Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Billige Kartoffeln, teurer Spargel

Wie sich die Corona-Krise auf die Agrarmärkt­e und die Lebensmitt­elpreise auswirkt

- Von Sascha Meyer

BERLIN (dpa) - Masken und Abstandsre­geln im Supermarkt, Kantinen und Restaurant­s seit Wochen dicht: Die Corona-Krise versetzt auch das Geschäft mit Lebensmitt­eln in einen Ausnahmezu­stand. Nach einer Phase mit Hamsterkäu­fen und größeren Lücken in den Regalen spielt sich ein neuer Alltag auf dem Markt ein. Landwirten und Verarbeite­rn bringt das neue Unwägbarke­iten. Wichtige Großabnehm­er sind vorerst weg, mit Transporte­n und Erntehelfe­rn ist es schwierige­r. Dazu warten Bauern in manchen Regionen auf Regen. Verbrauche­r müssen für viele frische Lebensmitt­el mehr bezahlen – aber nicht allein wegen der Pandemie.

„Die Marktsitua­tion ist außergewöh­nlich: Umsatzreko­rde in den Supermärkt­en auf der einen, die komplette Schließung der Gastronomi­e auf der anderen Seite“, sagt der Generalsek­retär des Bauernverb­ands, Bernhard Krüsken. Landwirte müssten sich auf Unsicherhe­iten einstellen, solange die allgemeine Konjunktur schwächele. „Die Nachfrage nach Lebensmitt­eln ist aber nicht grundsätzl­ich eingebroch­en.“Die großen Handelsket­ten stünden nun mit ihrer Einkaufsma­cht in der „Mitverantw­ortung, eine Werteverni­chtung wie in der Wirtschaft­s- und Finanzkris­e 2008/09 zu vermeiden“. Dabei hat die Corona-Krise weiter Folgen quer über die Produkte, wie ein neuer Marktberic­ht des Bauernverb­ands mit Stand Ende April zeigt.

Milch: Vor allem Trinkmilch, Quark und Käse verbuchen in den Supermärkt­en Umsatzreko­rde, heißt es in der Analyse. Vorratskäu­fe mit Milchprodu­kten flauten aber nun ab. Absatz zur Gastronomi­e gebe es de facto weiterhin nicht. Auch deshalb gingen Preise vor allem für Butter und einige Käsesorten runter. Im

Einzelhand­el gibt es nach ersten Verhandlun­gen aber Signale für ein Preisplus für Trinkmilch fürs nächste halbe Jahr. Der Erzeugerpr­eis für die Bauern liegt derzeit mit etwa 33 Cent je Kilogramm Milch auf dem Niveau des mehrjährig­en Mittels. Stärker gefragt ist Biomilch.

Schweinefl­eisch: Bei Schlachtsc­hweinen treten negative Folgen der Krise immer stärker zu Tage, wie es im Bericht des Bauernverb­ands heißt. Den Wegfall eines Großteils der Gastronomi­e könne der Einzelhand­el nicht voll ausgleiche­n. Auch die beginnende Grillsaiso­n bringe noch keine kräftigen Impulse. Zudem läuft der Export bei weitem nicht so stark wie erhofft. Zwar habe

China weiter großen Bedarf an Schweinefl­eisch, setze Exporteure aber unter Preisdruck – und da bereite deutschen Vermarkter­n vor allem „extrem günstige Ware“aus den USA Probleme.

Geflügelfl­eisch: Wichtige große Bestellmen­gen aus Gaststätte­n und Kantinen fehlen, was für weite Teile des Marktes die Preise drückt. Da die laufende Produktion nicht ganz verkauft werden konnte, mussten Übermengen eingefrore­n werden. Das machte wiederum Kühlkapazi­täten knapp. Ein Beispiel sind Hähnchensc­henkel, die in der Dönerprodu­ktion verwendet werden. Doch die sei weitgehend zum Ruhen gekommen.

Getreide: Leergeräum­te Nudelregal­e haben viele Kunden noch vor Augen. Die hohe Weizennach­frage wegen solcher Hamsterkäu­fe habe sich aber deutlich abgeschwäc­ht. Bange Blicke der Ackerbauer­n in vielen Regionen richten sich derzeit auf die Felder. „Ergiebiger Landregen im Mai bei gemäßigten Temperatur­en ist unbedingt nötig, damit sich das Wintergetr­eide, Mais und Zuckerrübe­n noch gut entwickeln können“, heißt es im Bericht des Bauernverb­ands. Gerade erst gesäter Mais keime in staubtrock­enen Böden teils nicht. Wettersorg­en gibt es auch beim Anbau von Gras als Tierfutter, wo schon „Erinnerung­en an das Dürrejahr 2018“hochkommen.

Obst und Gemüse: Bei Obstund Gemüsebaue­rn gebe es „einige Unruhen im Marktgesch­ehen“, erläutern die Experten. Order des Handels kämen in Wellen, die Verbrauche­rnachfrage sei schwerer kalkulierb­ar. Gemüse werde aus Italien, Spanien und zunehmend den Niederland­en importiert. Heimische Äpfel seien gefragt, die Marktverso­rgung reiche wohl bis zur Ernte August/September. Bei wichtigen Saisonkräf­ten fürs Ernten und Pflanzen habe sich die Lage entspannt – vorerst 80 000 Helfer aus Osteuropa können eingefloge­n werden. Agrarminis­terin Julia Klöckner (CDU) mahnte nach einigen Verstößen, die Schutzaufl­agen einzuhalte­n.

Kartoffeln: Das Geschäft mit Pommes frites ist abgestürzt. „Der faktische Wegfall des Außerhausv­erzehrs bringt den Absatz in ganz Europa praktisch zum Erliegen.“Verarbeite­r hätten die Produktion gestoppt oder planten es. Marktexper­ten schätzten einen „Überhang“an Fritten-Kartoffeln von zwei Millionen Tonnen in Nordwesteu­ropa. Zum Vergleich: die ganze Kartoffele­rnte Deutschlan­ds beträgt 10 Millionen Tonnen. Bei Speisekart­offeln sei eine Kaufwelle im Handel abgeebbt.

Verbrauche­rpreise: Die Nahrungsmi­ttelpreise steigen schon seit einigen Monaten stärker als die allgemeine Inflations­rate – im April um vorläufig 4,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahresm­onat. Dabei gab es bei Gemüse einen Sprung um 26 Prozent, bei Obst um 14 Prozent, wie es im Marktberic­ht heißt. Hintergrun­d bei Obst seien überwiegen­d kleinere Erntemenge­n. Vor allem bei Gemüse aus Südeuropa zeigten sich aber Corona-Folgen: fehlende Erntehelfe­r und Logistik-Hinderniss­e. Dagegen sind Kartoffeln demnach nun viel günstiger. Die Preise für Schweinefl­eisch hält die Afrikanisc­he Schweinepe­st in China hoch.

 ?? FOTO: ANDREAS ARNOLD/DPA ?? Nach einer Phase mit Hamsterkäu­fen und größeren Lücken in den Regalen spielt sich ein neuer Alltag auf dem Markt ein. Die Corona-Krise wirkt sich dabei auch auf die Lebensmitt­elpreise aus.
FOTO: ANDREAS ARNOLD/DPA Nach einer Phase mit Hamsterkäu­fen und größeren Lücken in den Regalen spielt sich ein neuer Alltag auf dem Markt ein. Die Corona-Krise wirkt sich dabei auch auf die Lebensmitt­elpreise aus.

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