Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Aulendorf stellt Altbauten unter Sonderschutz
Gestaltungssatzung liegt im Entwurf aus – Stadtbildfibel erklärt Satzungstext in Bildern
AULENDORF - Das Dach muss in aller Regel ein Satteldach mit 45 Grad Neigung sein, die Fensterrahmen müssen aus Holz sein und wer sich bei Abriss, Um- oder Neubau von Häusern in der Innenstadt nicht an die neuen Bau-Spielregeln hält, dem drohen Bußgelder bis zu 100 000 Euro. Seit geraumer Zeit bastelt die Stadt Aulendorf an Vorschriften für das Bauen in der Innenstadt. Mittlerweile ist der Entwurf der Erhaltungs- und Gestaltungssatzung, die diese Vorschriften enthält, fertig. Die Satzung in der jetzigen, noch nicht endgültig beschlossenen Form, liegt derzeit offen aus. Zeit, einen Blick hinein zu werfen.
Knapp 45 Hektar Fläche umfasst die Erhaltungs- und Gestaltungssatzung. Sie umfasst damit die Innenstadt, grob zwischen Poststraße, Hauptstraße, Mockenstraße und Allewindenstraße. Wenn sie beschlossen sein wird, gilt für alle Bauvorhaben in diesem Bereich eine spezielle Genehmigungspflicht. Das bedeutet: alle Bauherren, die dort tätig werden und das äußere Erscheinungsbild von Gebäuden ändern, abreißen oder neu bauen wollen, benötigen eine gesonderte Genehmigung der Stadtverwaltung. Die Erhaltungsund Gestaltungssatzung ist dabei der Regelkatalog, nach dem der Gemeinderat entscheidet, ob er dem Bauvorhaben zustimmt.
Die Satzung selbst ist dabei ein reines Textwerk. In insgesamt sieben Kapiteln gibt es Aufschluss über den Geltungsbereich, allgemeine Ziele der Satzung und die Vorgaben zur Gebäudegestaltung. Letztere umfassen Dächer, Fassaden, Wandöffnungen wie Türen und Fenster, Anbauten wie Balkone, Sonderanlagen etwa für Photovoltaik, Werbeanlagen, und die Gestaltung von Freiflächen – wobei zu jedem Bereich sehr konkrete Vorgaben festgeschrieben sind. Das letzte Kapitel befasst sich dann mit Ausnahmen und Ordnungswidrigkeiten.
Damit das alles leichter verständlich wird, was konkret gemeint ist, gibt es zudem eine Stadtbildfibel – zusammen mit der Satzung auch auf der städtischen Homepage abrufbar. Das ist quasi das „Handbuch für Bauherren und deren Architekten“. Die Fibel besteht aus dem Satzungstext, der immer auf der rechten Seite abgedruckt ist, und Fotos von Aulendorfer Gebäuden samt Erläuterungen auf der gegenüberliegenden Seite. Dort werden auch Fragen zur wirtschaftlichen Bauweise sowie zum Konflikt zwischen Denkmalschutz und Energieeinsparverordnung behandelt. Grundsätzliches Ziel der Satzung ist es, das historisch gewachsene Stadtbild in seiner typischen Form zu erhalten. Werden neue Häuser gebaut oder alte modernisiert, sollen sie sich im Baustil in die historische Stadtstruktur gut einfügen. Was dabei typisch Aulendorf ist, wurde bereits vor einiger
Konkret geht es mit der Erhaltungssatzung etwa darum, historische Details an den Gebäuden zu erhalten. Das können Hausfiguren sein oder auch historische Ecksteine. Auch Dächer und Dachgauben sind in Aulendorf ein wichtiges Thema. Sie prägen von fern aber auch innerhalb der Innenstadt wegen deren Hanglage die Stadtansicht. Vorherrschend sind Satteldächer, welche die Satzung ebenfalls vorgibt. Ausnahmen sind ausnahmsweise in speziell definierten Fällen möglich. Dazu passend sind etwa auch Dachfenster ein heikles Thema; sie sollten „sehr zurückhaltend (…) eingesetzt werden“. Für erhaltenswerte Gebäude gilt: die Dachform samt Trauf- und Ortgangausbildung muss in dem für das Gebäude
Zeit untersucht und in einer Stadtbildanalyse zusammengefasst (SZ berichtete). Diese zeigte, wie Architektin Petra Zeese, deren Stadtplanungsbüro die Erstellung der neuen Bauregeln planerisch begleitet, typischen Stil erhalten bleiben. Im Bereich Fassaden betont die Satzung die Fachwerkkonstruktion, wenn auch weniger Sichtfachwerk, die eine klare und reduzierte Fassaauch: „Viel Bausubstanz, die nicht unter Schutz steht, aber Veränderungsdruck unterliegt.“
Mit der neuen Satzung wird sich das ändern. Denn sie stellt zahlreiche bestehende Gebäude unter einen de mit sich bringe. In Sachen Außendämmung bei erhaltenswerten Gebäuden gilt: darauf sollte verzichtet und auf eine Innendämmung umgeschwenkt werden. Gleich große, hochformatige, im oberen Hausteil kleiner werdende Fenster gelten laut Satzung als grundsätzlich typisch. Gerade bei Fenstern geht die Satzung ins Details; „Fenster ab einer lichten Öffnungsbreite von 1,30 Meter sind in mindestens zwei stehende Flügel zu unterteilen“, heißt es dort etwa. Auch zu Fensterläden, Rollläden und Jalousien sowie Markisen gibt es genaue Regelungen. Balkone und Wintergärten dürfen an einigen Stellen nur „nach hinten raus“entstehen, an stadtbildprägenden Gebäuden dürfen sie nicht angebracht werden, wenn sie „dem besonderen Schutz, indem sie sie als erhaltenswert und stadtbildprägend einstuft. Rund 150 Hausnummern lassen sich auf dem Satzungsplan in der Innenstadt erkennen, auf die dieser Sonderschutz zeittypischen Baustil“widersprechen.
