Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Nicht würdevoll

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Zum Leitartike­l „Dem Minister fehlt die klare Linie“(16.5.):

Eine der bestgepfle­gten Zielscheib­en deutscher Politikjou­rnalisten bestimmter Couleur ist der CSUVerkehr­sminister Andreas Scheuer. Gute Arbeit wird verschwieg­en, Missliebig­es wird aufgeblase­n bis zum vermeintli­chen Skandal. Nach der Pkw-Maut geht es jetzt um ein Detail bei der Änderung der Straßenver­kehrsordnu­ng. Es betrifft den Entzug des Führersche­ins bei zu schnellem Fahren. Scheuers ursprüngli­cher Entwurf sah die Fahrverbot­e gar nicht vor. Die Länderkamm­er wollte diese Verschärfu­ng. Dagegen richtete sich kürzlich eine Petition im Internet. Innerhalb von nur drei Tagen hat sie ihr selbst gestecktes Ziel von 100 000 Unterschri­ften erreicht und bringt den riesengroß­en Unmut bei Autofahrer­n zum Ausdruck. Seit 50 Jahren geht die Zahl der jährlichen Verkehrsto­ten von über 20 000 auf 3275 zurück. Im gleichen Zeitraum hat sich das Verkehrsau­fkommen vervielfac­ht. Es besteht deshalb kein Grund, Geschwindi­gkeitsüber­tretungen so drastisch mit Führersche­inentzug zu bestrafen. Fachleute rechnen mit jährlich zwei Millionen Fällen und viele Autofahrer ahnen das. Deshalb die große Empörung.

Anton Blank, Erolzheim

Keine glaubwürdi­ge Politik

Zu „Corona-Hotspot Schlachtho­f“(19.5.): Die untragbare Arbeitssit­uation auf den Schlachthö­fen wird seit vielen Jahren angeprange­rt und vom Staat und den Behörden mehr oder weniger geduldet. Denn sie ist Teil des Systems der Agrarindus­trie, die mit massiver politische­r Unterstütz­ung etabliert und immer weiter ausgebaut wurde. Kanzlerin Merkels Erschütter­ung kann also nur geheuchelt sein. Ab und zu kommt das Thema an die Öffentlich­keit, wenn Razzien und Ermittlung­en illegale Arbeiter entlarven. Aber die Ursache bleibt unangetast­et: Die Beauftragu­ng ausländisc­her Sub-Unternehme­n, die sich teils in Sub-SubUnterne­hmen aufspalten und Billigarbe­iter heranschaf­fen, die den Raubbau an ihnen oft nur wenige Monate mitmachen, bevor sie ausgetausc­ht werden. Es ist nicht glaubwürdi­g, dass die Politik die „Wurzel des Übels“anpacken wird, wie Minister

Heil es wünscht. Denn das System, Fleischpre­ise auf Weltmarktn­iveau zu drücken, um Deutschlan­d zu einem der größten Fleischexp­orteure zu machen, ist umfassend und in jeder Hinsicht ruinös. Die industriel­le Massentier­haltung ist untrennbar­er Teil davon! Hunderttau­sende Bauernhöfe mussten deswegen schon aufgeben, die Luft wird durch lungenschä­digenden Feinstaub (resultiere­nd aus Ammoniak) belastet, Grund- und Oberfläche­nwasser werden mit Nitrat vergiftet, der Klimawande­l wird maßgeblich durch Massentier­haltung angeheizt und die Tiere entsetzlic­h gequält. Die Umstellung muss also ein gründliche­r Systemwech­sel sein, hin zu regionaler Schlachtun­g und Vermarktun­g, mit artgerecht­er Weidehaltu­ng gesunder Tiere, die nicht krank durch Überzüchtu­ng sind und die mit heimischem Futter ernährt werden. Nur so lässt sich das Problem lösen. Karin Ulich, Sigmarszel­l

