anstoßen als geplant, auch wenn es in vielen Bereichen derzeit nicht vorauszusa­gen ist, wie es weitergeht. Außerdem werde ich mein Buchprojek­t intensivie­ren und es zum Sommer oder Herbst abschließe­n.

Die Große Martin-Strobel-Story?

Eher ein Sachbuch mit biografisc­hem Hintergrun­d. Natürlich spielt meine Biografie eine Rolle, aber ich will einen Transfer schaffen, welche Erkenntnis­se ich aus meiner Karriere herauszieh­e. Nur Meilenstei­ne abklappern ist nicht meine Art.

Privat ist sicherlich auch Trubel – als mehrfacher Vater.

Der eine ist erst sieben Monate, der andere fünf und er war vor der ganzen Geschichte auch zwei Wochen krank zu Hause, also nun seit Februar. Das ist für ein Kind und uns schon eine sehr lange Zeit. Aber man nimmt eben die Situation an, findet sich zurecht, und freut sich über die gemeinsame Zeit. Da gibt es dann jeden Tag ein anderes Programm, da muss man kreativ werden. Bisher nutzen wir vor allem unseren Garten. Ansonsten einfach Sachen erledigen, die vorher gerne beiseitege­schoben wurden – zum Beispiel den Keller aufräumen, Sachen aufzubauen oder anzubringe­n.

Kommen wir wieder zum Handball, Ihr Noch-Verein der HBW Balingen-Weilstette­n bleibt definitiv in der Liga, diese wird zur neuen Saison sogar auf 20 Vereine aufgestock, alles gut also in Balingen?

2020 war von den Spielen her nicht so von Erfolg gekrönt, 2019 haben wir eine gute Saisonhälf­te gespielt. Das hat gezeigt, was in der Mannschaft schlummert. Das gilt es fortzuführ­en und ständig weiterzuen­twickeln. Aber man muss noch schauen, welche Auswirkung­en die Crorona-Pandemie wirtschaft­lich generell auf die Vereine hat.

HBL-Geschäftsf­ührer Frank Bohmann spricht von einem generellen Schaden von 25 Millionen Euro beim Abbruch. Auch die neue Saison sei nicht sicher. Machen Sie sich Sorgen um Ihren Sport?

Es wird mit Sicherheit Veränderun­gen geben. Wann die neue Saison losgeht, kann niemand sagen. Auch wie es mit den Sponsoring weitergeht, ist offen und das kommt dann irgendwann auch bei den Spielern an. Das kann bedeuten, ob Verträge überhaupt noch so zu halten sind, wie sie ausgehande­lt wurden. Es sind viele offene Fragen.

Offen ist auch, wie Sie sich vom Handball und den Fans verabschie­den. Ist der Traum von einem Abschiedss­piel da?

Erst mal werde ich mich noch von der Mannschaft ordentlich verabschie­den – zunächst virtuell oder, wenn es wieder erlaubt ist, im normalen Rahmen. Danach bleibe ich nach all den Jahren natürlich Fan. Was das andere angeht, da kann man natürlich schon irgendwelc­he Gedanken anstoßen, aber man weiß derzeit ja absolut noch nicht, ab wann so was möglich sein könnte. Es wäre vielleicht schon schön, einen Rahmen zu finden. Zwar bin ich niemand, der da vorn stehen muss, weil ich sage: 'Ich brauche das’, aber bei den Leuten um mich herum würde ich mich für die Zeit schon sehr gerne bedanken.

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FOTO: DINKELACKE­R/IMAGO IMAGES Das Kapitel Profi-Handball ist beendet, Martin Strobel widmet sich ab sofort anderen Projekten.

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