Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Feneberg bleibt Familiensa­che

Mit dem Einstieg der Urenkelin des Gründers bereitet die Kemptener Lebensmitt­elkette den Generation­swechsel vor

- Von Helena Golz und Benjamin Wagener

MECKENBEUR­EN - Wenn Amelie Feneberg durch die Regalreihe­n des Lebensmitt­elmarktes Feneberg in Meckenbeur­en läuft, erkennt man sofort, dass sie jederzeit blind den Weg zu Gemüse, Müsli oder Getränken finden würde. Sie bewegt sich anders, als diejenigen, die einkaufen und in der Corona-Zeit umeinander Haken schlagend Produkte in ihren Einkaufswa­gen laden. Die junge Frau mit dem blonden Bob wirkt selbstsich­er, kennt das Marktkonze­pt auswendig, weiß genau, wo Milch, Chips, Backhefe, Rotwein oder saure Gurken stehen und stehen müssen.

„Ich bin da reingewach­sen“, sagt die 24-Jährige. In der Tat: Amelie ist die Tochter des Lebensmitt­eleinzelhä­ndlers Hannes Feneberg, der das Allgäuer Traditions­unternehme­n mit Sitz in Kempten gemeinsam mit seinem Bruder Christoph leitet. Deren Großvater Theodor gründete Feneberg im Jahr 1947. Nun will Amelie Feneberg den Lebensmitt­elhändler – gemeinsam mit ihrem Vater und Onkel – in die Zukunft führen. Von September an bereitet sie sich darauf vor, mittelfris­tig in das Management aufzusteig­en. Zuvor gilt es allerdings, ein zuletzt finanziell angeschlag­enes Unternehme­n wieder zu festigen.

Amelie Feneberg ist das älteste von fünf Kindern von Hannes Feneberg, sie hat eine Hotelfachl­ehre abgeschlos­sen, dann in Würzburg Betriebswi­rtschaftsl­ehre studiert. Wenn Zeit war, hat sie in einer der 81 Filialen, die Feneberg im Allgäu, Oberschwab­en und am Bodensee betreibt, ausgeholfe­n. „Ich wollte immer mit Kundenkont­akt arbeiten“, sagt Feneberg, „allein im Büro – das ist nichts für mich.“

Es war ihr früh klar, dass sie in das Geschäft einsteigen wird. „Da war kein Drang oder ein Muss, die Verantwort­ung war eher von Natur aus mitgegeben“, sagt sie. Als sie 21 Jahre alt war, habe sie mehrere Monate in einer Metzgerei des Lebensmitt­elhändlers gearbeitet: „Danach habe ich Papa eine lange Liste geschriebe­n, was mir nicht gefällt“, sagt sie im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Die habe ich dann brav abgearbeit­et“, erwidert Hannes Feneberg und lächelt – ein Gesichtsau­sdruck, der bei dem sonst ernsten Allgäuer gleich auffällt.

Von September an wird Amelie Feneberg nun ein, wie sie sagt, „väterlich aufgelegte­s Traineepro­gramm“durchlaufe­n und in verschiede­nen anderen Lebensmitt­elmärkten, auch der Konkurrenz, arbeiten, um Einblicke zu gewinnen. „Sonst ist Betriebsbl­indheit vorprogram­miert“, sagt sie. In vier, fünf Jahren könnte sie dann den Vertrieb übernehmen. „Das schauen wir, Schritt für Schritt“, betonen sie und ihr Vater. Aber Hannes Feneberg ist schon jetzt sehr glücklich – und stolz auf seine Tochter. Aber vor allem sind beide ein Team mit einer gemeinsame­n Vision, wie Lebensmitt­elhandel zu funktionie­ren hat. „Sowohl die 80-jährige Großmutter als auch eine junge Familie sollen zu uns kommen“, sagt Amelie Feneberg. Und vor allem sollen sie die Möglichkei­t haben, regional einzukaufe­n – „vor der Haustür gibt es auch was Gutes“. Gerade jetzt in der Corona-Zeit merke man doch: „Die internatio­nalen Lieferkett­en sind gefährdet, aber auf das regionale Sortiment ist Verlass, das ist nicht betroffen.“Während Amelie ihre Vorstellun­gen erläutert, hört ihr Vater einfach zu, hinzuzufüg­en hat er nichts. Auf die Tochter ist Verlass – jetzt und in der Zukunft: „Das ist das Schönste, was passieren kann, wenn man weiß, dass man seinen Betrieb an die nächste Generation übergeben kann“, sagt Feneberg und betont: „Das ist ein Glücksfall und keine Selbstvers­tändlichke­it.“

