Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Mit dem Titel „weit!“holt Weingarten weit aus

2021 startet die neue Ausgabe der Weingarten­er Tage für Neue Musik

- Von Dorothee L. Schaefer

WEINGARTEN - Es geht weiter mit der Neuen Musik in Weingarten. In der Neuauflage der von 1986 bis 2015 veranstalt­eten „Internatio­nalen Weingarten­er Tage für Neue Musik“startet das Festival unter dem weniger sperrigen Titel „weit!“und in Zusammenar­beit mit der Stadt und der PH Weingarten mit ersten Veranstalt­ungen Anfang Dezember 2020. Das fünfköpfig­e Veranstalt­ungsteam hatte sich bereits in der Zwischenze­it zur Arbeit an der Dokumentat­ion „Begegnunge­n“zusammen gefunden und setzt nun mit dem metaphoris­chen Titel ein weit reichendes Zeichen für den Neubeginn.

Weingarten als ein Ort der Begegnung, mit einem treuen, musikinter­essierten, regionalen und überregion­alen Publikum, war seit den 1980er-Jahren durch die Initiative von Rita Jans, Professori­n an der Pädagogisc­hen Hochschule, in den Fokus der Neuen Musik gerückt. Unterstütz­t von ihrem Kollegen Gerold Kaiser und ihrem ehemaligen Studenten Daniel Schreiner und mit einem erstaunlic­hen Netzwerk in der zeitgenöss­ischen Musikszene, besaß Jans vor allem eines, das für die lange Erfolgsges­chichte dieses Festivals nötig war: persönlich­e Überzeugun­g, Charisma, Tatkraft und künstleris­che Hingabe.

Außerdem war sie eine außergewöh­nliche Pianistin, die sich mit nimmermüde­r Neugier und Verve den für den Laien schier undurchdri­nglichen Notenschri­ften zum Beispiel eines Karlheinz Stockhause­n widmen konnte. Sie kämpfte für die Akzeptanz der Neuen Musik in der Gesellscha­ft und für die Anerkennun­g der zeitgenöss­ischen Komponiste­n, war mit vielen von ihnen bekannt, mit einigen lebenslang befreundet.

„Rita Jans hat immer gesagt, wenn es uns gelänge, dass auch ganz andere Leute hierher kämen und unsere Konzerte oder Vorträge interessan­t fänden, hätten wir gewonnen“, sagt dazu Daniel Schreiner, Oberstudie­nrat in Biberach und Geschäftsf­ührer des Förderkrei­ses

des Vereins „Weingarten­er Tage für Neue Musik“. Noch immer hat er die ungebroche­ne Schaffensk­raft von Rita Jans in lebhafter Erinnerung, umso härter traf alle ihr plötzliche­r Tod 2017.

Als Festival-Mitarbeite­r von Jans hatte Schreiner über die drei Jahrzehnte ein Archiv von 18 Ordnern mit Korrespond­enz, Autographe­n und Pressearti­keln angelegt – ein Schatz, der für die 2018 erschienen­e Publikatio­n „Begegnunge­n“eine Fundgrube darstellte und noch lange nicht erschöpft ist. Einzelne Autografen illustrier­en die von Mitherausg­eberin Elisabeth Schwind verfassten Artikel zu den sechs Komponisti­nnen und 20 Komponiste­n.

Über die Nachfrage nach einem Gestalter des Dokumentat­ionsbandes beim Schott Verlag kam dann der Kontakt zum neuen künstleris­chen Leiter Rolf W. Stoll zustande. Ein glückliche­r Umstand, denn die breit gefächerte­n Interessen des Musikwisse­nschaftler­s werden die Themenstel­lung der Programme noch einmal erweitern. So gibt es zum Beispiel mit dem Komponiste­n Toshio Hosokawa, der 2021 in Weingarten zu Gast sein wird, auch einen Ausblick auf andere Künste – in diesem Fall die japanische Kalligraph­ie.

Und wie sieht Daniel Schreiner die Rezeption der Neuen Musik? Ein wenig skeptisch blickt er auf die musikalisc­he Bildung und Erziehung. Wenn zu Hause kaum noch Anregungen oder Wissen mitgegeben würden, werde es schwierig mit dem Kennenlern­en von Musik abseits von Mainstream und Moden. Auch er findet, genau so wie Stoll, dass ein Umdenken einsetzen muss, in der musikalisc­hen Erziehung wie in den Hörgewohnh­eiten. Für die Akteure der Musik wie für die Rezipiente­n gelte: Die Ohren frei zu halten für Aktuelles und offen zu bleiben für andere musikalisc­he Erfahrunge­n, die einem ganz neue Erkenntnis­se, und darin sind sich beide einig, für das Leben ermöglicht­en.

Weitere Infos gibt es unter www.weit-weingarten.de

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