Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Wie Ravensburg dem Luftkrieg entging
Vor 75 Jahren wurde die Türmestadt zum letzten Mal von alliierten Bombern angegriffen
RAVENSBURG - Fünf Mal ist die Stadt Ravensburg im Zweiten Weltkrieg von alliierten Flugzeugen aus bombardiert worden. Auch wenn die Schäden relativ glimpflich waren, kamen dabei Zivilisten ums Leben. Der letzte Luftangriff auf die Stadt jährt sich am Sonntag; er war am 26. April 1945 – zwei Tage vor dem Einmarsch der Franzosen.
Seine Randlage im ländlichen Oberschwaben und das weitgehende Fehlen von kriegswichtiger Industrie rettete Ravensburg im Zweiten Weltkrieg. Ganz im Gegensatz zur Nachbarstadt Friedrichshafen, die im März und April 1944 bei verheerenden Luftangriffen in Schutt und Asche gelegt wurde.
Dennoch war der Kriegszustand auch in Ravensburg allgegenwärtig zu spüren. In der Stadt gab es mehrere Lazarette für Kriegsverwundete, unter anderem im Klösterle und in Weißenau. Bis zum Kriegsende nahmen die Lazarette der Stadt fast 14 000 Verletzte auf.
Doch im Lauf der Jahre kamen neben den Soldaten noch weitere Menschen nach Ravensburg. Ausgebombte und evakuierte Familien aus Großstädten, Geflüchtete, aber auch Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter. Dadurch wuchs die Bevölkerung in den Kriegsjahren um über 2000 Personen. Die Zahl der Zwangsarbeiter, die Mehrzahl davon Russen, soll um die 3000 gelegen haben, exakte Daten gibt es dazu nicht. Die Zahl der Kriegsgefangenen in Ravensburg lag weit darunter, Historiker schätzen sie auf rund 400.
Vor allem in den letzten beiden Kriegsjahren kam es in Ravensburg verstärkt zu Luftalarmen, dokumentiert sind 57 Alarme 1944 und 28 Alarme in den letzten Kriegsmonaten 1945. Das erste der fünf Bombardements der Stadt war bereits in der Nacht vom 16. auf den 17. August 1940. Getroffen wurde die Schussensiedlung; Menschen kamen nicht zu Schaden.
Auch bei der zweiten Attacke am
29. August 1942 wurde kein Zivilist getötet, dennoch zerstörten Brandbomben 26 Gebäude, darunter die Brauerei Leibinger, und machten fast 100 Ravensburger vorübergehend obdachlos. Die ersten beiden Ravensburger starben bei einem englischen Tieffliegerangriff am 24. Juli 1944 am Bahnhof. Auch bei einem US-Bombardement am 9. April 1945 kamen, wieder im Bereich des Bahnhofs, zwei Menschen ums Leben.
Zwei Tage, bevor die französische Armee die Stadt einnahm und auf dem Rathaus die Trikolore hisste, griffen US-Flieger Ravensburg am
26. April 1945 an, sie trafen dabei auch das Gefängnis des Amtsgerichts
in der Herrenstraße, wobei (je nach Quellenangabe) 16 bis 22 Häftlinge und zwei weitere Zivilisten starben.
Historiker sind sich einig, dass Ravensburg durch seine Randlage und das Fehlen bedeutender kriegswichtiger Industrie im alliierten Luftkrieg relativ glimpflich davonkam. Als weiterer wichtiger Grund wird aber auch das Gebäude der Württembergischen Warenzentrale (WüWa) in der Escher-Wyss-Straße genannt. Das mächtige Bauwerk ist seit 2011 Kulturdenkmal, vielen Ravensburgern ist es auch unter dem Namen „WLZ-Gebäude“ein Begriff.
Dieses Haus wurde im Frühjahr 1945 ein Auslieferungslager mit Lebensmittelrationen für alliierte Kriegsgefangene. Es stand dadurch quasi unter dem Schutz des Internationalen
Komitees des Roten Kreuzes. Die Dachseiten des Gebäudes wurden mit riesigen Symbolen, dem Roten Kreuz und dem Schweizerkreuz, bemalt, sodass Flugzeuge schon von Weitem erkennen konnten, dass sich hier eine Hilfseinrichtung befindet. Die Westmächte wurden zudem über die Aktivitäten in Ravensburg unterrichtet mit der Bitte, von Fliegerangriffen abzusehen.
Am 14. April 1945 kamen die ersten Güterwaggons mit Lebensmittelpaketen für die alliierten Gefangenen in dem 1922 erbauten Gebäude in der Escher-Wyss-Straße an. Auf der Kuppelnau stationierte Rotkreuz-Lastwagen verteilten sie daraufhin. Nach Schätzungen lebten in der weiteren Umgebung zu diesem Zeitpunkt über 250 000 Kriegsgefangene.