Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Desinfizieren, Waschen, Schneiden: Waldseer Friseure wieder geöffnet
Viele Salons sind bis Ende Mai ausgebucht – Handwerksbetriebe setzten Hygiene- und Schutzvorgaben um
BAD WALDSEE - Die Corona-Matte muss ab: Auch die Kunden der Waldseer Friseure können es kaum erwarten, bis flinke Hände und scharfe Scheren Ordnung schaffen auf den Struwwelpeter-Köpfen. Entsprechend groß war der Andrang in den Salons, die am Montagmorgen mit Desinfizieren, Waschen und Schneiden an den Start gingen. Föhnen gestatten die Hygieneauflagen ebenso wenig wie Kaffeeausschank und Zeitschriftenlektüre. Die SZ schaute sich in drei Geschäften um. Die meisten anderen Salons folgen am Dienstag. Und alle miteinander haben rappelvolle Terminkalender.
Bereits ab 7 Uhr in der Früh erlösten Vera Frick und ihre Mitarbeiterin Mirjam Hiller die ersten Kunden von ihren Haaren, die coronabedingt lange keinen Friseur mehr gesehen haben. „Das wird höchste Zeit bei mir“, betont Stefan Graf aus Alttann, während er die vorgeschriebene Haarwäsche genießt, bei „Veras Glückssträhne“in der Hittisweiler Straße.
Danach verpasst ihm die Friseurmeisterin einen pflegeleichten Sommerschnitt,
während Mitarbeiterin Mirjam Hiller – getrennt durch eine große Glasscheibe – den Inhaber der Eisdiele „Italia“shampooniert. Er war zuletzt Anfang Februar beim Friseur und hinterlässt beim Schneiden eine Menge Haupthaar auf dem Boden.
Wer hätte gedacht, dass wir alle einmal ein solches Verlangen haben nach einem Friseurbesuch. Vor dem „Barbershop“in der Wurzacher Straße versammelte sich schon um 8 Uhr ein Grüppchen Herren, die Sehnsucht nach der Schere verspürten. „Wir öffnen erst um 9 Uhr. Aber dann geht es durch bis um 19 Uhr, weil nur drei statt früher fünf Leute parallel einen Schnitt bekommen dürfen, um die Abstände einzuhalten“, erläutert Inhaber Serhat Timur. Die Bartpflege, die seinen männlichen Kunden sehr wichtig ist, muss vorerst ausgesetzt werden. „Dadurch gehen uns leider wichtige Einnahmen verloren“, so Timur.
Auch ein paar Häuser weiter, im Salon von Elisabeth Zechner, klappern die Scheren. „An den Mundschutz muss man sich noch gewöhnen. Aber wir setzen alles so um wie gefordert“, sagt die Inhaberin. Hier wurden bereits für drei Wochen Termine vergeben, weil die Nachfrage der Kundschaft groß ist. Franz Daiber vom gleichnamigen Salon hat noch einen Tag Schonfrist, bevor er am Dienstag loslegt. „Auch bei uns ist schon fast der ganze Monat voll. Und was die Auflagen betrifft, machen wir für uns und unsere Kunden eben das Beste aus der Situation und bleiben positiv.“
Bekanntlich sehen die FriseurRichtlinien des Wirtschaftsministeriums strenge Standards vor, um den Gesundheitsschutz von Angestellten und Kunden während der Corona-Krise zu sichern. So müssen die Salons Vorgaben bei der Terminvergabe, beim Tragen von Schutzmasken und Einwegumhängen sowie bei den Reinigungsintervallen am Inventar umsetzen. Dazu kommen Abstandsregelungen von eineinhalb
Metern zwischen den Friseurstühlen, was die Kapazitäten verringert – und noch einiges mehr. Auf Dienstleistungen wie Bart- und Wimpernpflege gilt es ebenso zu verzichten wie auf das Föhnen. Und die Politik empfiehlt sogar eine „sparsame Unterhaltung“, um Tröpfcheninfektionen zu vermeiden.
Vera Frick und ihre Waldseer Berufskollegen haben sich umfassend vorbereitet und Geld investiert, um die geforderten Hygienemaßnahmen umzusetzen. So trennt in ihrem Betrieb eine fahrbare Trennscheibe das Waschbecken vom Frisierstuhl, der vom zweiten Platz mehr als zwei Meter entfernt ist. An der Kasse wurde ein Spuckschutz installiert. Und die Anzahl ihrer waschbaren Umhänge hat sie drastisch erhöht, weil nach jedem Kunden gewechselt wird. „Aber Hauptsache, es geht jetzt weiter“, freut sich Frick und verabschiedet schon den dritten zufriedenen Kunden mit kurzem Haarschnitt.
Nachdem die Beschaffung von Schutzmasken und Einmalvorhängen aufwendig geworden ist, braucht’s derzeit übrigens viel Fantasie. So hat Friseurmeisterin Susanne Göttlich, die am Dienstag ihr Geschäft in Reute öffnet, 200 Einmalumhänge aus Plastikfolien vom Bauhandel selbst angefertigt. „Im Netz ist längst alles vergriffen oder überteuert. Da muss man ja kreativ werden“, lacht sie.