Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Corona trifft städtische Haushaltsplanung
Ergebnishaushalt wird wohl nicht ausgeglichen werden können – Viele Fragen zu Projekten
BAD WALDSEE - Die Corona-Krise wirkt sich auf sämtliche Lebens- und Arbeitsbereiche aus. Auch der Bad Waldseer Haushalt ist von den Auswirkungen des Virus betroffen. Wie? Das hat Beate Bringmann, Fachbereichsleiterin Finanzen, während der jüngsten Gemeinderatssitzung aufgezeigt.
Wie Bringmann einleitend erläuterte, hat die Stadt Bad Waldsee in diesem Jahr einen Gesamtfinanzierungsbedarf von rund 2,8 Millionen Euro. Die positive Nachricht: „Aufgrund hoher Reserven aus den vergangenen Jahren hat die Stadt Bad Waldsee kein aktuelles Liquiditätsproblem.“So weit, so gut. Doch die Corona-Pandemie hat etliche Bereiche des öffentlichen Lebens beinahe zum Erliegen gebracht. Als Beispiele nannte Bringmann die Schulen und Kindertagesstätten, Kultureinrichtungen, Bildungseinrichtungen, Jugendhäuser, Freibäder sowie Gastronomie, Einzelhandel und Hotels. Damit verbunden sind auch städtische Ertragsausfälle, die von Eintrittsgeldern, Kurtaxe und Fremdenverkehrsbeitsag bis hin zu Kita- und Parkgebühren sowie Gewerbesteuer und Landeszuweisungen reichen. „Es kommt zu Einnahmeausfällen aus Einkommenssteuer und Umsatzsteuer.
Eine neue Berechnung der eingeplanten Zuweisungen könne erst nach der Mai-Steuerschätzung stattfinden, erklärte Bringmann und rief zudem in Erinnerung, dass Schutzmaßnahmen aufgrund von Corona zusätzliches Geld kosten. Derzeit prüfe die Stadt den Haushalt 2020 auf verschiebbare Projekte und mögliche Einsparungen im laufenden Betrieb. Wie Bringmann verdeutlichte, können Investitionen teilweise aufgeschoben werden. Im Ergebnishaushalt gebe es aber wenig Einsparpotenzial, weil nur dringend erforderliche Aufwendungen geplant seien. Dann wurde das skizzierte Bild düsterer: „Der Ergebnishaushalt kann voraussichtlich nicht ausgeglichen werden“, meinte Bringmann, fügte aber schnell hinzu, dass in diesem Jahr jedoch Liquidität, also Geld, eingespart werde.
Unter den Gegenmaßnahmen, die die Stadt in dieser Krisensituation ergreifen kann, fand sich auch das Stichwort Kurzarbeit wieder. Konkreter
wurde Bringmann dazu nicht. Ausführlicher wurde sie hingegen bei den Hilfszahlungen des Landes. Hier habe die Stadt Bad Waldsee bisher rund 118 000 Euro erhalten – 53 535 Euro für den Ausfall der Kitagebühren. „Aber diese Summe deckt nicht einmal die Kita-Gebühr für einen Monat“, so Bringmann.
Nichtsdestotrotz möchte die Stadt sich „antizyklisch verhalten“, wie es Bringmann nannte: „Die Stadt soll investieren, um die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen. Daher sollen bereits beschlossene und finanzierte Maßnahmen weitergeführt werden.“Bürgermeister Matthias Henne fügte im Anschluss hinzu, dass er davon abrate, „die Situation zu nutzen, um Grundsatzdiskussionen zu führen oder Ausstiegsklauseln für unbeliebsame Projekte zu finden und diese nun komplett neu zu hinterfragen“.
Edmund Gresser (CDU) bat dennoch darum, gründlich zu prüfen, „welche Investitionen Luxus sind“: „Wir können nicht alles umsetzen, wenn kein Geld da ist. Sonst fehlt es uns bei den Pflichtaufgaben.“Henne nickte und erklärte, dass die MaiSteuerschätzung abgewartet werde, aber „mit Zuschüssen schon bewilligte Projekte nicht eingestampft“werden sollen. Franz Daiber (FW) machte sich ebenfalls dafür stark, dass sämtliche Projekte auf den Prüfstand kommen. Fraktionskollegin Bernadette Behr benannte die aus ihrer Sicht wichtigen Maßnahmen und zählte die Kindergartenkonzeption, Schulentwicklung und Jugendbeteiligung auf. Dazu Henne: „Ja, hier spürt man einen Bedarf, und wir werden trotz Corona daran arbeiten.“
Markus Leser (Grüne) rief zur Vorsicht auf: „Bevor Mitarbeiter entlassen werden, müssen Projekte aufgeschoben werden.“Als Musterbeispiel nannte er das Vorgehen der Städtischen Rehakliniken, „die vorsichtig an die Sache rangegangen sind“. Oskar Bohner (FW) sprach sich für die Fortführung der Projekte „Altstadt für Alle“und den Aufbau des Nahwärmenetzes der Stadtwerke aus. Bürgermeister Henne erläuterte, dass diese Projekte intensiv geprüft würden, eine Diskussion darüber jetzt der falsche Zeitpunkt wäre. Dennoch appellierte Stefan Senko (FW) daran, mit den Zuschussgebern, also dem Bund, zu sprechen und um auf Aufschub zu bitten. „Warum muss man Projekte in dieser Zeit in so enge Zeitkorsette zwängen“, fragte Senko. Dass es bereits Gespräche gegeben habe, entgegnete Henne und ergänzte: „Auch beim Bund gilt das antizyklische Verhalten, und deswegen ist man mit Nachdruck hinterher, dass sich die Zuschüsse in Investitionen widerspiegeln.“
Auf das antizyklische Verhalten ging Tobias Lorinser (CDU) ein und forderte Investitionen „nicht mit der Gießkanne, sondern punktuell und priorisiert“. Derzeit gebe es Branchen, deren Existenz bedroht ist, und dort gelte es zu investieren. „Es ist Fingerspitzengefühl gefragt – auch zwischen Gaspedal und Bremse“, bekräftigte Henne die Wortbeiträge der Stadträte. Rita König (SPD) bat darum, den Markenprozess vorerst einzustellen. Wilhelm Heine (CDU) wollte den Breitbandausbau vorangetrieben wissen, und Jörg Kirn (Grüne) forderte, die KlimaschutzBemühungen aufrechtzuerhalten. „Das sind schließlich keine Ausgaben, sondern Investitionen in die Zukunft“, so Kirn. Bernhard Schultes (FW) bat darum, die städtischen Projekte in einer Übersicht aufgelistet zu bekommen.
Zum Abschluss machte Bürgermeister Henne deutlich, dass es in allen Fachbereichen aufgrund von Corona zu Verzögerungen kommen werde, weil die Mitarbeiter mit der Aufarbeitung dieses Themas beschäftigt sind. Außerdem verkündete das Stadtoberhaupt, dass es Überlegungen zur Unterstützung des Einzelhandels und der Gastronomie gebe. „Bitte vergessen Sie die Kulturschaffenden nicht“, sagte Behr dazu und Henne nickte.