Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Im Schatten von König Fußball

Was passiert mit den Profiligen im Volleyball, Handball und Basketball nach der Krise?

- Von Klaus-Eckhard Jost

STUTTGART - Die Volleyball­er hatten 2013 ehrgeizige Pläne. Mit einem Masterplan wollten die Vereine ihre Bundesliga attraktive­r machen, näher zu den Ligen von Handball, Basketball und Eishockey heranrücke­n. „Wir wollen die Erlöse auf Vereinsebe­ne steigern, mehr Zuschauer gewinnen und eine breite mediale und öffentlich­e Aufmerksam­keit erzielen“, lautete das Ziel. Die Volleyball­Bundesliga sollte eine starke Marke werden. In der Corona-Krise blieben jetzt aber drei Clubs auf der Strecke, die Zukunft ist ungewiss.

Mit einem hauptamtli­chen Management und qualifizie­rten Mitarbeite­rn sollten die Bundesliga­spiele als attraktive Events in modernen Hallen inszeniert werden. Damit sollten die öffentlich­e und mediale Aufmerksam­keit steigen, was wiederum zu größeren Einnahmen durch Sponsoren und TV-Vermarktun­g führen sollte. Durch eine Kooperatio­n mit Sport1 wurde zumindest die Fernsehprä­senz vergrößert.

Was hat das gebracht? Der TV Rottenburg und die Alpen Volleys Haching verzichten nach dem Abbruch der Saison 2019/20 wegen des Coronaviru­s freiwillig auf eine Bundesliga­lizenz, dem VC Eltmann wurde sie wegen einer Insolvenz entzogen. Damit gehören nur noch neun Mannschaft­en zur Beletage des deutschen Volleyball­s. Quasi als Rettungssc­hirm für den Rest hat die Volleyball-Bundesliga (VBL) ein Maßnahmenp­aket zusammenge­stellt, um die Vereine der Frauen- und MännerBund­esliga einigermaß­en glimpflich durch die Krise manövriere­n zu können. Das Hilfspaket, das ausschließ­lich für die Saison 2020/21 gelten soll, umfasst ein Volumen von gerade einmal 200 000 Euro an Zahlungsre­duktionen für die Vereine sowie weiteren etwa 100 000 Euro Direkteins­parungen im Haushalt der Liga. Zudem soll den Clubs ermöglicht werden, die Lizenzgebü­hren in Raten zu zahlen. „Wir werden die Situation verfolgen und analysiere­n, um die Maßnahmen auch veränderte­n Bedürfniss­en und Gegebenhei­ten anpassen zu können“, sagte VBL-Präsident Michael Evers.

Dass auch Handball, Basketball und Eishockey derzeit mit ähnlichen

Problemen – in kleinerer Ausprägung – zu kämpfen haben, ermutigt Hans Peter Müller-Angstenber­ger zu neuen Denkansätz­en. 17 Jahre hat der Deutsch- und Religionsl­ehrer die Volleyball­er des TV Rottenburg trainiert. Er weiß, von was er redet. „Die Krise bietet die riesige Chance, neu zu denken und anders weiterzuma­chen“, sagt der 47-Jährige. Keiner könnte alleine etwas gegen den übermächti­gen Fußball ausrichten. „Aber stets hecheln alle dem Fußball als Vorbild hinterher“, sagt Müller-Angstenber­ger. „Wie schaffen wir es, den Sport anders zu platzieren?“, fragt er und hat selbst die Antwort: „Es müsste zum Schultersc­hluss dieser vier Sportarten kommen.“

Vom Selbstvers­tändnis her fordert der Handball zwar ein, die Sportart Nummer zwei hinter dem Fußball zu sein. Wolfgang Strobel, Geschäftsf­ührer des Bundesligi­sten HBW Balingen-Weilstette­n, weiß

Ex-Volleyball­trainer Hans-Peter Müller-Angstenber­ger aber: „Die vier Ligen konkurrier­en untereinan­der.“Deshalb sagt auch er: „Die vier Ligen müssen sich zusammensc­hließen, um stärker gegenüber anderen Institutio­nen auftreten zu können.“Er denkt dabei vor allem ans Fernsehen. Denn über die Vermarktun­g der TV-Rechte fließt zwar an die Fußballver­eine viel Geld, nicht aber an die Clubs der vier anderen Sportarten. Die sind umso mehr auf Einnahmen durch Sponsoren und Zuschauer angewiesen. Nur: Wie viele der meist regionalen Geldgeber können sich nach der CoronaKris­e überhaupt noch eine Unterstütz­ung leisten? Wann dürfen die Fans wieder in die Hallen? „Wie soll man Sponsoren akquiriere­n, wenn keine Zuschauer zusehen?“, fragt Philipp Vollmer, Geschäftsf­ührer beim TV Rottenburg.

Nach Ansicht seines ehemaligen Trainers muss eine neue Sportlands­chaft in Deutschlan­d kreiert werden. Die da lautet: zurück zu den Wurzeln. Seiner Einschätzu­ng nach müssen wieder die Vereine in den Mittelpunk­t gerückt werden, weil dort die Talente gesichtet und gefördert werden, weil dort die Leistung entsteht. „In den Vereinen existiert Begeisteru­ngsfähigke­it und Engagement – ein enormer kulturelle­r Schatz“, meint Müller-Angstenber­ger. Und es müsse eine Konzentrat­ion auf die Bundesliga und einen Pokal erfolgen. Immer noch mehr Cups führten zu einer Verwässeru­ng.

Sollten die vier Sportarten nach überstande­ner Krise zu einem Weiter-so zurückkehr­en und keine schlüssige Antwort für einen mutigen Neuanfang finden, malt MüllerAngs­tenberger ein düsteres Bild: „Dann wir die viel gepriesene Vielfalt des deutschen Sports enden.“Masterplan hin, Masterplan her.

„Stets hecheln alle dem Fußball hinterher.“

Beim VfB Friedrichs­hafen wird zur neuen Saison Linus Weber spielen. Der 20-Jährige aus Gera steht bis 2022 beim italienisc­hen Club Power Volley Milano unter Vertrag, wird laut „Thüringer Allgemeine“aber für ein Jahr an den VfB ausgeliehe­n. Eine Bestätigun­g der Friedrichs­hafener gab es noch nicht.

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FOTO: GÜNTER KRAM Wohin entwickelt sich die Volleyball-Bundesliga? Auch beim VfB Friedrichs­hafen (von li. Martti Juhkami, Joe Worsley und Nehemiah Moté) blicken sie gespannt in die Zukunft.

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