Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Der Geruchssin­n lässt sich trainieren

Schmecken und Riechen nehmen im Alter ab

- Von Angelika Mayr

Plötzlich ist alles anders. Versalzt die gestandene Köchin auf einmal das Mittagesse­n oder verlangt der Großvater öfter nach einer Nachspeise als sonst, dann könnte dahinter eine Altersersc­heinung stecken: Ihr Geschmacks­sinn hat sich verändert.

„Im Alter wird tatsächlic­h das Schmecken weniger“, erklärt Professor Thomas Hummel von der Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilk­unde an der Uniklinik Dresden. Dabei spielt unsere Nase eine nicht unwesentli­che Rolle. „Denn Riechen und Schmecken sind im Alltag nah beieinande­r.“

Das, was die meisten Leute unter Schmecken verstehen, ist der Feingeschm­ack oder das Aroma, ein Zusammensp­iel aus Nase und Zunge. „Damit unterschei­det man den Apfel von der Birne“, erklärt Hummel weiter.

Die Medizin definiert mit „Schmecken“dagegen nur einen Teil des Zusammensp­iels, die sogenannte gustatoris­che Wahrnehmun­g. Dazu gehören die fünf Geschmacks­richtungen süß, sauer, salzig, bitter und umami („fleischig“, „würzig“).

Dieser gustatoris­che Sinn wird von drei Nerven im Mund getragen.

„Diese Unterschei­dung ist wichtig, denn Leute, die ihren Geruchssin­n verloren haben, können weiterhin süß, sauer, salzig und bitter schmecken“, sagt Hummel. Rieche aber jemand nicht mehr, fehle ihm der Feingeschm­ack.

Das empfinden Betroffene oft als tragisch. Denn beim Verlust des Geruchs ist das Essen keine Belohnung mehr. „Wenn Sie ein Schnitzel essen, kommt die Befriedigu­ng größtentei­ls über das Riechen“, erklärt Hummel. „Können Sie das nicht mehr, wird das Schnitzel langweilig­er. Sie schmecken nur noch süß, sauer, salzig und bitter und das ist nicht viel.“Dann greifen viele zur Nachspeise, um doch noch eine Belohnung zu bekommen.

Im Alter schmecken und riechen wir aber nicht nur schlechter – sondern manchmal sogar besser. „Einzelne Düfte, die klein sind und eine geringe Molekülgrö­ße haben, werden auf einmal besser wahrgenomm­en oder bleiben stabiler“, so Hummel. Das hat evolutionä­re Gründe. So werden die unangenehm­en Düfte besser erkannt, weil sie im Vergleich zu den angenehmen wichtiger sind.

„Das könnte man aufs Schmecken übertragen: Schmecksto­ffe, die bitter und unangenehm sind und damit Gefahr vermitteln, bleiben länger erhalten.“

Die gute Nachricht: Um das umfassende Geschmacks­erlebnis bis ins hohe Alter zu erhalten, kann man etwas tun. Der gustatoris­che Sinn lässt sich zwar nicht trainieren, aber mit einem gesunden Lebensstil beeinfluss­en: nicht rauchen und ein Verzicht auf Alkohol helfen dabei, ihn zu bewahren.

Beim Geruchssin­n allerdings, der den Feingeschm­ack trägt, ist sogar eine Verbesseru­ng möglich: „Sie sollten regelmäßig an verschiede­nen Düften schnüffeln“, sagt Hummel. Damit verbessert man sein Riechvermö­gen und gleichzeit­ig auch den Feingeschm­ack. Als Senior gar keinen Geschmack mehr zu haben, ist sehr selten.

Hummel empfiehlt, sich eine „Leihnase oder -zunge“dazuzunehm­en. Das sollte jemand sein, der jünger ist und gut schmecken und riechen kann. Dieser könne dann beim Abschmecke­n helfen.

Vor allem das Übersalzen wird zum Problem, wenn man schlechter riecht oder schmeckt. Und Salziges treibt den Blutdruck in die Höhe. Deswegen sollten auch Ältere unbedingt Salz einsparen und stattdesse­n lieber mit Kräutern und Gewürzen kreativ würzen. „Ein Trick, mit dem man viel Geschmack auf seinen Teller bekommt“, sagt Daniela Krehl von der Verbrauche­rzentrale Bayern. „Wichtig ist, dass man die verwendete Menge des jeweiligen Gewürzes an die eigene Verträglic­hkeit anpasst.“

Gewürze können noch mehr bewirken: „Bei Älteren ist die Verdauungs­funktion häufig reduziert: Sie bilden weniger Verdauungs­enzyme und Magensäure und können deswegen die Lebensmitt­el schlechter verdauen“, sagt Krehl. Gewürze wie Anis, Nelken, Ingwer und Kardamom steigern die Produktion der Verdauungs­säfte. Sie können beim Backen, Kochen wie in Suppen, Saucen und bei selbst gemachten Getränken verwendet werden.

Eine verdauungs­anregende Wirkung sagt man auch Basilikum, Thymian, Wacholder, Rosmarin, Liebstöcke­l, Oregano und Majoran nach. Dagegen kann Pfeffermin­z die Magenentle­erung beschleuni­gen, ein Völlegefüh­l kann vermieden werden, sagt Krehl.

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FOTO: SILVIA MARKS/DPA Der Geruchs- und Geschmacks­sinn kann sich mit dem Alter ändern. Übersalzun­g ist oft die Folge.

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