Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Zwischen Wohnungsnot und Flächenfraß
Baden-Württemberg und Bayern reißen Zwischenziele beim Schutz hochwertiger Böden
RAVENSBURG - Akute Wohnungsnot und begehrte Bauplätze einerseits, schwindende Natur und Felder andererseits: In Süddeutschland ist der Konflikt um den Flächenfraß besonders groß. In Baden-Württemberg hat der Flächenverbrauch im Jahr 2019 leicht zugenommen. Pro Tag gingen 4,8 Hektar verloren, ein Plus von 0,3 Hektar. In Bayern werden täglich zehn Hektar freie Flächen zu Bauland oder Straße – so viel wie nirgendwo sonst.
Damit reißen beide Länder bislang die Zielvorgaben des Bundes. Eigentlich sollten im Jahr 2020 deutschlandweit nur noch 30 Hektar pro Tag verbraucht werden – 3,6 in Baden-Württemberg, 4,7 in Bayern.
Baden-Württembergs Bauministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) verweist auf die Erfolge im Südwesten. Dort werden heute nur noch halb so viele Flächen pro Tag verbraucht wie noch 2007, obwohl die Bevölkerungszahl um knapp 500 000 Menschen wuchs. „Das zeigt, dass wir schon sehr bewusst mit dem Thema Flächenverbrauch umgehen“, sagte die Ministerin der „Schwäbischen Zeitung“. Das Land steuere gegen und fördere zum Beispiel Projekte, bei denen ungenutzte Flächen innerhalb der Städte und Gemeinden bebaut würden statt auf der grünen Wiese außerhalb. „Die Herausforderung ist dennoch groß: Denn wenn immer mehr Menschen bei uns leben und arbeiten, wachsen auch die Siedlungs- und Gewerbeflächenbedarfe“,
so Hoffmeister-Kraut. Im grün geführten Umweltministerium wünscht man sich dagegen einen stärkeren Fokus auf den Schutz der Lebensräume für Tiere und Pflanzen. Weil Böden nicht ausreichend gesetzlich geschützt seien, entschieden sich viele Kommunen oft gegen den Erhalt von Wiesen oder Feldern und für Bauvorhaben.
Die meisten Flächen gehen dabei der Landwirtschaft verloren. Deswegen mahnt Agrarminister Peter Hauk (CDU): „Ich sehe es immer dann kritisch, wenn landwirtschaftlich genutzte Flächen für alles Mögliche herhalten müssen und beispielsweise für ökologische Ausgleichsmaßnahmen von Bauvorhaben in Anspruch genommen werden.“Die grün-schwarze Landesregierung hat sich dem Ziel verpflichtet, langfristig nicht mehr Flächen zu verbrauchen als anderswo wieder für die Natur freigegeben werden.
Doch dieses Bemühen nimmt Willfried Nobel, Professor für Siedlungsökologie aus Nürtingen, den Ministern nicht ab: „Es hakt am Willen dieser Landesregierung, den Flächenverbrauch nachhaltig zu stoppen. Das gilt leider auch für die Grünen.“Nobel bemängelt den bundesweit fehlenden Willen der Politik, das Problem anzugehen. Er warnt vor einem Ausverkauf der Flächen an ausländische Investoren: „Letztlich müssten Bund und Länder selbst aktiver werden und Flächen erwerben, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen und mehr Flächen ökologisch zu bewirtschaften.“