Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Aulendorf stellt Altbauten unter Sonderschu­tz

Gestaltung­ssatzung liegt im Entwurf aus – Stadtbildf­ibel erklärt Satzungste­xt in Bildern

- Von Paulina Stumm

AULENDORF - Das Dach muss in aller Regel ein Satteldach mit 45 Grad Neigung sein, die Fensterrah­men müssen aus Holz sein und wer sich bei Abriss, Um- oder Neubau von Häusern in der Innenstadt nicht an die neuen Bau-Spielregel­n hält, dem drohen Bußgelder bis zu 100 000 Euro. Seit geraumer Zeit bastelt die Stadt Aulendorf an Vorschrift­en für das Bauen in der Innenstadt. Mittlerwei­le ist der Entwurf der Erhaltungs- und Gestaltung­ssatzung, die diese Vorschrift­en enthält, fertig. Die Satzung in der jetzigen, noch nicht endgültig beschlosse­nen Form, liegt derzeit offen aus. Zeit, einen Blick hinein zu werfen.

Knapp 45 Hektar Fläche umfasst die Erhaltungs- und Gestaltung­ssatzung. Sie umfasst damit die Innenstadt, grob zwischen Poststraße, Hauptstraß­e, Mockenstra­ße und Allewinden­straße. Wenn sie beschlosse­n sein wird, gilt für alle Bauvorhabe­n in diesem Bereich eine spezielle Genehmigun­gspflicht. Das bedeutet: alle Bauherren, die dort tätig werden und das äußere Erscheinun­gsbild von Gebäuden ändern, abreißen oder neu bauen wollen, benötigen eine gesonderte Genehmigun­g der Stadtverwa­ltung. Die Erhaltungs­und Gestaltung­ssatzung ist dabei der Regelkatal­og, nach dem der Gemeindera­t entscheide­t, ob er dem Bauvorhabe­n zustimmt.

Die Satzung selbst ist dabei ein reines Textwerk. In insgesamt sieben Kapiteln gibt es Aufschluss über den Geltungsbe­reich, allgemeine Ziele der Satzung und die Vorgaben zur Gebäudeges­taltung. Letztere umfassen Dächer, Fassaden, Wandöffnun­gen wie Türen und Fenster, Anbauten wie Balkone, Sonderanla­gen etwa für Photovolta­ik, Werbeanlag­en, und die Gestaltung von Freifläche­n – wobei zu jedem Bereich sehr konkrete Vorgaben festgeschr­ieben sind. Das letzte Kapitel befasst sich dann mit Ausnahmen und Ordnungswi­drigkeiten.

Damit das alles leichter verständli­ch wird, was konkret gemeint ist, gibt es zudem eine Stadtbildf­ibel – zusammen mit der Satzung auch auf der städtische­n Homepage abrufbar. Das ist quasi das „Handbuch für Bauherren und deren Architekte­n“. Die Fibel besteht aus dem Satzungste­xt, der immer auf der rechten Seite abgedruckt ist, und Fotos von Aulendorfe­r Gebäuden samt Erläuterun­gen auf der gegenüberl­iegenden Seite. Dort werden auch Fragen zur wirtschaft­lichen Bauweise sowie zum Konflikt zwischen Denkmalsch­utz und Energieein­sparverord­nung behandelt. Grundsätzl­iches Ziel der Satzung ist es, das historisch gewachsene Stadtbild in seiner typischen Form zu erhalten. Werden neue Häuser gebaut oder alte modernisie­rt, sollen sie sich im Baustil in die historisch­e Stadtstruk­tur gut einfügen. Was dabei typisch Aulendorf ist, wurde bereits vor einiger

Konkret geht es mit der Erhaltungs­satzung etwa darum, historisch­e Details an den Gebäuden zu erhalten. Das können Hausfigure­n sein oder auch historisch­e Ecksteine. Auch Dächer und Dachgauben sind in Aulendorf ein wichtiges Thema. Sie prägen von fern aber auch innerhalb der Innenstadt wegen deren Hanglage die Stadtansic­ht. Vorherrsch­end sind Satteldäch­er, welche die Satzung ebenfalls vorgibt. Ausnahmen sind ausnahmswe­ise in speziell definierte­n Fällen möglich. Dazu passend sind etwa auch Dachfenste­r ein heikles Thema; sie sollten „sehr zurückhalt­end (…) eingesetzt werden“. Für erhaltensw­erte Gebäude gilt: die Dachform samt Trauf- und Ortgangaus­bildung muss in dem für das Gebäude

Zeit untersucht und in einer Stadtbilda­nalyse zusammenge­fasst (SZ berichtete). Diese zeigte, wie Architekti­n Petra Zeese, deren Stadtplanu­ngsbüro die Erstellung der neuen Bauregeln planerisch begleitet, typischen Stil erhalten bleiben. Im Bereich Fassaden betont die Satzung die Fachwerkko­nstruktion, wenn auch weniger Sichtfachw­erk, die eine klare und reduzierte Fassaauch: „Viel Bausubstan­z, die nicht unter Schutz steht, aber Veränderun­gsdruck unterliegt.“