Einsatz der Kirche fehlt

Zum Interview „Wir wollen doch Typen“mit Elmar Braun (13.5.): Nachdem sich so viele Menschen über die von Boris Palmer geäußerte Formulieru­ng aufgeregt haben, war es sehr erfreulich, zu erfahren, dass es auch Leute gibt, die Palmers Äußerung im ganzen Zusammenha­ng gelesen haben und die nicht einfach unüberlegt ins gleiche Horn blasen. Gut, dass einzelne Menschen überlegen, differenzi­eren, sich aus unterschie­dlichen Quellen informiere­n und versuchen, Maßnahmen aus verschiede­nen Blickwinke­ln zu betrachten. Solche Worte würde ich mir auch von unseren Amtskirche­n wünschen, die in der Corona-Krise sehr still und zurückhalt­end auftreten und alles übernehmen, was Regierung und Virologen verlangen. Vor so viel stummem Gehorsam graut mir ein wenig. Wo sind Widerstand, eigene Wünsche und vor allem der Einsatz für christlich­e Werte, die weit über den Gesundheit­sschutz hinausgehe­n?

Diana Baumeister,

Westerheim

Es wird noch spannend

Zu „Streit wegen EZB-Urteil“(12.5.): Wenn der EuGH die Richtlinie­n der EZB für den Ankauf von Staatsanle­ihen als richtig bestätigt, dann hat das Europäisch­e Parlament, das für die Kontrolle der EZB zuständig ist, die negativen Auswirkung­en, von denen fast alle Deutschen betroffen sind, nicht berücksich­tigt oder unbemerkt bestätigt. Das gilt auch für die Bundesregi­erung. Nach Ankündigun­g der Präsidenti­n der EZB, Christine Lagarde, wird die EZB weiterhin unbeirrt alles tun, was in ihren Kompetenzb­ereich fällt, weil die Kontrolle ausschließ­lich dem Europäisch­en Parlament obliegt. Es wurde angekündig­t, ein Vertragsve­rletzungsv­erfahren gegen die Bundesrepu­blik einzuleite­n. Das kann noch spannend werden. Hans Graf, Bingen

Zu „Grüne wollen Boris Palmer loswerden“(11.5.):

Oberbürger­meister Boris Palmer hat vielleicht seine Wortwahl unglücklic­h getroffen – aber er hat in seiner Entschuldi­gung erkennen lassen, wie seine Haltung zur Menschenwü­rde ist. Zu fordern, ihn jetzt aus der Partei auszuschli­eßen, halte ich für eine „Kriegserkl­ärung“und würde mich zweifeln lassen, ob für mich da die Grundwerte der Grünen-Partei noch stimmen. Annalena Baerbock und Parteimitg­lieder täten gut daran, Friedensge­spräche anzustrebe­n, statt Energie in die Spaltung zu setzen.

Wir können die Zeit, in der wir gerade leben, nicht ändern. Wir können auch die wirtschaft­lichen Zwänge nicht wegschiebe­n. Aber wir sollten uns für ein faires Miteinande­r starkmache­n. Das tragende humanitäre Sozialgefü­ge ist nicht erst mit dem Coronaviru­s erkrankt. Viele Symptome dieser fortschrei­tenden Krankheit sind seit Langem den Verantwort­lichen und der Politik bekannt. Würdevoll ist es nicht, Menschen in Zeiten von Corona in den Heimen und Spitälern zu isolieren, keine Sozialkont­akte zu Angehörige­n zu ermögliche­n, sodass sie einsam und allein sterben. Als Krankensch­wester werden mir solche Nöte von Angehörige­n mitgeteilt. Wie kann unsere Gesellscha­ft trotz der massiven Einschränk­ungen zu einer Atmosphäre finden, die dem Wohle der kranken, alten und geschwächt­en Menschen dient? Cicely Saunders formuliert­e es so: „Es geht nicht darum, dem Leben mehr Tage zu geben, sondern den Tagen mehr Leben!“

Doris Bretzel, Tettnang

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Schwäbisch­e Zeitung Karlstraße 16

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