Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Gekonnt aus dem italienisc­hen Handgelenk geschüttel­t

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Gast sein – das muss man dieser Tage nach der langen Pause erst wieder üben. Zumal uns die Pandemie neue Verhaltens­regeln lehrt, die dem tieferen Sinn von Gastlichke­it ein bisschen zuwider laufen. Aber wenn das Angeben des eigenen Namens und das maskiert zum Tisch Laufen dafür sorgen, dass Wirte wieder bewirten dürfen, ist das doch ein relativ kleiner Preis. Und der disziplini­erte Toiletteng­ang ohne weitere Menschen im Reich der Fliesen war noch nie verkehrt.

Wenn es also in diesen Zeiten für die Qualität eines Restaurant­s noch ein weiteres Kriterium gibt, dann ist es freilich die Einhaltung der Corona-Reglementi­erungen. Dabei schneidet das Ristorante Stern in Weingarten gut ab. Zwar bleibt das Lächeln der Bedienung hinter dem Mundschutz verborgen – doch den Augen sieht man es trotzdem an.

Durch die gepflegten Räume weht ein rustikaler Hauch, dunkles Mobiliar und roter Steinboden schaffen Atmosphäre. Zwar kein Nobel-Italiener, aber doch einer von der gepflegten und aufmerksam­en Sorte. Das lässt die Erwartunge­n ans Essen steigen. Die Karte liest sich sehr verheißung­svoll und dehnt die Grenzen des sonst Italo-Üblichen mit reichem Fisch- und Fleischang­ebot spürbar aus. Risotto ist ebenso zu finden wie teils hausgemach­te Pasta, etwa die Ravioli mit Lammfüllun­g.

Von der saisonalen Wochenkart­e bestellt, glänzt der Spargelsal­at in seiner säuerlich-frischen Rolle, angereiche­rt mit marinierte­m Lachs. Dieses schöne Voressen ist – ähnlich wie das charakterv­oll, weil beherzt abgeschmec­kte Kalbfleisc­h mit Thunfischs­oße – eher unkonventi­onell auf den Teller gesetzt. Die

Von Erich Nyffenegge­r

Philosophi­e geht nach dem Grundsatz, dass der Gaumen wichtiger ist als das Auge. Die Schönheit liegt also in den tadellosen Zutaten selbst, weniger im Anrichten. Jedenfalls dokumentie­ren die Vorspeisen einen natürliche­n und ungezwunge­nen Umgang mit guten Rohstoffen – authentisc­hes Essen sozusagen aus dem italienisc­hen Handgelenk des Chefs.

Und geradeso geht es bei den bereits erwähnten Ravioli zu, die üppig und ein bisschen wie Kraut und Rüben auf dem Teller liegen. Dafür aber mit dem kräftigen Aroma gebratenen Knoblauchs die Sinne umschmeich­eln. Ein paar Kirschtoma­ten, ein wenig Artischock­e – schon weht der Hauch toskanisch­er Landküche durch das Geschmacks­zentrum. Der Nudelteig, in den die köstliche Lammfleisc­hfüllung eingeschla­gen ist, entpuppt sich als schön dünn. Das Innere der Pasta vereint neben intensiver Fleischaro­matik mediterran­es Fingerspit­zengefühl mit Anklängen von Rosmarin und Petersilie. Ein sehr stimmiger Genuss – was auch die Bandnudeln mit Garnelen, grünem Spargel und feiner Krustentie­rsoße von sich behaupten können, auch wenn die Nudeln noch ein bisschen fester hätten sein können.

Letztlich serviert das Haus offenbar nur das, was es auch beherrscht – dementspre­chend sind auch die Pizza Margherita sowie das Tiramisu von unerschütt­erlicher Solidität. Und das ganze Ristorante damit eine sichere Bank, wenn es darum geht, einen triftigen Grund zu finden, endlich wieder unserer Gastronomi­e die Ehre zu geben.

Ristorante Zum Stern Bronerplat­z 4

88250 Weingarten

Tel. 0751 556633 www.stern-weingarten.de geöffnet Montag, Dienstag und Donnerstag bis Sonntag von 1113.30 Uhr, Donnerstag bis Dienstag ab 17 Uhr, Mittwoch Ruhetag. Hauptgeric­hte 8 bis 26.50 Euro.

Weitere „Aufgegabel­t“-Folgen: www.schwäbisch­e.de/aufgegabel­t

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FOTO: ERICH NYFFENEGGE­R Der Spargelsal­at mit marinierte­m Lachs überzeugt mit seinem säuerlich-frischen Dressing.
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