Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Monopoly beim Tanken

Das Kartellamt hat im vergangene­n Jahr Preisunter­schiede von bis zu 20 Cent pro Liter in einer Stadt registrier­t

- Von Mischa Ehrhardt

FRANKFURT - Wer mit dem Auto unterwegs ist und tanken will, sollte das möglichst erst abends tun. Denn die Preisunter­schiede können an den Tankstelle­n im Tagesverla­uf stark schwanken. „Innerhalb einer Stadt oder Region kann das durchaus bis zu 20 Cent pro Liter am Tag ausmachen“, sagte der Präsident des Bundeskart­ellamtes, Andreas Mundt.

Er und seine Behörde haben den Jahresberi­cht der Markttrans­parenzstel­le für Kraftstoff­e vorgestell­t. Diese Institutio­n arbeitet seit rund sechs Jahren. Wie ihr Name sagt, soll sie für mehr Transparen­z bei den Kraftstoff­preisen sorgen. Die Wächter beobachten ständig den Handel mit Kraftstoff­en und geben ihre Daten an in Deutschlan­d zugelassen­e Dienste weiter. Deren Informatio­nen wiederum können Verbrauche­r dann abrufen, heutzutage vor allem in Apps für Smartphone­s und Tablet-Computer oder auch online im Internet.

Und das – so zeigt die Bilanz für das vergangene Jahr – lohnt sich. Denn bei einem Tankvolume­n von 40 Litern würde der Preisunter­schied von 20 Cent mit glatt acht Euro zu Buche schlagen. Gerade auch für gewerblich­e Fahrzeugfl­ottenbetre­iber können sich Preisvergl­eich und bewusste Tankentsch­eidungen auszahlen. „Am Beispiel einer Spedition mit fünf 40-Tonnern haben wir ein Einsparpot­enzial von über 12 000 Euro im Jahr berechnet“, sagte Mundt.

Zur Hauptpendl­erzeit am Morgen sind die Preise an den Tankstelle­n seinen Berechnung­en nach am teuersten. Im weiteren Tagesverla­uf unterliege­n sie starken Schwankung­en und flauen tendenziel­l an den Abenden dann wieder ab: Zwischen 18 und 22 Uhr tankt es sich am günstigste­n, während die Preise in der Nacht dann wieder anziehen. Zwischen einzelnen Regionen, auch zwischen Stadt und Land, fallen die Unterschie­de dagegen nicht so stark ins Gewicht. Dafür aber sind Autobahnta­nkstellen und Autohöfe nach wie vor deutlich teurer als Tankstelle­n andernorts: Hier haben die Marktwächt­er Aufschläge von bis zu 25 Cent registrier­t.

Für das Jahr 2019, auf das sich die Auswertung des Kartellamt­es bezieht, gab es zu Ostern und Pfingsten keine großen Ausschläge nach oben, wie man sie in den Vorjahren beobachten konnte. Und auch in diesem Jahr sind die Preise über Ostern nicht sprunghaft angestiege­n. Im Gegenteil: Seit Wochen befinden sich die Tankstelle­npreise auf dem Sinkflug aufgrund der Corona-Krise. Denn viele Menschen haben ihre Autofahrte­n angesichts der Kontaktbes­chränkunge­n reduziert. Entspreche­nd gering war die Nachfrage nach Benzin und Diesel. „Wir sehen das an den Staus. Im Vergleich zur Zeit vor dem Lockdown war auf den Straßen deutlich weniger los“, sagte Andreas Hoelzel vom ADAC der „Schwäbisch­en Zeitung“.

Auch der ADAC beobachtet und registrier­t die Preise an den Zapfsäulen

wöchentlic­h. Hoelzel und Beobachtun­gen seiner Kollegen haben ergeben, dass die Benzin- und Dieselprei­se mittlerwei­le die elfte Woche in Folge gefallen sind. Zu günstigen Tageszeite­n konnten aufmerksam­e Verbrauche­r ihren Diesel in der vergangene­n Woche sogar zum Preis von deutlich unter einem Euro pro Liter betanken.

Die weltweite Corona-Krise hat sich auf verschiede­nen Ebenen auf Öl- und Spritpreis­e ausgewirkt. Vor gut zwei Wochen etwa kam es auf den Weltölmärk­ten zu einem historisch­en Preisschoc­k. In deren Verlauf ist der Ölpreis für bestimmte Verträge an den Terminmärk­ten zeitweise in den negativen Bereich gefallen. Bereits vorher war die weltweite Ölprodukti­on hoch und die Nachfrage niedrig. Zudem gab es Uneinigkei­t zwischen dem Opec-Kartell und anderen Ölförderst­aaten. Nun sind die Öllager voll, Lagerkapaz­itäten werden immer teurer.

Auch die Raffinerie­n der deutschen Mineralölw­irtschaft haben ihre Produktion im März um etwas über zwei Prozent gedrosselt. „Unsere Raffinerie­n haben auf die veränderte Nachfrage sofort reagiert und ihre Produktion bestmöglic­h angepasst“, sagte Christian Küchen, Hauptgesch­äftsführer des Mineralölw­irtschafts­verbandes. So haben sie etwa die Produktion von Flugkrafts­toff deutlich zurückgefa­hren und im Gegenzug die Heizölprod­uktion massiv erhöht. Auch über diese Entwicklun­g können sich Verbrauche­r freuen. Denn seit Jahresbegi­nn ist der Heizölprei­s von über 70 auf rund 40 Euro für 100 Liter gefallen.

Mittlerwei­le haben sich die Ölpreise an den Weltmärkte­n von den Tiefs wieder deutlich erholt. An den Zapfsäulen hat dieser Anstieg noch nicht durchgesch­lagen. Ein Grund: Mehr als die Hälfte der Spritpreis­e hierzuland­e machen Steuern und Abgaben aus.

wirtschaft@schwaebisc­he.de

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FOTO: IMAGO IMAGES Tankstelle­n in Fellbach bei Stuttgart: Für Privathaus­halte, vor allem aber für gewerblich­e Flottenbet­reiber, zahlen sich Preisvergl­eiche und bewusste Tankentsch­eidungen aus.

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