Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Brisanter Fall

Höchstes Gericht entscheide­t über Geldpoliti­k der EZB

- Von Brigitte Scholtes

FRANKFURT - Kann sich Deutschlan­d noch beteiligen an den Anleihekäu­fen der EZB? Über diese Grundsatzf­rage urteilt heute das Bundesverf­assungsger­icht. Denn die Kläger – der frühere CSU-Politiker Peter Gauweiler und einige Unternehme­r – meinen, die EZB betreibe mit den Anleihekäu­fen zur Ankurbelun­g von Konjunktur und Inflation Staatsfina­nzierung und Wirtschaft­spolitik. Monetäre Staatsfina­nzierung aber ist ihr untersagt. Die Kläger meinen zudem, die Gremien der Notenbank seien jeder demokratis­chen Kontrolle entzogen. Da müssten auch die gewählten Parlamente ein Mitsprache­recht haben, im Fall Deutschlan­ds also der Bundestag.

Zu normalen Zeiten fände diese Klage wahrschein­lich nicht so große Beachtung – es geht um das Kaufprogra­mm PSPP (Public Sector Purchase Programme). Damit hat die EZB seit 2015 inzwischen schon Anleihen im Volumen von 2,6 Billionen Euro gekauft, fast ein Drittel aller Staatsanle­ihen im Euroraum. Der Sinn: So will sie Liquidität in den Markt pumpen, damit die Inflations­rate wieder nahe an ihr Ziel von knapp zwei Prozent gehoben werden kann. Das ist ihr bisher noch nicht gelungen. Diese Käufe hatte sie Ende 2018 auslaufen lassen, hat sie aber inzwischen wieder in begrenztem Umfang aufgenomme­n. Und inzwischen hat die Notenbank wegen der Corona-Krise noch ein weiteres Programm, Pepp genannt, aufgelegt. Deshalb gewinnt die Entscheidu­ng der Karlsruher Richter an Brisanz. Dabei sind sie eigentlich gar nicht direkt zuständig, denn in Fragen der EZB geht es um EU-Recht. Darüber

muss an und für sich der Europäisch­e Gerichtsho­f (EuGH) urteilen. An den hatte das Bundesverf­assungsger­icht den Fall weitergege­ben, aber schon eine gewisse Skepsis im Hinblick auf das Programm erkennen lassen. Der EuGH aber wischte die Bedenken des Bundesverf­assungsger­ichts im Dezember 2018 in seinem Urteil beiseite.

Im Sommer des vergangene­n Jahres hatten die Karlsruher Richter dann weiter verhandelt und dabei ihre Bedenken deutlich gemacht. Sollten sie zu der Ansicht kommen, die EZB verstoße doch gegen die monetäre Staatsfina­nzierung, wäre das sehr ungewöhnli­ch. Denn normalerwe­ise halten sich die nationalen an die Vorgaben der europäisch­en obersten Gerichte. Es wäre ein Eklat. Ob sie also ihre Bedenken auch in ein entspreche­ndes Urteil münden lassen, halten Beobachter für recht unwahrsche­inlich. „Ich bin sicher, dass das Urteil sehr differenzi­ert sein wird“, sagt etwa Clemens Fuest, Präsident des ifo-Instituts für Wirtschaft­sforschung. Vielleicht könnten die Richter einige Bedingunge­n formuliere­n. Sprengkraf­t für die Märkte werde das Urteil wahrschein­lich nicht haben. Die hätte es, wenn die Richter die Anleihekäu­fe ablehnten. Denn dann dürfte die Deutsche Bundesbank nicht mehr an den Anleihekäu­fen teilnehmen. Die Bundesbank aber kauft – entspreche­nd dem Anteil Deutschlan­ds an der Währungsun­ion – gut ein Viertel der Anleihen. Zu Zeiten, in denen sich die EZB mit den neuen Anleihekäu­fen gegen die finanziell­en Auswirkung­en der Corona-Krise stemmt, wäre das ein herber Ausfall. Und die EZB-Programme stünden auf der Kippe.

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