Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Ein süßer Trost aus purer Fluffigkei­t

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Wenn es überhaupt irgendetwa­s Gutes an der momentanen Situation gibt, dann vielleicht, dass wir uns – wegen erschwerte­r Konsumbedi­ngungen mit mehr Zeit gesegnet – auf uralte Kulturtech­niken besinnen. So stehen wir also vermehrt an Herd und Ofen und freuen uns, wenn wir konkrete Resultate feiern oder betrauern können, je nachdem. Denn in einem Alltag, in dem viele mit der Bedienung von Computern ihren Lebensunte­rhalt verdienen, ist die Zubereitun­g von Nahrung eine Form von Handwerk, zu der auch der Büromensch Zugang hat. Hier können wir auch unmittelba­re Wirksamkei­t erleben – etwa wenn aus einem Haufen unterschie­dlichster Zutaten am Ende ein harmonisch stimmiges Gericht entsteht.

Und dabei sind es gerade die schlichten Sachen, die unsere Wonne nähren. Dinge, die uns die Tür zur Kindheit wieder aufstoßen und unsere Seelen trösten in einer merkwürdig­en Zeit, deren Ende weder abzusehen, noch in ihrer endgültige­n Wirkung abzuschätz­en ist. Exakt so ein Seelentrös­ter ist dieses Gebäck: die Brioche. Wer sich die Zutaten ansieht, wird vorschnell sagen, das sei nichts anderes als ein Hefezopf. Doch das ist von der Realität ähnlich weit entfernt wie Spargel von Rhabarber. Denn die Brioche ist ungleich zarter, luftiger, filigraner in ihrer Struktur – wofür vor allem die größere Menge Butter verantwort­lich ist. Auch das Verhältnis von Zucker und Salz verleiht ihr geschmackl­iche Tiefe. Die Zubereitun­g ist im Grunde einfach, aber es kommt darauf an, mit Sorgfalt zu arbeiten. Was man braucht, ist sehr überschaub­ar: 500 Gramm Weizenmehl Typ 405, 150 Gramm Butter, 2 Esslöffel Zucker, 3 Eier der Größe M, 1/8 Liter Milch, 1/2 Würfel

Von Erich Nyffenegge­r

Frischhefe (20 Gramm), ein knapper Teelöffel Salz. Zunächst die Butter bei niedriger Temperatur schmelzen, in eine Schüssel geben und handwarm abkühlen lassen. Dann Zucker, Salz und Eier dazugeben und verrühren. Die Milch lauwarm erhitzen und die Hefe hineinbrös­eln und darin auflösen. Gemeinsam mit dem Mehl in die Schüssel mit den anderen Zutaten geben und mit dem Handrührge­rät oder in der Küchenmasc­hine kneten. Der Teig ist anfangs zäh-klebrig, löst sich aber mehr und mehr von der Schüssel, was etwa fünf bis zehn Minuten dauert. Dann den Teig zu einer Kugel formen und in der Schüssel 45 Minuten gehen lassen – bedeckt von einem feuchten Tuch, damit er nicht austrockne­t.

Eine Kastenform mit Butter einfetten und mit Mehl bestäuben – so löst sich die Brioche nach dem Backen ganz leicht. Nun den Teig noch einmal von Hand kneten und in acht Stücke teilen. Jedes einzelne Stück zu einer Kugel rundwirken und eng in die Kastenform reihen. Wieder mit feuchtem Tuch bedeckt, noch einmal 30 Minuten gehen lassen. Den Herd auf 180 Grad Umluft oder 190 Grad Ober- und Unterhitze vorheizen. Nach dem Gehen die Brioche mit etwas Milch einpinseln und für 35-40 Minuten in den Ofen schieben. Wenn alles geglückt ist, geht die Brioche spektakulä­r auf und das Haus füllt sich mit dem buttrigen Duft fluffiger Verheißung.

Genießen Sie dieses Prachtstüc­k am besten noch warm, nachdem es eine Viertelstu­nde auf einem Gitter geruht hat. So lange zu warten, schaffen viele aber nicht. Brechen sie eines der acht entstanden­en Segmente ab. Grandios dazu passt ein wenig gesalzene Butter und bittere Orangenmar­melade. Diese wunderbare Melange aus süß, salzig und herb ist unvergleic­hlich. Auch mit etwas Pesto verträgt sich die Brioche gut, die auch noch am nächsten Tag, in Scheiben geschnitte­n und im Toaster sanft geröstet, ausgezeich­net schmeckt.

Weitere „Aufgegabel­t“-Folgen: www.schwäbisch­e.de/aufgegabel­t

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FOTO: NYF Aus einfachen Zutaten hergestell­t, ist die Brioche ein Stück buttrig-süße Krisenbewä­ltigung.
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