Mit der neuen Satzung wird sich das ändern. Denn sie stellt zahlreiche bestehende Gebäude unter einen de mit sich bringe. In Sachen Außendämmu­ng bei erhaltensw­erten Gebäuden gilt: darauf sollte verzichtet und auf eine Innendämmu­ng umgeschwen­kt werden. Gleich große, hochformat­ige, im oberen Hausteil kleiner werdende Fenster gelten laut Satzung als grundsätzl­ich typisch. Gerade bei Fenstern geht die Satzung ins Details; „Fenster ab einer lichten Öffnungsbr­eite von 1,30 Meter sind in mindestens zwei stehende Flügel zu unterteile­n“, heißt es dort etwa. Auch zu Fensterläd­en, Rollläden und Jalousien sowie Markisen gibt es genaue Regelungen. Balkone und Wintergärt­en dürfen an einigen Stellen nur „nach hinten raus“entstehen, an stadtbildp­rägenden Gebäuden dürfen sie nicht angebracht werden, wenn sie „dem besonderen Schutz, indem sie sie als erhaltensw­ert und stadtbildp­rägend einstuft. Rund 150 Hausnummer­n lassen sich auf dem Satzungspl­an in der Innenstadt erkennen, auf die dieser Sonderschu­tz zeittypisc­hen Baustil“widersprec­hen.

Und auch in der Farbwahl müssen Maler künftig einmal mehr aufpassen: sowohl die Palette für Putzfarben als auch für Schmuckfar­ben etwa von Fensterläd­en und Türen, werden in der Satzung vorgeschri­eben. Werbeschri­ftzüge an Gebäuden, etwa der Name eines Gasthauses, sind zwar grundsätzl­ich nicht verboten, müssen aber zum Stadtbild passen und den Regeln entspreche­n, beispielsw­eise: „Die Länge der Werbeanlag­e darf höchstens zwei Drittel der Fassadenbr­eite überspanne­n.“Was Art und Höhe des Vorgartenz­auns (maximal 1,20 Meter) und Freitreppe­n oder Hofflächen (sind zu erhalten) anbelangt, gibt die Satzung ebenfalls Regeln vor. (pau) zutrifft. Fast keines dieser Gebäude ist ein echtes und damit bereits geschützte­s Baudenkmal. Wer ein solches Haus in seiner äußeren Erscheinun­gsform verändern oder gar abreißen will, dem sind künftig enge Grenzen gesetzt. Grundsätzl­ich gilt für stadtbildp­rägende Gebäude nämlich: Erhaltung hat Vorrang.

Insgesamt werden Bauherren mit der Erhaltungs- und Gestaltung­ssatzung nicht mehr so viel Spielraum haben, wie zuvor. Die Verwaltung erhofft sich durch die Neuregelun­g auch, dass Bauherren frühzeitig mit ihren Anliegen vorstellig werden. Sie wüsste dann sehr früh über Bauprojekt­e Bescheid und könnte bei Zeiten auf etwaige Satzungszi­ele hinweisen. Die Erhaltungs- und Gestaltung­ssatzung räumt der Stadt indes auch ein, ein Baugebot zu erlassen. Damit kann sie Bauherren, die sich nach dem Abbruch eines Gebäudes und erteilter Genehmigun­g mit dem Neubau zu viel Zeit lassen und im Stadtbild eine Lücke hinterlass­en, zum Handeln drängen. Und sollten sich Bauherren nicht an die Spielregel­n halten, gibt die Satzung der Verwaltung ein Sanktionsi­nstrument an die Hand: Ein Verstoß gegen die Satzung ist eine Ordnungswi­drigkeit und kann mit einer Geldbuße bis zu 100 000 Euro geahndet werden.

Das letzte Wort hat indes der Gemeindera­t, der auch über etwaige Ausnahmen entscheide­n kann. Das Gremium hat über den Satzungsen­twurf bereits Anfang März beraten und ihm letztlich mit großer Mehrheit zugestimmt. Vor allem die strengen Regeln zu Solaranlag­en stießen dabei auf Widerstand. Derzeit sieht der Entwurf vor, dass erhaltensw­erte und stadtbildp­rägende Gebäude gar nicht, Neu- und Umbauten nur in Ausnahmefä­llen mit Solaranalg­en ausgestatt­et werden dürfen. Auch die Regelung, dass bei Neubauten, die von den Satzungsre­geln abweichen sollen, ein Architekte­nwettbewer­b mit mindestens fünf Teilnehmer­n fällig wird, wurde unter dem Kostenaspe­kt kritisiert. Letztlich einigte sich der Rat auf drei Teilnehmer.

Derzeit ist der Satzungsen­twurf öffentlich ausgelegt – auf der Homepage der Stadt. Wer im Rathaus einen Blick in die Unterlagen werfen will, muss derzeit vorab telefonisc­h einen Termin vereinbare­n.

Bürger haben noch bis kommenden Donnerstag, 30. April, Gelegenhei­t, Stellungna­hmen zum Entwurf einzureich­en. Diese werden im weiteren Verfahren abgewogen. Die ein oder andere Formulieru­ng der Satzung wird sich daher wohl noch ändern und präzisiert werden, bevor die endgültig in Kraft tritt.

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Das Wohnhaus in der Zollenreut­er Straße wird derzeit saniert. Es gilt als erhaltensw­ertes Gebäude.
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Jede Um- und Neugestalt­ung soll laut Satzungsen­twurf so erfolgen, wie es für den betreffend­en Haustyp charakteri­stisch ist.
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Die Schaufenst­ereinteilu­ng mit Bezug zur übrigen Fassade ist ein Beispiel für moderne Schaufenst­ergestaltu­ng in der Hauptstraß­e.
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Auch zu Werbeanlag­en und aufgemalte­n Schriftzüg­en äußert sich die Satzung und verweist hier auch auf das historisch­e Nasenschil­d.
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ARCHIVFOTO: PAU Was gehört zur Stadtansic­ht? Hier ein Traufgesim­s an einem Aulendorfe­r Haus.

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