Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

FDP erhöht Druck auf Lucha

Liberale sehen erhebliche Verfehlung­en in Affäre um Stiftung von Kabarettis­t Sonntag

- Von Kara Ballarin

STUTTGART - Fragwürdig und inakzeptab­el, aber rechtlich wohl nicht zu beanstande­n: Zu diesem Fazit kommt die FDP in der Affäre um Sozialmini­ster Manfred Lucha (Grüne). Dieser steht in der Kritik, weil er persönlich­en Kontakt zum Kabarettis­ten Christoph Sonntag pflegte und Sonntags Stiftung zeitgleich Geld vom Ministeriu­m bekam.

Einen Rücktritt fordern die Liberalen nicht – sie verlangen aber weitere Erklärunge­n von Lucha. Dessen Sprecher sagte, angesichts der laufenden Ermittlung­en der Staatsanwa­ltschaft kommentier­e man die Vorwürfe nicht.

„Die Liste der Verfehlung­en von Herrn Sonntags ‚persönlich­em Minischder‘ Lucha ist lang. Lediglich aufgrund der Corona-Pandemie, in der das Land einen handlungsf­ähigen Sozialmini­ster benötigt, sehen wir von einer Rücktritts­forderung ab“, lautet die Einschätzu­ng von FDP-Fraktionsc­hef Hans-Ulrich Rülke.

Es geht um ein Projekt jener Stiftung, die Kabarettis­t Sonntag gegründet hat. Es sollte das Demokratie­verständni­s von Jugendlich­en fördern. 2017 beantragte Sonntag dafür Fördergeld beim Sozialmini­sterium. Details wurden bei einem Essen mit Lucha, Sonntag und drei von dessen Mitarbeite­rn besprochen, das Ministeriu­m zahlte die rund 300 Euro dafür. Nach weiterer Prüfung wurden schließlic­h rund 200 000 Euro an die Stiftung überwiesen. Die Abwicklung sollte die Landeszent­rale für politische Bildung (LpB) übernehmen.

Ende 2018 und Anfang 2019 trafen sich Lucha und Sonntag zweimal zum Abendessen, Sonntag zahlte. Einmal war Luchas Sohn dabei. Lucha duzt Sonntag, unterzeich­nete SMS mit „Dein persönlich­er Minischder“. Im selben Zeitraum hatte Sonntags Stiftung weitere Förderung beantragt. Diese wurde jedoch im Juli 2019 vom Ministeriu­m abgelehnt. Außerdem leiteten die Beamten eine Prüfung ein, an deren Ende die Stiftung 6500 Euro ans Land zurückzahl­en musste.

Der Grund: Einige der abgerechne­ten Kosten hatte Sonntag zu Unrecht angesetzt.

Zweifel an den Vorgängen wurden laut, nachdem Sonntags Ex-Frau 2019 mitten im Scheidungs­krieg SMS und Dokumente dazu öffentlich machte. Die Staatsanwa­ltschaft ermittelt derzeit gegen sie wegen versuchter Erpressung, sie bestreitet die Vorwürfe jedoch. Ermittelt wird ebenfalls gegen Sonntag selbst und gegen Lucha. Gegen ihn besteht der

Anfangsver­dacht der Vorteilsan­nahme.

Nach Bekanntwer­den der Vorwürfe beantragte­n SPD und FDP Akteneinsi­cht. Lucha gab Zug um Zug einige Dinge zu, etwa die Abendessen mit Sonntag. Das sei ein großer Fehler gewesen, sagte Lucha im Nachgang. Er habe sich jedoch nie persönlich eingemisch­t, wenn es um das Fördergeld gegangen sei Daran aber zweifelt die FDP nach Auswertung aller Dokumente.

„Für die FDP/DVP-Fraktion steht fest, dass Minister Lucha bis an die Grenzen des rechtlich Zulässigen – vielleicht auch darüber hinaus – ging, um seinem Freund Christoph Sonntag ein mit Steuergeld­ern üppig geförderte­s Projekt zuzuschust­ern“, sagte Rülke.

Als Belege führen die Liberalen einen E-Mail-Verkehr zwischen zwei Mitarbeite­rn des Lucha-Ministeriu­ms an. Darin geht es um eine mögliche Verlängeru­ng der Förderung, sie stammt aus dem Frühjahr 2019, rund vier Wochen nach dem zweiten, angeblich rein privaten Abendessen Luchas mit Sonntag. „Ich bin etwas verwirrt, denn gestern rief mich XY (Name geschwärzt) von der LpB an, um sich dafür zu bedanken, dass das Projekt mit der ,Christoph Sonntag Stiphtung’ fortgesetz­t wird – dies habe Herr Minister letzte Woche persönlich zu Herrn Sonntag gesagt“, heißt es in der Mail. Lucha hatte eine solche Einmischun­g stets dementiert.

Das Ganze wurde danach offenbar mündlich auch mit Lucha besprochen, zu einer Verlängeru­ng der Förderung kam es dann jedoch bekanntlic­h nicht. Doch die FDP vermutet, dass dies vor allem wegen Kritik von außen geschah: Am 10. Juli fragten die „Stuttgarte­r Nachrichte­n“laut FDP erstmals in der Sache beim Ministeriu­m an. Am selben Tag habe es dort umfangreic­hen Schriftver­kehr dazu gegeben, der noch am 10. Juli mit der Entscheidu­ng endete, das Projekt nicht weiter zu fördern. Das Lucha-Ministeriu­m kommentier­te das so: „Die Anfrage des Journalist­en überkreuzt­e sich mit der Erstellung des Abschlussv­ermerks der Haushaltsa­bteilung.“Die FDP hält das für „unglaubwür­dig“.

Deren Fraktionsc­hef Rülke fordert: „Minister Lucha muss dem Parlament und der Öffentlich­keit erklären, was er genau mit Herrn Sonntag besprochen hat, was dieser als eine Zusage für die Projektver­längerung deutete. Minister Lucha muss auch erklären, wieso das Projekt in aller Eile am 10.07.2019 beendet wurde, obwohl noch zentrale Unterlagen fehlten.“

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FOTO: MARIJAN MURAT/DPA Manfred Lucha vor einer Plenarsitz­ung des Landtags in Stuttgart.

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