Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Mehr Mut, mehr Badstuber
Appell von Matarazzo: Nur mit Qualität kommt der VfB Stuttgart nicht zurück in die Spur
STUTTGART - Es wird von Experten dieser Tage noch mehr als sonst über die Hintergründe einer Mannschaft geredet. Ohne die Fans seien die fußballerischen Fähigkeiten noch wichtiger, heißt es da. Während die Profis ansonsten von den Emotionen nach vorn gepeitscht werden, entscheide nun meist die Qualität. Wäre es so, könnte der VfB Stuttgart in der 2. Liga nun gemütlich Spiel für Spiel seinen Stiefel herunter spielen und ungefährdet aufsteigen. Doch nicht erst der jüngste Auftritt – der erste nach dem Restart – beim SV Wehen Wiesbaden samt der unglücklichen Niederlage und dem strittigen Handelfmeter in der letzten Minute lassen daran Zweifel aufkommen. Vielmehr scheint es ein tieferes, mentales Problem zu sein, das die Jungs vom Wasen schon seit Monaten hemmt.
Trainer Pellegrino Matarazzo jedenfalls wurde vor dem Gastspiel am Sonntag (13.30 Uhr/Sky) bei Holstein Kiel deutlich und setzte damit seine innerhalb der Woche eingeschlagene Ausrichtung fort: „Wir haben ein offenes und kritisches Gespräch mit den Spielern gesucht“, erzählt er: „Wir haben versucht, den Druck zu erhöhen.“Die Folge: „Es war eine gute Bissigkeit, Härte und auch Emotion im Training zu spüren. Nun hoffen wir darauf, dies auch auf das Spiel am Sonntag zu übertragen“, sagte der VfB-Cheftrainer. Wo der Hebel angesetzt werden muss, ist bekannt, allein die Umsetzung hapert noch. „Es muss uns bewusst sein, dass wir nicht nur durch unsere Qualität Spiele gewinnen“, betonte Matarazzo. Immerhin bleiben dem zuletzt strauchelnden Marktwert-Primus und aktuellem Relegationsplatz-Inhaber nur noch acht Spiele, um die direkte Rückkehr in die Bundesliga zu schaffen. Acht Spiele, in denen der 42-Jährige von seiner Mannschaft ein anderes Gesicht als zuletzt erwartet.
Es seien vor allem „die Emotionen, die einen begleiten, wenn es hart wird, Gegenwind gibt“, erklärte der Trainer die Blockade. Wenn eine
Chance mal nicht verwertet würde, sei der unumstößliche Glaube, dass es beim nächsten Mal klappe, nicht immer gegeben. Dem VfB falle es deshalb schwer, das erste Tor zu erzielen. Wenn dies passiert sei, dann laufe es. Doch wenn es nicht gelingt, dann wackelt die Brustringtruppe.
Der ganze VfB leidet sozusagen am gomezschen Ketchup-FlaschenProblem. Entweder kommt nichts oder alles, wie so oft bei der Stürmerlegende: Viele Treffer oder keine. Das führt zu Problemen. Die Ursache sitzt natürlich im Kopf und ist schwer zu überwinden. „Das geht es um Persönlichkeits- und Charakterentwicklung. Das dauert länger als zwei Tage“, verdeutlicht der Trainer.
Doch dauert es eben schon viel zu lange, sodass mittlerweile das Ziel Aufstieg etwas wackelt. Als Ausrede will es der Trainer ohnehin nicht gelten lassen. „Es hat niemand gesagt, dass wir diese Weiterentwicklung abschließen müssen, um Spiele zu gewinnen. Wir können auch jetzt Spiele gewinnen.“Daher sei – bis es eben Plopp macht – nötig, dass „jeder Spieler ein bisschen mehr investiert. Für das große Ganze muss man alles auf mehrere Schultern verteilen.“
Und dabei könnte ein klassischer Mentalitätsspieler, der neben unbestrittener Qualität auch vorangehen kann, enorm wichtig werden. Denn nicht nur auf den Rängen war es zuletzt auffallend ruhig. Auch auf dem
Platz war kaum etwas zu hören. Die Lösung vieler Probleme könnte daher den Namen Holger Badstuber tragen. Immerhin kündigte Matarazzo gegen Kiel Veränderungen in der Startelf an. „Es ist dabei sehr gut möglich, dass Holger in der Startelf steht.“Über allem stehe jedoch eines: „Es ist sehr, sehr wichtig, dass wir ein Erfolgserlebnis haben am Sonntag. Wir brauchen drei Punkte, wir brauchen eine gute Leistung.“
Wenn die Spieler ihr vom Trainer vorgegebenes Ziel umsetzen und „allen Willen und den Fokus voll auf das 1:0 legen“– dann wäre dem Verein und damit auch den Fans jedoch schon sehr viel geholfen – der Stuttgarter Ketchup-Flasche sei Dank.