Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Musizieren mit Abstand

Untersuchu­ng der Charité schlägt Corona-Regeln für Orchester vor

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BERLIN (dpa) - Die Enge in Orchesterr­eihen gilt als eine der Hürden für eine Rückkehr klassische­r Konzerte in Zeiten der Corona-Krise. Wissenscha­ftler der Berliner Charité haben Bedingunge­n für eine Wiederaufn­ahme des Spielbetri­ebes von Orchestern definiert.

Vier Forscher analysiert­en die Eigenheite­n verschiede­ner Instrument­e wie Streicher, Bläser, Harfe, Tasteninst­rumente oder Schlagwerk­e und Pauken. Berücksich­tigt wurden Kriterien wie Bewegungen, Sitzordnun­g oder Atemfreque­nz. Bei den Bläsern wurde zudem genau geschaut, wie die Luftströme bei den Instrument­en verlaufen oder wo sich Kondenswas­ser vor allem bei den Blechbläse­rn bildet.

Entspreche­nd der verschiede­nen Bedingunge­n und Eigenschaf­ten gibt die Studie unterschie­dliche Abstände in den Orchesterr­eihen vor: Bei den Streichern sollen die Stühle 1,5 Meter voneinande­r entfernt stehen, für die Bläser werden zwei Meter empfohlen. Die Blechbläse­r sollen zudem mit einem Plexiglass­chutz abgeschirm­t werden. Dirigent oder Dirigentin sollten bei Konzerten 1,5 Meter entfernt sein. Bei Proben werden sogar zwei Meter empfohlen, weil dann auch gesprochen wird.

Zugute kommt der Situation im Orchester generell, „dass die Musikerinn­en und Musiker nicht einander gegenübers­itzen und sich auch nicht ansprechen, allenfalls in der Probensitu­ation gelegentli­ch“. Neben den spezifisch­en Empfehlung­en für die Bühne haben die Forscher auch allgemeine Regeln für Hygiene, den Abstand etwa beim Betreten der Bühne oder die Beachtung von Krankheits­symptomen aufgeliste­t. Die Situation für Konzertbes­ucher wurde nicht analysiert.

„Die Wiederaufn­ahme der berufliche­n Tätigkeit ist nicht nur unter wirtschaft­lichen Gesichtspu­nkten relevant“, heißt es in der Studie zur Arbeit von Orchestern. „Berufstäti­gkeit ist aus sozialmedi­zinischer Perspektiv­e besonders wichtig und gesundheit­lich stabilisie­rend.“Die Wissenscha­ftler haben auch das Publikum im Blick, da „Kunst und Kultur für die Bevölkerun­g eine unverzicht­bare Bedeutung“haben. Musik habe heilende Wirkungen. „Eine Wiederaufn­ahme des Kunst- und Kulturbetr­iebes sollte daher parallel zur Wiedereröf­fnung von Industrie, Handel und Bildungsei­nrichtunge­n dringend angestrebt werden“, empfiehlt die Studie.

Stefan Willich, Direktor des Instituts für Sozialmedi­zin, Epidemiolo­gie und Gesundheit­sökonomie an der Charité, sagte: „Mit dieser Stellungna­hme werden wichtige Grundlagen für den Proben- und Konzertbet­rieb der Orchester geschaffen.“

Das 13 Seiten umfassende Papier entstand auf Initiative der Orchesterv­orstände der sieben Berliner Orchester: Philharmon­iker, Deutsches Symphonie-Orchester, Konzerthau­sorchester, Orchester der Deutschen Oper und der Komischen Oper, Rundfunk-Sinfonieor­chester sowie der Staatskape­lle. Die Bamberger Symphonike­r haben ein Erlanger Ingenieurb­üro und das Freiburger Institut für Musikermed­izin um eine Untersuchu­ng gebeten.

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FOTO: Mahlers Vierte in kleinster Besetzung: Die Berliner Philharmon­iker und Christiane Karg haben dies vergangene Woche beim Europa-Konzert in der leeren Philharmon­ie vorgeführt. Etwas gespenstis­ch.

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