Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Gemeinde hilft dem Hoftheater
Baienfurter Rat gewährt 50 000 Euro - Uli Boettcher: Keine Dauerbezuschussung
BAIENFURT - Dem Hoftheater in Baienfurt, einer der bedeutendsten Kleinkunstbühnen im Lande, droht wegen der Corona-Krise das Aus. Um dies zu verhindern, hat der Baienfurter Gemeinderat am Dienstagabend beschlossen, dem 2011 gegründeten Privatunternehmen einen Zuschuss von insgesamt 50 000 Euro zu gewähren. Bis auf ein Ratsmitglied (Heinrich Bernhard) stimmten alle für den Zuschuss.
Das Hoftheater, so argumentierte Bürgermeister Günter A. Binder, besitze als Kultureinrichtung weit über Baienfurt hinaus Bedeutung. Es habe bisher auf jede finanzielle Unterstützung der Gemeinde verzichtet, obwohl diese bereits 2011 den in solchen Fällen üblichen Zuschuss von 3000 Euro pro Jahr angeboten habe, den auch die Manufaktur bekommt.
Die Gemeinderäte tagten diesmal in der Gemeindehalle mit einem Sicherheitsabstand von anderthalb Metern. Eine nicht öffentliche Sitzung zum Thema Hoftheater war der öffentlichen Beratung vorangegangen. Außerdem hatten sich dazu die Fraktionschefs mehrfach mit dem Bürgermeister getroffen.
Binder erläuterte in einem längeren Statement die Situation. Jährlich bietet das Hoftheater etwa 160 bis 170 Kleinkunst-Veranstaltungen für rund 36 000 Besucher an. Das Hoftheater samt Gastronomie beschäftigt 38 Mitarbeiter, davon zehn in Vollzeit, sechs in Teilzeit und 22 auf Minijobbasis. Allein die Sachkosten belaufen sich auf rund 17 224 Euro im Monat, heißt es in einem Arbeitspapier der Gemeindeverwaltung. Die Lohnkosten, die seit der Corona-Verordnung des Landes und der damit verbundenen Schließung des Theaters weiterlaufen, würden vom staatlich gewährten Kurzarbeitergeld nur zum Teil aufgefangen. Die Erstattungskosten für bereits verkaufte Tickets bezifferte das Hoftheater bis Ende April auf rund 8000 Euro.
All diese Kosten könnten vom Hoftheater nicht getragen werden, obwohl alle staatlichen Zuschüsse in Anspruch genommen wurden. Dabei handelte es sich um eine Soforthilfe des Bundes in Höhe von 30 000 Euro für die Monate April bis Juni und das Kurzarbeitergeld. Ein rein kulturelles Unternehmen könne und dürfe nicht mit einem in der Regel auf Gewinnerzielung ausgerichteten Unternehmen verglichen werden, heißt es weiter im Arbeitspapier. Große Gewinne seien hier niemals möglich.
Hätte das Hoftheater seit dem Jahre 2011 den von der Gemeinde angebotenen Zuschuss angenommen, wäre inzwischen eine Summe von 30 000 Euro gewährt worden, rechnete die Gemeindeverwaltung vor.
Brian Lausund, Geschäftsführer des Hoftheaters, versicherte: „Wir haben uns immer als kulturelle Einrichtung verstanden, nicht nur als wirtschaftliche.“Lausund wies auch auf die zahlreichen Benefizveranstaltungen des Hoftheaters hin. So habe man jährlich rund 300 Gutscheine ausgegeben, was einen Gegenwert von rund 65 000 Euro ausmache (siehe Kasten). „Wir werden alles Menschenmögliche tun, um weiter zu existieren“, sagt Gesellschafter Uli Boettcher, als Comedian und Schauspieler der Kopf des Hoftheaters. Es gehe nur um eine finanzielle Überbrückung für diese Zeit, „die wir so nicht haben kommen sehen“. Eine Dauerbezuschussung wolle das Hoftheater nicht.
Richard Birnbaum, Sprecher der Freien Wähler im Gemeinderat, dankte für den Einblick in alle Unterlagen. „Wir trauen es Euch zu, dass es weitergeht. Die 50 000 Euro sind mir das wert“, erklärte Birnbaum. Brigitta Wölk (SPD) hob die Bedeutung der Kultur für Baienfurt hervor. Der Gemeinderat sei umfangreich informiert, auch über die Finanzen. „Warum
sollten wir dem Theater keinen Zuschuss gewähren?“, fragte sie.
Andrea Arnhold (CDU) lobte es, dass das Hoftheater noch nie um einen Zuschuss gebeten habe. Jetzt werde es eine neue Konzeption geben. Der Gemeinderat könne den Zuschuss guten Herzens geben. Uwe Hertrampf (G+U) sagte, für die wirtschaftlichen Betriebe könne der Gemeinderat nicht das Gleiche leisten wie fürs Hoftheater, zumal bei diesen ein Teil des Betriebs weiterlaufe. Die Gastronomie betreibe das Hoftheater zur Unterstützung der Kultur. Hertrampf sah beim Hoftheater eine „ganz kleine Parallele“zum Erhalt des Hallenbads, das von einer Genossenschaft betrieben wird. Artur Kopka (CDU) fand, das Hoftheater sei eine Einrichtung, mit der sich Baienfurt auch nach außen zeige. „Wir haben Vertrauen, weil wir die Herren kennen“, sagte Kopka. Doch solle man sich nicht blenden lassen von irgendwelchen Zahlen. Niemand wisse, wie die nächste Zeit ablaufe. Auf die Frage Rainer von Banks (FWV), ob es denn ein Konzept für die Zeit ab September gebe, antwortete Brian Lausund: „Ja, es wird daran gearbeitet.“
Als einziger Baienfurter Gemeinderat stimmte Heinrich Bernhard (FWV) gegen den 50 000-Euro-Zuschuss ans Hoftheater, der im April und spätestens im Juni in zwei Chargen ausgezahlt wird. Bernhard hatte sein Nein in nicht öffentlicher Sitzung begründet, öffentlich sage er nichts. Auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“erklärte er, als selbstständiger Handwerker könne er diese Entscheidung nicht nachvollziehen. Er kritisierte vor allem „eine üppige personelle Besetzung“im Hoftheater, in der Küche und eine Vollzeitstelle in der Buchhaltung. Die Gastronomie sei eine Konkurrenz der übrigen Baienfurter Gastronomien, denen die Gemeinde nicht helfe. Kurzarbeit sei für die Bevölkerung derzeit ein größeres Problem als die Kultur.