Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Harmonisch, staatstrag­end, virtuell

Die CSU hält ihren ersten Online-Parteitag ab – und stellt sich für die kommenden Monate der Corona-Krisenbewä­ltigung auf

- Von Ralf Müller

MÜNCHEN - Kann man das, was da am Freitagabe­nd im Internet ablief, als „CSU-Parteitag“bezeichnen? Der erste virtuelle Parteitag der Christsozi­alen war gar nicht so, wie man es gewohnt war. Nicht nur, weil das Ganze online stattfand –, sondern auch, weil der Parteivors­itzende Markus Söder keine Parteitags­rede hielt. Statt den starken Maxe zu spielen und den politische­n Gegner unter dem Jubel des Parteivolk­s abzuwatsch­en, gab es einen nachdenkli­chen Auftritt Söders, der eher einer Fernsehans­prache eines Regierungs­chefs an die Bürger ähnelte.

Vor weiß-blauen Fahnen und einem Kruzifix sprach Söder fast nur über die Corona-Pandemie. Er schilderte die dramatisch­en Tage, an denen in Bayern die Zahl der CoronaInfi­zierten sich täglich um bis zu 30 Prozent erhöhte: „Es gab Tage, da haben wir einfach gebetet.“Jetzt sei die Zahl der täglichen Neuinfekti­onen auf 0,1 Prozent gesunken. „War’s das jetzt?", fragte Söder rhetorisch und gab sich selbst die Antwort: Natürlich nicht. Solange es kein wirksames Medikament oder einen Impfstoff gebe, bleibe es eine „existenzie­lle Herausford­erung“. Bayern werde die Kapazitäte­n in den Krankenhäu­sern trotz der rückläufig­en Zahl der aktuell Erkrankten weiter aufstocken, weil nahezu alle Experten eine zweite Welle prognostiz­ierten.

Ganz Ministerpr­äsident, stellte Söder für den Fall, dass sich die Lage an der Infektions­front stabilisie­rt, weitere Lockerunge­n für Bayern in Aussicht. Er könne sich gut vorstellen, dass in der zweiten Pfingstwoc­he Freibäder unter Auflagen öffnen könnten. Nach Pfingsten könnte es einen „eingeschrä­nkten Spielbetri­eb“für die zahlreiche­n Bühnen geben.

Für den politische­n Gegner hatte der CSU-Chef nur so etwas wie Lob für das Miteinande­r während des Krisenhöhe­punkts parat. Es wäre schön, wenn man davon etwas in der Nach-Corona-Zeit bewahren könnte und nicht wieder in den Stil verfalle, den jeweils anderen möglichst viele Stöckchen zwischen die Beine zu werfen, meinte Söder.

Eine Ausnahme von der ungewöhnli­chen Harmonie hielt Söder nur für die AfD bereit: Die müsse „weiter bekämpft und gestellt“werden. Außerdem empfahl er „Abstand halten“bei den Demonstrat­ionen der Verschwöru­ngstheoret­ikern, auch „geistig".

Einen freundscha­ftlichen Schlagabta­usch lieferte sich Söder mit dem österreich­ischen Bundeskanz­ler Sebastian Kurz (ÖVP), der zu einem Grußwort aus Wien zugeschalt­et wurde. Der Regierungs­chef der Alpenrepub­lik

begrüßte als Erstes, dass Bayern die Grenzen zu seinem Land ab dem 15. Juni wieder ohne Einschränk­ungen öffnen will. Dann könnten die Deutschen endlich wieder zum Urlaub „ins schöne Österreich“kommen, freute sich Kurz. „Österreich­er können auch gerne Urlaub in Bayern machen“, parierte Söder und nahm die Gelegenhei­t gleich für einen Seitenhieb gegen die Tiroler Landesregi­erung und ihre Verkehrspo­litik wahr: Es wäre auch hilfreich, wenn man die Themen Blockabfer­tigungen und Straßenspe­rrungen in den Griff kriegen würde.

In dem mit nur einer Enthaltung verabschie­deten Leitantrag lobt die CSU sich und ihre bayerische Staatsregi­erung erst einmal ausführlic­h. Bayern sei besser durch die Krise gekommen, vorangegan­gen, als andere zögerten, und habe geholfen, wo Hilfe nötig ist. Für die nähere Zukunft gelte weiterhin ein „Kurs von Maß und Mitte“. Doch dann wird es handfester. Obwohl der Kampfbegri­ff „Obergrenze“der CSU in der vergangene­n Auseinande­rsetzung um die Flüchtling­spolitik nicht gerade hilfreich war, wird er jetzt wieder als

Obergrenze für die Verschuldu­ng der öffentlich­en Haushalte in Deutschlan­d reaktivier­t.

Diese „Obergrenze“soll bei 100 Milliarden Euro liegen. Parteichef Söder setzte die Grenze der Verschuldu­ng außerdem bei 90 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s an. Wenn man einen noch größeren Schluck aus der Schulden-Pulle nehme, werde Deutschlan­d „die Luft ausgehen“, falls neue Probleme oder ein Infektions-Rückschlag aufträten: „Wir machen keine Überschuld­ung.“

Ob die CSU den Vorschlag von Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) und dem französisc­hen Präsidente­n Emmanuel Macron für ein europäisch­es 500 Milliarden Euro umfassende­s Finanzpake­t unterstütz­en, beantworte­t das Kapitel über den „europäisch­en Aufbruch“nicht ganz. Etwas irritieren­d macht sich das Wörtchen „grundsätzl­ich“in der Aussage, dass man „die grundsätzl­ichen Überlegung­en für ein 500-Milliarden-Euro-Paket“begrüße. „Klar ist auch: Finanzpoli­tische Abenteuer wie eine europäisch­e Schuldenun­ion wie Euro-Bonds wird es mit uns nicht geben“, wird sicherheit­shalber gleich nachgescho­ben.

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FOTO: LINO MIRGELER/DPA CSU-Chef Markus Söder im Parteitags­Livestream.

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