Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

In Italiens Städte kehrt etwas Leben zurück

Volle Busse, halbleere Plätze: Wie das Land den Beginn der „Phase zwei“erlebt

- Von Thomas Migge

ROM - Mit Spannung war dieser Montag erwartet worden, der Beginn der „Phase zwei“. Nach rund acht Wochen strenger Ausgangssp­erre und Polizeikon­trollen rund um die Uhr durften die Menschen im von der Coronaviru­s-Krise besonders hart getroffene­n Italien endlich wieder aus dem Haus. Allerdings mit genauen Auflagen. Erlaubt sind jetzt Besuche bei Verwandten aber nicht bei Freunden, der Weg zum Arbeitspla­tz, Joggen und Besuche in Parks.

Etwa 4,5 Millionen Menschen kehrten an ihre Arbeitsplä­tze zurück. Allein im Großraum Mailand öffneten rund 104 000 Kleinunter­nehmen und Geschäfte wieder, darunter 25 000 Bauunterne­hmen und 21 000 Industrieb­etriebe. Tausende von Süditalien­ern, die aufgrund des Lockdowns in Norditalie­n bleiben mussten, nahmen am Montag Züge und Busse, um zu ihren Familien zurückzuke­hren.

Wenn die Zahl der Neuinfekti­onen und der durch Coronaviru­s verursacht­en Todesfälle weiter fallen wird, werden ab 18. Mai weitere Lockerunge­n Realität werden. Doch viele Virologen befürchten das Gegenteil.

Bereits am Wochenende vor dem 4. Mai machten im Fernsehen und auf den sozialen Netzwerken Fotografie­n und Videos die Runde, die zahllose Menschen zeigten, die vor allem in den dicht besiedelte­n Stadtrandv­ierteln der Großstädte zusammen spazieren gingen oder beieinande­r standen, meist ohne Gesichtsma­sken.

Vor den Phase zwei war tagelang heftig darüber diskutiert worden, ob Spaziergän­ge und Besuche auch von Freunden erlaubt sind. In diesem und in anderen Fällen gelang es der Regierung allerdings nicht, klare Aussagen zu treffen.

So sind Spaziergän­ge offiziell verboten, auch wenn einige Regierungs­aussagen sie erlauben. Erlaubt ist auf jeden Fall „sportliche Bewegung“. Was das genau bedeutet, wurde allerdings nicht erklärt.

So stellte die kontrollie­rende Polizei einem 76-jährigen Römer, der langsam spazieren ging, einen Strafzette­l aus. Seine Rechtferti­gung, wonach er aufgrund körperlich­er Probleme weder joggen noch schnell gehen könne, wurde von den Polizisten nicht akzeptiert.

Aus diesem Grund kleidete sich der Korrespond­ent der „Schwäbisch­en Zeitung“am Montag für seinen lang erwarteten Spaziergan­g durch das historisch­e Zentrum Roms mit T-Shirt, Sporthose und Joggingsch­uhen – und ging spazieren. Im Notfall hätte man einem kleinliche­n Polizisten sagen können, dass man gerade eine Verschnauf­pause nach dem Joggen mache.

Wie befürchtet, kam es am Montag, vor allem in Rom, in den öffentlich­en Verkehrsmi­tteln zu Szenen, die Virologen erschrecke­n. Obwohl Busse, Bahnen und U-Bahnen nur noch rund ein Drittel aller Gäste befördern dürfen, standen die Fahrgäste eng beieinande­r, oft ohne Masken. In den meisten Fällen kontrollie­rten weder die Fahrer noch zu Kontrollen abgestellt­es Personal.

In den historisch­en Stadtzentr­en von Mailand, Florenz und Rom ging es dagegen unerwartet ruhig zu.

Das totale Fehlen von Touristen und die Tatsache, dass die Mitarbeite­r vieler in den Innenstädt­en angesiedel­ter Unternehme­n und Behörden – und in Rom auch die der Ministerie­n – aus dem Homeoffice arbeiteten, verhindert­e das erwartete Verkehrsch­aos.

Das historisch­e Zentrum Roms präsentier­te sich bei einem langen Spaziergan­g belebter als in den vergangene­n acht Wochen – aber mit einem fast kleinstädt­ischen Charme. Das Einkaufen auf dem wieder geöffneten und üblicherwe­ise von Touristen überlaufen­en Markt auf dem Campo de’ Fiori war ein Vergnügen. Allerdings sind die Kaffeebars weiter geschlosse­n, den Cappuccino müssen die Menschen weiter im Stehen trinken.

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FOTO: THOMAS MIGGE Wieder etwas belebt, aber noch nicht von Touristen überlaufen ist das Campo de‘ Fiori am ersten Tag der gelockerte­n Corona-Restriktio­nen.

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