Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
In Italiens Städte kehrt etwas Leben zurück
Volle Busse, halbleere Plätze: Wie das Land den Beginn der „Phase zwei“erlebt
ROM - Mit Spannung war dieser Montag erwartet worden, der Beginn der „Phase zwei“. Nach rund acht Wochen strenger Ausgangssperre und Polizeikontrollen rund um die Uhr durften die Menschen im von der Coronavirus-Krise besonders hart getroffenen Italien endlich wieder aus dem Haus. Allerdings mit genauen Auflagen. Erlaubt sind jetzt Besuche bei Verwandten aber nicht bei Freunden, der Weg zum Arbeitsplatz, Joggen und Besuche in Parks.
Etwa 4,5 Millionen Menschen kehrten an ihre Arbeitsplätze zurück. Allein im Großraum Mailand öffneten rund 104 000 Kleinunternehmen und Geschäfte wieder, darunter 25 000 Bauunternehmen und 21 000 Industriebetriebe. Tausende von Süditalienern, die aufgrund des Lockdowns in Norditalien bleiben mussten, nahmen am Montag Züge und Busse, um zu ihren Familien zurückzukehren.
Wenn die Zahl der Neuinfektionen und der durch Coronavirus verursachten Todesfälle weiter fallen wird, werden ab 18. Mai weitere Lockerungen Realität werden. Doch viele Virologen befürchten das Gegenteil.
Bereits am Wochenende vor dem 4. Mai machten im Fernsehen und auf den sozialen Netzwerken Fotografien und Videos die Runde, die zahllose Menschen zeigten, die vor allem in den dicht besiedelten Stadtrandvierteln der Großstädte zusammen spazieren gingen oder beieinander standen, meist ohne Gesichtsmasken.
Vor den Phase zwei war tagelang heftig darüber diskutiert worden, ob Spaziergänge und Besuche auch von Freunden erlaubt sind. In diesem und in anderen Fällen gelang es der Regierung allerdings nicht, klare Aussagen zu treffen.
So sind Spaziergänge offiziell verboten, auch wenn einige Regierungsaussagen sie erlauben. Erlaubt ist auf jeden Fall „sportliche Bewegung“. Was das genau bedeutet, wurde allerdings nicht erklärt.
So stellte die kontrollierende Polizei einem 76-jährigen Römer, der langsam spazieren ging, einen Strafzettel aus. Seine Rechtfertigung, wonach er aufgrund körperlicher Probleme weder joggen noch schnell gehen könne, wurde von den Polizisten nicht akzeptiert.
Aus diesem Grund kleidete sich der Korrespondent der „Schwäbischen Zeitung“am Montag für seinen lang erwarteten Spaziergang durch das historische Zentrum Roms mit T-Shirt, Sporthose und Joggingschuhen – und ging spazieren. Im Notfall hätte man einem kleinlichen Polizisten sagen können, dass man gerade eine Verschnaufpause nach dem Joggen mache.
Wie befürchtet, kam es am Montag, vor allem in Rom, in den öffentlichen Verkehrsmitteln zu Szenen, die Virologen erschrecken. Obwohl Busse, Bahnen und U-Bahnen nur noch rund ein Drittel aller Gäste befördern dürfen, standen die Fahrgäste eng beieinander, oft ohne Masken. In den meisten Fällen kontrollierten weder die Fahrer noch zu Kontrollen abgestelltes Personal.
In den historischen Stadtzentren von Mailand, Florenz und Rom ging es dagegen unerwartet ruhig zu.
Das totale Fehlen von Touristen und die Tatsache, dass die Mitarbeiter vieler in den Innenstädten angesiedelter Unternehmen und Behörden – und in Rom auch die der Ministerien – aus dem Homeoffice arbeiteten, verhinderte das erwartete Verkehrschaos.
Das historische Zentrum Roms präsentierte sich bei einem langen Spaziergang belebter als in den vergangenen acht Wochen – aber mit einem fast kleinstädtischen Charme. Das Einkaufen auf dem wieder geöffneten und üblicherweise von Touristen überlaufenen Markt auf dem Campo de’ Fiori war ein Vergnügen. Allerdings sind die Kaffeebars weiter geschlossen, den Cappuccino müssen die Menschen weiter im Stehen trinken.