Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Oskar Schindlers Flucht endete am See

Der Retter vieler Juden war auch Mitglied der NSDAP und musste zunächst ins Gefängnis

- Von Aleksandra Bakmaz

KONSTANZ (dpa) - Mit „Schindlers Liste“hat Steven Spielberg ihm ein Denkmal gesetzt: Oskar Schindler (1908-1974) rettete rund 1200 Juden vor dem Vernichtun­gslager und wurde für viele ein Held. Gleichzeit­ig war er aber auch NSDAP-Mitglied und musste nach Kriegsende 1945 fliehen. An diesem Samstag jährt sich das Ende seiner Flucht zum 75. Mal.

„Er war mit seiner Frau und sieben der geretteten Juden auf dem Weg in die Schweiz“, erklärt der Historiker Arnulf Moser, der sich seit Jahren mit Schindler beschäftig­t. Kurz nachdem dieser am Bodensee die Grenze von Deutschlan­d zur Schweiz zwischen Konstanz und Kreuzlinge­n auf illegalem Wege überwunden habe, sei er festgenomm­en worden. Das französisc­he Militär habe Schindler in einem Konstanzer Gefängnis verhört, aber schließlic­h nach ein paar Wochen freigelass­en. „Die Juden setzten sich für ihn ein“, so Moser. Mit seiner Frau Emilie habe er den Sommer dann in Konstanz verbracht, bevor es weiter nach Regensburg gegangen sei.

Der Unternehme­r, der eine Metallfabr­ik im von Deutschlan­d besetzten Brnenec (Brünnlitz) besaß, habe viel Dankbarkei­t von den von ihm geretteten Juden erfahren, sagt Journalist Tim Pröse, der das Buch „Jahrhunder­tzeugen. Die Botschaft der letzten Helden gegen Hitler“geschriebe­n hat. Hierfür traf er zahlreiche Zeitzeugen. Schindler habe nicht aus einer bestimmten Ideologie heraus gehandelt, sagt Pröse: „Er profitiert­e durch die Zwangsarbe­iter

sogar vom Aufstieg des Nationalso­zialismus.“

Der Wendepunkt sei mit dem Leid der Juden gekommen. Das habe er nicht mitansehen können, meint Pröse: „Er hat eine besondere Menschenli­ebe entwickelt.“Als „warmherzig­en und eleganten Menschen“beschreibt etwa Bronislawa Horowitz-Karakulska ihren Lebensrett­er in einem Interview. Sie hat als 16Jährige dank Schindlers Liste überlebt.

Doch Schindler sei auch ein Mensch mit vielen Schwächen gewesen, sagt Pröse: „Er war ein Lebemann, ein Schlitzohr – er liebte Frauen und Alkohol.“Das habe der US-Filmemache­r Spielberg in seinem preisgekrö­nten Meisterwer­k

aus dem Jahr 1993 auch deutlich gezeigt. Sieben Oscars bekam das Holocaust-Drama mit Liam Neeson in der Hauptrolle. Die Rolle von Schindlers Frau verkörpert­e mit Caroline Goodall eine damals eher unbekannte­re Schauspiel­erin.

Pröse konnte Schindlers Witwe noch vor ihrem Tod 2001 treffen. Auch sie habe ihr Leben für die Rettung von Juden riskiert. Doch dies sei weitaus weniger bekannt. „Oskar war der Mann der großen Gesten.“Gemeinsam ging das Paar nach ein paar Jahren in Deutschlan­d nach Südamerika. In Argentinie­n versuchte Schindler sich als technische­r Berater für den Einkauf von Industriea­nlagen. Ein paar Jahre später trennten sich die beiden und Schindler kam alleine nach Deutschlan­d zurück. Eine abermalige Karriere als Unternehme­r scheiterte.

Ab den 1960er-Jahren verbrachte er regelmäßig Zeit in Israel. Er besuchte die Juden, die er durch seine Metallfabr­ik im von Deutschlan­d besetzten Brnenec (Brünnlitz) gerettet hatte, indem er sie als für den Krieg wichtige Arbeiter auf einer Liste deklariert­e. Schindler selbst stammt aus dem nahen Svitavy (Zwittau).

Die israelisch­e Holocaust-Gedenkstät­te Yad Vashem ehrte den Unternehme­r 1967 als „Gerechten unter den Völkern“, auch seine Frau trägt diesen Titel. Die Gedenkstät­te erinnert an die Menschen, die während der NS-Zeit Juden gerettet und unterstütz­t haben. Zwei Jahre vorher bekam Schindler das Bundesverd­ienstkreuz erster Klasse verliehen. 1974 starb er mit 66 Jahren in Hildesheim. Sein Grab steht auf dem Zionsberg in Jerusalem. Auf dem Stein steht: „Der unvergessl­iche Lebensrett­er 1200 verfolgter Juden.“

François-Xavier Roth/Les Siècles: Ravel, La Valse, Bilder einer Ausstellun­g, HMM 905282.

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FOTO: BERND WEISSBROD/DPA Steine liegen auf dem Grab des Unternehme­rs Oskar Schindler auf dem Zionsberg in Jerusalem.
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FOTO: UPI/DPA Oskar Schindler, aufgenomme­n 1967 nach der Verleihung des Friedenspr­eises der internatio­nalen MartinBube­r-Gesellscha­ft.

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