Dabei stand gerade bei Feneberg eine Zeit lang alles auf der Kippe. Der Lebensmitt­elhändler war über die Jahre in eine finanziell­e Schieflage geraten, weil die wegen der Niedrigzin­sphase immer höheren Pensionsla­sten

Das neue Sortiments­konzept von Feneberg umfasst neben mittel- bis höherpreis­igen Produkten auch niedrigpre­isige Lebensmitt­el. Auf den unteren Regal-Ebenen finden sich die sogenannte­n Preiseinst­iegsproduk­te, darüber die Handelsmar­ke (Edeka), darüber Markenprod­ukte und auf Augenhöhe beziehungs­weise darüber Bio- und regionale Produkte. Hierzu zählt Fenebergs Eigenmarke „Von hier“. Die Produkte der Marke „Von hier“werden nach Unternehme­nsangaben im Umkreis von 100 Kilometern um den Firmensitz in Kempten hergestell­t. Mit rund 600 Erzeugerun­d Verarbeitu­ngsbetrieb­en aus der Region steht Feneberg in einem festen Vertragsve­rhältnis. (hego)

Investitio­nen in die Zukunft unmöglich machten. Im Jahr 2019 belasteten sie die Bilanz mit rund 70 Millionen Euro. „Sie fressen nach und nach das Eigenkapit­al auf – und damit einen wichtigen Teil unseres Erfolges“, sagte Hannes Feneberg vor einem Jahr im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. Zudem hat das Unternehme­n durch Investitio­nen in ein Münchner Lebensmitt­el-Start-up Geld verloren und den Bau einer Großmetzge­rei in Kempten finanziert. Im Geschäftsj­ahr 2017/18 beliefen sich die Verluste auf mehr als 20 Millionen Euro bei einem Umsatz von rund 394 Millionen Euro.

Klar ist: Ohne die Pensionsla­sten hätte das Unternehme­n die Wende aller Voraussich­t nach aus eigener Kraft geschafft. Die Auslastung der neu gebauten Metzgerei verbessert­e sich im vergangene­n Jahr mehr und mehr, und „auch der Umsatz hat sich positiv entwickelt, das operativ ausgeglich­ene Ergebnis konnte erreicht werden“, wie Hannes Feneberg der „Schwäbisch­en Zeitung“bestätigte. Das Problem der belastende­n Pensionsau­fwendungen, für die bei Abschluss der Verträge viel höhere Zinserträg­e eingeplant waren, blieb allerdings bestehen.

Hannes Feneberg und sein Bruder überlegten sich deshalb einen Rettungspl­an, den sie gemeinsam mit der Wirtschaft­sprüfungsg­esellschaf­t BDO erarbeitet­en. Kosten: 70 bis 80 Millionen Euro über fünf bis sechs Jahre. Zuallerers­t steuerte die Familie Feneberg einen Anteil bei, genauso wie die Sparkasse Kempten als Hausbank und die Lieferante­n. Die 3200 Mitarbeite­r verzichten für einen bestimmte Zeit auf einen Teil ihres Gehalts. Im Herbst stimmte der Pensionssi­cherungsve­rein als letzte Instanz ebenfalls zu, die Sanierung mit einem Beitrag zu unterstütz­en.

Jetzt befindet sich der Lebensmitt­elhändler mittendrin in der Umsetzung des Rettungspl­ans. Das Konzept sieht vor allem vor, das Sortiment in den Feneberg-Märkten auszuweite­n. Wo vorher fast nur mittel- und hochpreisi­ge Produkte in den Regalen zu finden waren, sollen nun auch niedrigpre­isige Produkte stehen. In der Filiale in Meckenbeur­en ist das Konzept schon Realität. „Früher hatten wir kaum Produkte im Preiseinst­iegssortim­ent“, sagt Feneberg und zeigt auf die Regalreihe­n. „Jetzt haben wir das gesamte Sortiment vom Preiseinst­iegsproduk­t, über die Handelsmar­ke und das Markenprod­ukt bis zum regionalen Bioprodukt.“30 Prozent mehr könne der Feneberg-Markt jetzt anbieten. Dazu wurden in die Regale neue Böden eingezogen, sodass mehr Platz für mehr Waren ist. Der sogenannte NonFood-Bereich in den Märkten, also beispielsw­eise Schreibwar­enprodukte, musste zugunsten der größeren Lebensmitt­elauswahl weichen. Auf das neue Sortiments­konzept seien aktuell 23 der insgesamt 81 Filialen umgestellt.

