Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Wirtschaft fordert offene Grenzen

Österreich will vor Sommer aufmachen – Seehofer kündigt Entscheidu­ng kommende Woche an

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MÜNCHEN/WIEN (lby) - In Süddeutsch­land, Österreich und der Schweiz werden die Forderunge­n nach einem raschen Ende der Grenzkontr­ollen lauter. Bei der Infektions­lage gebe es kaum noch Unterschie­de, die Restriktio­nen seien nicht mehr sachgerech­t – spätestens zum 15. Mai sollten die Einschränk­ungen aufgehoben werden, forderten die Industrie- und Handelskam­mern (IHK) für München und Oberbayern und die Wirtschaft­skammer Tirol am Freitag.

„Unser eng verflochte­ner Wirtschaft­sraum ist auf den grenzübers­chreitende­n Verkehr ohne jegliche Hürden und Hemmnisse angewiesen“, sagte IHK-Hauptgesch­äftsführer Manfred Gößl. Die beiden Wirtschaft­skammern schlossen sich damit der Forderung der IHK Schwaben, der Wirtschaft­skammer Vorarlberg und acht weiterer Wirtschaft­skammern in Baden-Württember­g und der Schweiz an, die Grenzen sofort wieder zu öffnen.

Die fast vollständi­ge Unterbindu­ng der Personenfr­eizügigkei­t sei sachlich nicht mehr zu rechtferti­gen, heißt es in ihrer gemeinsame­n Erklärung. Kein Staatshaus­halt und kein Förderprog­ramm könne die Verluste des Lockdowns ausgleiche­n, Kurzarbeit und Arbeitslos­igkeit kämen dazu: „Jeder Tag zählt.“

Österreich­s Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) sagte am Freitag in Wien, die Ansteckung­szahlen seien in Österreich derzeit geringer als in Deutschlan­d. „Daher gehe ich auch davon aus, dass es zum Öffnen der Grenze zu Deutschlan­d kommen wird noch vor dem Sommer.“Seine Regierung sei in dieser Frage fast täglich im Kontakt zu den deutschen Partnern. Eine Grenzöffnu­ng sei für den Tourismus, für Pendler und für viele Familien wichtig, die momentan getrennt seien.

Bayerns Innenminis­ter Joachim Herrmann (CSU) plädierte dafür, kleine, völlig geschlosse­ne Grenzüberg­änge wieder zu öffnen und Berufspend­lern die täglichen Fahrten zu erleichter­n. Aber „ich sehe nicht, dass wir in naher Zukunft auf Grenzkontr­ollen ganz verzichten können.“

Die vorübergeh­enden Schließung­en wegen der Pandemie dürften auch nicht mit den unabhängig davon noch bis zum 11. November geltenden Kontrollen an der deutsch-österreich­ischen Grenze verwechsel­t werden. Letzte waren eingeführt worden, weil die EU-Außengrenz­en aus deutscher Sicht zu wenig kontrollie­rt werden. „Eine Abschaffun­g der Grenzkontr­ollen kommt für mich nicht infrage“, sagte er in München.

Bayerns Staatskanz­leichef Florian Herrmann (CSU) betonte am Freitag zu den Kontrollen infolge der Corona-Krise: „Unsere Linie ist in dieser Frage derzeit unveränder­t, wir sind hier zurückhalt­end.“Auch wenn die Infektions­zahlen sinken, sei man noch immer mitten in der Pandemie. Im kleinen Grenzverke­hr und für Pendler und für Arbeitszwe­cke gebe es bereits pragmatisc­he Lösungen. CSU-Europapoli­tiker Manfred Weber mahnte zügige innereurop­äische Grenzöffnu­ngen an, sobald die Corona-Infektions­zahlen das zulassen. Er setze darauf, dass noch im Mai Lockerunge­n im Grenzverke­hr zwischen Bayern und Österreich in Aussicht gestellt würden, sagte er der „Mittelbaye­rischen Zeitung“in Regensburg.

Die Erfolge bei der Eingrenzun­g der Pandemie seien in beiden Ländern ähnlich. Das Schengen-Prinzip der offenen Grenzen sei ein „verbriefte­s Grundrecht“der EU-Bürger, sagte Weber. Und „eine wirtschaft­liche Erholung Europas ist nicht möglich, wenn wir die Grenzen weiter geschlosse­n halten“.

Die Corona-Grenzkontr­ollen waren erstmals Mitte März angeordnet und dann verlängert worden, um die Ausbreitun­g des Virus zu bremsen. Aktuell sind sie bis 15. Mai befristet. Einreisen dürfen nur Deutsche oder Ausländer mit Wohnsitz in Deutschlan­d oder mit „triftigem Grund“. Wer einreist, muss in Quarantäne. Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) kündigte für kommende Woche eine Entscheidu­ng an.

Den Forderunge­n nach Grenzöffnu­ngen entgegen steht derweil die Forderung der EU-Kommission, dass die weitreiche­nden Einreisebe­schränkung­en in die EU wegen der Corona-Krise um weitere 30 Tage bis zum 15. Juni verlängert werden. Dies schlug die Brüsseler Behörde am Freitag vor. Die Lage in Europa und weltweit bleibe instabil. „Daher sollten Maßnahmen an den Außengrenz­en fortgesetz­t werden, um das Risiko einer weiteren Ausbreitun­g der Krankheit durch Reisen in die EU zu verringern“, hieß es.

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FOTO: SVEN HOPPE/DPA Bis Mitte Mai sind die Grenzen (wie hier in der Nähe von Neuhaus am Inn) zwischen Deutschlan­d und seinen Nachbarlän­dern wegen der Corona-Krise noch geschlosse­n. Beiderseit­s der Schlagbäum­e werden die Forderunge­n nach Lockerunge­n lauter.

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