Und auch in der Farbwahl müssen Maler künftig einmal mehr aufpassen: sowohl die Palette für Putzfarben als auch für Schmuckfarben etwa von Fensterläden und Türen, werden in der Satzung vorgeschrieben. Werbeschriftzüge an Gebäuden, etwa der Name eines Gasthauses, sind zwar grundsätzlich nicht verboten, müssen aber zum Stadtbild passen und den Regeln entsprechen, beispielsweise: „Die Länge der Werbeanlage darf höchstens zwei Drittel der Fassadenbreite überspannen.“Was Art und Höhe des Vorgartenzauns (maximal 1,20 Meter) und Freitreppen oder Hofflächen (sind zu erhalten) anbelangt, gibt die Satzung ebenfalls Regeln vor. (pau) zutrifft. Fast keines dieser Gebäude ist ein echtes und damit bereits geschütztes Baudenkmal. Wer ein solches Haus in seiner äußeren Erscheinungsform verändern oder gar abreißen will, dem sind künftig enge Grenzen gesetzt. Grundsätzlich gilt für stadtbildprägende Gebäude nämlich: Erhaltung hat Vorrang.
Insgesamt werden Bauherren mit der Erhaltungs- und Gestaltungssatzung nicht mehr so viel Spielraum haben, wie zuvor. Die Verwaltung erhofft sich durch die Neuregelung auch, dass Bauherren frühzeitig mit ihren Anliegen vorstellig werden. Sie wüsste dann sehr früh über Bauprojekte Bescheid und könnte bei Zeiten auf etwaige Satzungsziele hinweisen. Die Erhaltungs- und Gestaltungssatzung räumt der Stadt indes auch ein, ein Baugebot zu erlassen. Damit kann sie Bauherren, die sich nach dem Abbruch eines Gebäudes und erteilter Genehmigung mit dem Neubau zu viel Zeit lassen und im Stadtbild eine Lücke hinterlassen, zum Handeln drängen. Und sollten sich Bauherren nicht an die Spielregeln halten, gibt die Satzung der Verwaltung ein Sanktionsinstrument an die Hand: Ein Verstoß gegen die Satzung ist eine Ordnungswidrigkeit und kann mit einer Geldbuße bis zu 100 000 Euro geahndet werden.
Das letzte Wort hat indes der Gemeinderat, der auch über etwaige Ausnahmen entscheiden kann. Das Gremium hat über den Satzungsentwurf bereits Anfang März beraten und ihm letztlich mit großer Mehrheit zugestimmt. Vor allem die strengen Regeln zu Solaranlagen stießen dabei auf Widerstand. Derzeit sieht der Entwurf vor, dass erhaltenswerte und stadtbildprägende Gebäude gar nicht, Neu- und Umbauten nur in Ausnahmefällen mit Solaranalgen ausgestattet werden dürfen. Auch die Regelung, dass bei Neubauten, die von den Satzungsregeln abweichen sollen, ein Architektenwettbewerb mit mindestens fünf Teilnehmern fällig wird, wurde unter dem Kostenaspekt kritisiert. Letztlich einigte sich der Rat auf drei Teilnehmer.
Derzeit ist der Satzungsentwurf öffentlich ausgelegt – auf der Homepage der Stadt. Wer im Rathaus einen Blick in die Unterlagen werfen will, muss derzeit vorab telefonisch einen Termin vereinbaren.
Bürger haben noch bis kommenden Donnerstag, 30. April, Gelegenheit, Stellungnahmen zum Entwurf einzureichen. Diese werden im weiteren Verfahren abgewogen. Die ein oder andere Formulierung der Satzung wird sich daher wohl noch ändern und präzisiert werden, bevor die endgültig in Kraft tritt.