Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Positive Nachrichten in Zeiten von Corona
Was Krise im Landkreis auch bewirkt: Mehr Nachbarschaftshilfe und Neuentdeckung der Natur
KREIS RAVENSBURG - Die CoronaPandemie überschüttet die (Nachrichten-)Welt mit negativen Meldungen. Doch es gibt auch viele Aspekte, in denen das Coronavirus zu etwas Gutem geführt hat oder verdeutlichte, wie viel Solidarität und Mitgefühl im Kreis Ravensburg vorhanden sind.
Der täglich weltweite CO2-Ausstoß sei auf dem Höhepunkt der strikten Corona-Maßnahmen zeitweise um etwa ein Sechstel zurückgegangen, so Matthias Schmid vom Landesministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft. In Deutschland seien die Werte zu Spitzenzeiten der Corona-Beschränkungen um mehr als ein Viertel gefallen. Jedoch betont Schmid, dass die starken Rückgänge wahrscheinlich nur temporäre Effekte seien, die sich nicht langfristig auswirken würden. „Um konkrete strukturelle Verringerungen beim CO2-Ausstoß zu erreichen, müssen jetzt auf EU- und Bundesebene die richtigen Maßnahmen getroffen werden“, so Schmid.
Selina Nußbaumer vom Landratsamt Ravensburg erkennt eine zunehmende Wertschätzung der heimischen Natur: „Wir stellen fest, dass sich viele Menschen der Natur vor der eigenen Haustür zugewandt haben und deren Wertschätzung dadurch auch gestiegen ist.“Falls sich die Rückbesinnung auf die nähere Umgebung erhielte, würde in Zukunft weniger Verkehrsaufkommen durch Freizeitverkehr entstehen.
Die Tafel Ravensburg profitiert seit ihrer Wiedereröffnung Ende März von einem „Einsatz aller Helfer, der ungewöhnlich engagiert ist“, so Walter Lehmann, Leiter der Tafel Ravensburg. Immer wieder würden sich Menschen in Kurzarbeit, im Ruhestand und Studenten melden, um zu helfen. Zudem habe es viele Spenden von Privatpersonen und Institutionen gegeben. „Da auch unsere ständigen Lieferanten uns durchgehend mit Nahrungsmitteln versorgt haben, hatten wir fast immer ein reichliches Angebot für unsere Bedürftigen da“, freut sich Lehmann.
Eine besonderen Zuwachs erlebte die Nachbarschaftshilfe im Landkreis.
Die Initiative Nachbarschaftshilfe Ravensburg vom Kapuziner-Kreativzentrum bietet Helfenden und Hilfesuchenden Austauschmöglichkeiten an. Auf ihrer Webseite werden Listen und Druckvorlagen für Interessierte bereitgestellt, mit denen Hilfe gesucht beziehungsweise angeboten werden kann. „Viele Menschen in Ravensburg und Umgebung haben wegen des Coronavirus und der damit verbundenen Einschränkung des sozialen Lebens gerade zusätzliche Zeitressourcen, die sie sinnvoll einsetzen wollen. Gleichzeitig gibt es viele Risikogruppen, die nicht mehr sicher aus dem Haus können, um Erledigungen zu machen oder einzukaufen“, schildert Projektleiter Marcel Martetschläger. Deshalb hätten sie die Initiative Anfang März gegründet, um die Gruppen zusammenzubringen. Hauptsächlich würden Einkaufshilfen und kleine Besorgungen für Risikogruppen getätigt werden. „Unsere Nachbarschaften funktionieren gut“, resümiert Martetschläger.
Auch die „Schwäbische Zeitung“bringt in ihrem Portal „Schwäbische bringt zusammen“Helfer und Hilfesuchende zusammen. „Die Solidarität in der Corona-Krise ist riesig. Der Wunsch von vielen Lesern, anderen Menschen zu helfen, zeigt, was eine Gesellschaft in einer solchen Ausnahmesituation zu leisten vermag. Das ist toll und macht Mut“, so die stellvertretende Chefredakteurin Steffi Dobmeier. Das Marktplatzund Netzwerkportal für Unternehmen und freiwillige Helfer bietet unter anderem Hilfemöglichkeiten im Bereich Einkaufshilfe, Kinderbetreuung, Seelsorge und Tierversorgung an. Zudem können regionale Unternehmen und Einzelhändler ihre Leistungen anbieten.
Das Berliner Sozialunternehmen „nebenan.de“sieht sich als digitales schwarzes Brett in der Nachbarschaft. Seit der Krise hätten sich die Anmeldezahlen teilweise verfünffacht und die Aktivität auf der Plattform sei deutlich angestiegen, so Vanessa Schultheiß von nebenan.de: „Auch in Ravensburg gibt es zahlreiche Nachbarn, die ihre Hilfe angeboten haben. In Ravensburg gibt es zurzeit 700 Nutzer. Wir glauben fest an das Miteinander in der Nachbarschaft.“Seit Ausbruch der Krise seien sie immer wieder überwältigt von der Solidarität in den Nachbarschaften gewesen.
Auch die Freiwilligenagentur Ravensburg vernetzt Menschen. Die Agentur ist eingebettet in die städtische Fachstelle für Bürgerschaftliches Engagement. Die Mitarbeiter vermitteln seit 20 Jahren Ehrenamtliche und bieten kostenlose Fortbildungen für ehrenamtliche Vereine an. Sophie Bader, Abteilungsleitern des Bürgerschaftlichen
Engagements, berichtet, dass in Ravensburg alle viel Solidarität hätten erleben dürfen: „Das bürgerschaftliche Engagement hat einen sehr hohen Stellenwert in der Region. Dass es dann auch so eingetreten ist, hat uns sehr gefreut. Überrascht hat mich die ungeheure Schnelligkeit, mit der die Bürger sich in Helferkreisen gut organisiert haben.“
Jedoch haben die Nachbarschaftsbeziehungen oft so gut funktioniert, dass die zahlreichen Angebote nicht stark nachgefragt wurden bzw. die Hochphase inzwischen vorbei ist.
Neben dem Bürgerengagement haben sich auch viele Seelsorger um Corona-Betroffene gekümmert. Pfarrer Hans-Dieter Schäfer vom evangelischen Krankenhauspfarramt Zfp Südwürttemberg in Weißenau betont die Wichtigkeit der Seelsorge in Krisenzeiten: „Die Menschen brauchen die Verlässlichkeit, dass das Angebot der Seelsorge da ist, dass es durch die Krise trägt. Das gute alte Telefon kommt wieder neu zur Geltung. Aber auch Spaziergänge im Park biete ich an.“Er erlebt die vielen Hilfsangebote der Organisationen und Privatpersonen als sehr solidarisch. „Die Menschen tun das nicht nur aus Pflicht, sondern aus dem Geist der Nächstenliebe und der Solidarität“, ist er sich sicher.
Auch die Digitalisierung ist in diesen Zeiten vorangeschritten. So gab es neben Homeoffice und Homeschooling digitale Gottesdienste und auch Kurse wurden per Internet angeboten. Silke Pfaller, Geschäftsführerin der Volkshochschule Ravensburg, bemerkt einen Lernprozess: „Wir haben viel gelernt bei der Digitalisierung. Es wurden Online-Schulungen für Dozenten organisiert und viele jüngere Teilnehmer haben digital weitergemacht.“Durch Corona sei das Angebot der Onlinekurse erweitert wordend.
Weitere Informationen zu den genannten Hilfsangeboten finden sich beim Kapuziner Kreativzentrum unter kapuziner.info/corona/ und auf dem Portal www.schwaebischebringtzusammen.de.