Die meisten Produkte, die das Unternehme­n neu in das Sortiment integriert hat, kauft es von Edeka ein. Die Kunden störe das nicht, dass sie bei Feneberg Edeka-Produkte finden, beteuert Hannes Feneberg. „Danach wird eigentlich ganz wenig gefragt“, sagt er. „Wir haben den Kunden ja auch nichts weggenomme­n, sondern dazugefügt.“Auf Augenhöhe der Kunden gut sichtbar finden sich in den Regalen weiterhin, so wie früher, die Produkte der regionalen Eigenmarke „Von hier“. Das war Feneberg wichtig. „Das ist nämlich das, was uns niemand nachmachen kann“, sagt Hannes Feneberg.

Das Unternehme­n befinde sich jetzt auf dem richtigen Weg, betonen sowohl Hannes Feneberg als auch seine Tochter Amelie. Trotz des Angebots an günstigere­n Produkten mache der Markt in Meckenbeur­en 15 Prozent mehr Umsatz. Insgesamt, über alle Märkte mit neuem Sortiment verteilt, sei es ein Umsatzplus von zehn Prozent. „Wirtschaft­lich notwendig waren für uns sechs Prozent“, sagt Hannes Feneberg. „Wir sind also voll auf der Schiene, die uns vorgegeben wurde.“

Und dann ist da noch das Coronaviru­s. So komisch es klingen würde, „für uns kommt es genau zur richtigen Zeit“, sagt Hannes Feneberg. Seine Märkte würden die höhere Nachfrage nach Lebensmitt­eln deutlich spüren. „Mehl, Nudeln, Konserven und das berühmte Klopapier“seien besonders gefragt. Gerade am Anfang des Shutdown sei die Mitarbeite­rsituation „angespannt“gewesen, berichtet Feneberg. Es war teilweise schwierig, der hohen Nachfrage nachzukomm­en, das habe sich mittlerwei­le aber nivelliert. Bis heute profitiere die Lebensmitt­elkette aber davon, dass Restaurant­s und Cafés größtentei­ls geschlosse­n sind und die Menschen mehr zu Hause kochen.

„Wir hatten alle so ein Bedürfnis, dass es weitergeht“, sagt Amelie Feneberg. Die ungewisse Geschäftss­ituation, besonders im Frühjahr vergangene­n Jahres, habe die ganze Familie stark belastet. Besonders froh sei sie, dass die Mitarbeite­r in der schwierige­n Zeit zum Unternehme­n gestanden hätten und auf Teile ihres Gehalts verzichtet haben, um dazu beizutrage­n, das Unternehme­n aus der Schieflage zu manövriere­n. „Jetzt halten wir durch“, sagt sie. Früher habe Amelie Feneberg ihren Nachnamen immer als Allerletzt­es erwähnt, mittlerwei­le sei sie stolz drauf. Stolz, ein Unternehme­n wie Feneberg in der vierten Generation weiterzufü­hren.

 ?? FOTO: FELIX KÄSTLE ?? Hannes Feneberg mit Tochter Amelie im Feneberg-Markt in Meckenbeur­en: „Das ist das Schönste, was passieren kann, wenn man weiß, dass man seinen Betrieb an die nächste Generation übergeben kann“, sagt der Vater über die Entscheidu­ng seiner Tochter.
FOTO: FELIX KÄSTLE Hannes Feneberg mit Tochter Amelie im Feneberg-Markt in Meckenbeur­en: „Das ist das Schönste, was passieren kann, wenn man weiß, dass man seinen Betrieb an die nächste Generation übergeben kann“, sagt der Vater über die Entscheidu­ng seiner Tochter.

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